Читать книгу Dort, wo der Mond liegt - Iselin C. Hermann - Страница 14

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Ich weiß, daß ich dich für immer verloren habe.« So hat Isaks Stimme noch nie geklungen. Verletzlich und gleichzeitig ruhig konstatierend.

Was waren wir verliebt, unglaublich verliebt, wahnsinnig verliebt. Von dem Moment an, als wir uns zum ersten Mal an einem Tisch mit Lambswoolpullovern im Sonderangebot sahen und am gleichen Pullover zogen, waren wir jeden Tag zusammen, nach zehn Tagen auch jede Nacht. Ich habe den Pullover gekauft, und nach der ersten Nacht habe ich ihn ihm geschenkt. Schon am ersten Tag sagte er: »Ich glaube, ich werde dir alles erzählen.« Ich war voll, bis zum Rand voll mit den Worten »Ich liebe dich«. Und konnte nicht genug kriegen von ihm, seinem Geruch, seiner Stimme, seiner Energie, seiner olivefarbenen Haut, von dem, was er sagte, was er tat. Und tanzen konnte er! Wenn er mich führte, unterlag ich für einen Moment der Illusion, daß ich es auch konnte. Besonders Tango. Ich war verrückt nach der Art und Weise, wie er ein Streichholz anzündete – auf einen Streich, mit der Flamme in der Hand. Wenn die Kerze oder die Zigarette brennt, verschlingt die Flamme das Streichholz. Wenn er das Feuer weitergibt, hält er das Streichholz mit der Flamme nach oben, wie eine Fahne, die in einem kleinen Schleier aus Rauch verschwindet. Er macht es immer noch. Es ist eine Angewohnheit. Aber die Verzauberung ist verschwunden. Ich konnte nicht genug von ihm bekommen, bis die Eifersucht unser Leben mit ihrem häßlichen gelben Gesicht verpestete. Es begann mit kleinen, unwichtigen Dingen. »Du bist spät?!« Als inquisitorische Feststellung gesagt. »Warum warst du nicht zu Hause, als ich um drei anrief?« Ausgespieen wie eine Anklage. Grün vor Neid sagt man, aber Neid und Eifersucht sind siamesische Zwillinge, und sie sind gelb. Ein gelbes Fieber, für das es noch keine Medizin gibt. Das Weiß in seinen Augen wurde gelb. Er öffnete meine Briefe und E-Mails; es hatte nichts gegeben, was er nicht hätte lesen dürfen, außer dem Geständnis an Jennifer, wie wunderbar wir uns liebten, denn ihm war nicht recht, daß ich das mit jemandem teilte. Wir liebten uns wie besessen, die Erotik war ein Bindemittel, eine Brücke über Abgründe, eine Feuerleiter bei einem Chemikalienbrand. Nach einem Streit über Nichtigkeiten, nach Vorwürfen und Anschuldigungen wurden die Küsse im Dunkeln, wenn wir uns abends trafen, nur um so heftiger. Er bat um Vergebung, er wollte mich wieder erobern, und die Eroberungszüge wurden immer heftiger. Aber sein Mißtrauen machte mich kalt. Es gab nichts, das er nicht wissen durfte, und dennoch schmeckte ich den bitteren Geschmack des Gekränktseins, wenn ich feststellte, daß er harmlose Briefe eines ehemaligen Studienfreunds geöffnet hatte. Sein Leben bestand aus Meetings und Verabredungen, dennoch sauste die Guillotine immer öfter auf meine Verabredungen herunter, weil ich sie absagte, um ihm eine Freude zu machen.

Eifersucht ist eine Krankheit, eine selbstverzehrende Krankheit, die so wenig mit Liebe zu tun hat wie Prostitution mit Verliebtheit. Ich hatte mich schon entschlossen, bevor ich ihn traf, aber erst über ein halbes Jahr später hatte ich wieder genügend Erdung, um meinen Arabischkurs anzufangen. Erst fand er es lustig und lernte die Buchstaben, damit er den Code der verschlüsselten Briefe knacken konnte, die ich ihm auf englisch, jedoch mit arabischen Buchstaben schrieb. Aber dann stellte er fest, daß die Sprache mehr war als merkwürdige Schnörkel und rauhe Halslaute. Die Sprache war die Tür zu einer Sehnsucht, die nichts mit ihm zu tun hatte. Eine Tür zu etwas bekanntem Unbekanntem, zu etwas, das ich in mir trug, ohne mir dessen bewußt zu sein. Er bekam Angst und hatte das Gefühl, ganz Arabien sei sein Feind. Wenn ein betrunkener Gast an einem Tischbein stolpert und dauernd darauf zeigt, während er auf dem Boden umherkriecht, dann versucht er, dem Tischbein die Schuld zu geben und die Aufmerksamkeit von seinem Rausch abzulenken. Genauso definierte Isak Abrahamowitz die Eifersucht zu Politik um. Der Gazastreifen verlief mitten durch das Doppelbett.

In der Eifersucht steckt genauso viel Energie wie in Sex. Ich war verrückt nach ihm, wirklich, und das verging nicht einfach so. Aber ich habe nicht nachgegeben, ich habe meinen Plan, hierherzukommen, nicht aufgegeben. Und mein Gott, es handelt sich um sieben Monate! Wir waren beide zwei verschlossene Schränke, in denen jeweils der Schlüssel zum anderen lag, und der Satz »Ich liebe dich« füllte mich nicht mehr bis zum Rand aus, er tauchte immer wieder auf, hatte jedoch keine Richtung mehr. Manchmal hatte ich beim Aufwachen den Satz im Kopf, aber Isak war nicht der Empfänger. Es gab keinen speziellen Adressaten für die Worte, sie waren mehr eine Art Sehnsucht, nicht so sehr Liebe zu jemand Bestimmtem. Ein zielloser und wogender Strom ohne Abnehmer. Neben meinem Job hatte ich drei Mal pro Woche Arabischunterricht. Und Isak bekam den Auftrag, einen Dokumentarfilm zu machen. Über Araberpferde, und das ist jetzt keine Lüge.

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