Читать книгу Neukirchener Kinderbibel Neukirchener Erzählbibel (ohne Illustrationen) - Irmgard Weth - Страница 88
76. Jeremia und Baruch
ОглавлениеEines Tages wurde in Jerusalem
ein Bußtag gefeiert.
Aus dem ganzen Land strömten
die Leute herbei,
um im Tempel zu beten
und Gott um Hilfe zu bitten.
Doch als sie zum Tempeltor kamen,
hörten sie jemand rufen:
„Ihr Leute, hört her!
Gott hat eine wichtige Nachricht
für euch.“
Verwundert blieben sie stehen.
Wer rief da so laut?
Die Worte kannten sie doch!
Da entdeckten sie einen Mann,
der stand im Vorhof des Tempels
und las aus einer Schriftrolle vor.
Baruch war es, ein Freund Jeremias.
Neugierig kamen die Leute näher
und lauschten.
„Habt ihr gehört, was der liest?“,
flüsterten sie erschrocken.
„Das muss der König erfahren
und auch seine Minister
müssen es wissen.“
Und sogleich rannte einer
zum Königspalast,
wo gerade alle Minister
versammelt waren.
Dort meldete er aufgeregt:
„Baruch, der Freund Jeremias,
liest im Vorhof des Tempels
aus einer Schriftrolle vor.
Er hat eine wichtige Nachricht
von Gott.“
Da horchten die Minister auf.
„Was sagst du da?
Eine wichtige Nachricht?
Die müssen wir hören.
Jetzt gleich! Auf der Stelle!“
Schnell ließen sie Baruch rufen
und baten ihn:
„Komm, setz dich zu uns!
Lies uns aus deiner Rolle vor!
Wir wollen dich hören.“
Da las ihnen Baruch alles vor,
von Anfang bis Ende,
Wort für Wort.
Als aber die Minister hörten,
was Baruch las,
wurden sie ganz bleich.
„Sag“, unterbrachen sie ihn,
„ist das wirklich wahr,
was du da liest?
Woher weißt du dies alles?“
„Von Jeremia“, antwortete Baruch.
„Und der weiß es von Gott.
Jeremia hat mir alle Worte gesagt,
und ich habe sie mit Tinte
auf diese Rolle geschrieben,
damit sie niemand vergisst.“
„Gib uns die Rolle!“,
baten ihn die Minister.
„Wir wollen sie auch
dem König vorlesen.
Er muss wissen,
was für ein großes Unglück
uns allen bevorsteht.
Du aber geh schnell zu Jeremia
und versteck dich mit ihm!
Denn wer weiß,
was der König euch antut,
wenn er hört,
was in der Schriftrolle steht.“
Und sie gingen sogleich
zu Jojakim, ihrem König.
Der saß gerade in seinem Winterpalast
und wärmte seine Hände
über dem offenen Feuer.
„O König“, meldeten sie,
„wir haben eine dringende
Nachricht für dich.
Sie steht in einer Schriftrolle.“
„Dann lest sie mir vor!“,
befahl ihnen der König.
„Ich will sie auch hören.“
Da holte ein Diener die Rolle
und las dem König laut vor:
„So spricht der Herr:
Ich will deinen Palast
zur Wüste machen
und deine Stadt
zu einer Stadt ohne Bewohner.
Fremde Völker werden kommen
und diese Stadt zerstören
und im Feuer verbrennen,
weil sie den Bund mit Gott
gebrochen hat.“
Die Minister schauten
gespannt auf den König.
Was würde er tun?
Was würde er dazu sagen?
Der aber verzog keine Miene.
Ungerührt nahm er ein Messer,
schnitt Stück um Stück
von der Schriftrolle ab
und warf alle Stücke ins Feuer.
Den Ministern stockte der Atem.
Wie? Der König wagte es,
Gottes Wort zu verbrennen?
„O König“, baten sie leise,
„tu’s nicht! Bitte, hör auf!“
Doch der König hörte nicht auf sie.
Er ruhte nicht eher,
bis die ganze Rolle verbrannt war.
Da wurde es mit einem Mal
ganz still in der Runde.
Niemand wagte noch,
etwas zu sagen.
Niemand schrie auf.
Niemand weinte und klagte.
Es blieb totenstill in dem Saal.
Gottes Wort war endgültig verstummt.
Aber Gott sprach zu Jeremia:
„Schreib alles noch einmal auf,
alles, was ich geredet habe.“
Da nahm Jeremia
eine neue Schriftrolle,
gab sie Baruch
und sagte ihm alle Worte,
die Gott zu ihm geredet hatte.
Und er fügte hinzu:
„So spricht der Herr:
Einst kommt die Zeit,
da will ich mich wieder
meinem Volk zuwenden
und ich will sie
zu mir heimbringen.
Sie sollen mein Volk sein
und ich will ihr Gott sein.“
Noch war es ein Geheimnis,
was Baruch damals
auf die Schriftrolle schrieb.
Nur wenige Menschen ahnten,
was Gott dem Propheten
anvertraut hatte.
Aber einmal würde der Tag kommen,
da würden die Menschen
mit eigenen Augen sehen,
wie sich Gottes Versprechen
an ihnen erfüllte.
Jeremia 36 (22,6 ff. / 30,1 ff.)