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1.Inhalt der Hauptleistungspflichten

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135Der Inhalt der Hauptleistungspflichten183 des Schuldvertrags folgt unmittelbar aus der Einigung der Parteien oder gegebenenfalls auch subsidiär aus einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Stehen die Hauptleistungspflichten zueinander in einer besonderen Nähe, spricht man von einem Synallagma184.

136Welche Pflichten in diesem Sinne synallagmatisch sind, ist einfach zu bestimmen, wenn es sich um einen der Typenverträge des BGB handelt. So stehen die Hauptpflichten des Käufers und Verkäufers in dem beschriebenen engen Zusammenhang. In gleichem Maße sind auch die wesentlichen Vertragsaufgaben des Werkunternehmers und des Bestellers zu sehen. Schwieriger wird die Bestimmung der Hauptleistungspflichten, wenn die Parteien nicht auf einen der verschiedenen Vertragstypen des BGB zurückgreifen, sondern einen atypischen Vertrag abschließen.

Beispiel: Zu denken ist etwa an einen gemischten Vertrag im Bewirtungssektor: Betritt G das Restaurant des W, setzt sich dort an einen Tisch, hängt zuvor seinen Mantel auf, bestellt ein Essen und ein Getränk und tanzt anschließend noch zur Musik des DJ. Was sind nun die Hauptleistungspflichten der Vertragsparteien, insbesondere des W: Die Zurverfügungstellung des Tisches? Die Bewachung des Mantels an der Garderobe oder die Ermöglichung des Tanzens mit Musik? All dies kann Hauptleistungspflicht des W sein. Im Einzelnen wird der Parteiwille entscheidend sein. Durchaus vorstellbar ist in diesem Zusammenhang, dass alle einzelnen Vertragsbestandteile Gegenstand der Hauptleistungspflicht des Wirtes sind. Andererseits ist aber auch möglich, dass Hauptpflichten des Wirtes, für die der Gast Geld entrichtet, ausschließlich die Verpflegung ist. Demgegenüber könnte die Zurverfügungstellung eines Tisches sowie die Überwachung der Garderobe als bloße Nebenpflicht zum Hauptleistungspflichtenprogramm des W anzusehen sein. Entweder liegt in diesen Fällen dann ein zusammengesetzter Vertrag vor, der in erster Linie ein gemischter Vertrag aus einer Bewirtung oder der Erbringung der Tanzmusik sein dürfte. Oder kann man in diesen Fällen aber auch einen einzigen Vertrag erkennen, der aus unterschiedlichen Bestandteilen besteht. Entscheidend ist der Wille der Vertragsparteien. Da dieser häufig nicht dezidiert zum Ausdruck kommt, wird man insofern auf die Umstände des Einzelfalls und die Gegebenheiten vor Ort Rücksicht zu nehmen haben.

137Da die Hauptleistungspflichten zu den essentialia negotii gehören, muss allein anhand der Vereinbarung der Inhalt der einzelnen Leistungspflichten beider Vertragsparteien festgestellt werden können. Infolgedessen gilt auch im Bereich des Schuldverhältnisses prinzipiell der Grundsatz der Bestimmtheit der Leistung. Daraus folgt, dass bei jedem vertraglichen Schuldverhältnis die Leistungsinhalte beider Parteien im Hinblick auf die zu erbringende Primärleistungspflicht genau bestimmt sein müssen. Denn nur dann weiß der jeweilige Schuldner der einzelnen Leistung, was er zu tun hat. Anders als im Sachenrecht, wo der Bestimmtheitsgrundsatz eine überragende Bedeutung einnimmt, wird im Bereich des Schuldrechts der Bestimmtheitsgrundsatz in vielerlei Hinsicht nicht ganz so strikt eingehalten. Häufig sind die schuldrechtlichen Hauptleistungspflichten der Vertragsparteien gerade nicht in allen Einzelheiten schon durch die vertragliche Einigung bestimmt. Es können vielmehr Einzelheiten zu den essentialia negotii fehlen. In diesem Fall ist jedoch der Vertrag nicht sofort unwirksam, insbesondere liegt in diesen Fällen nicht unwillkürlich ein Dissens vor185, vielmehr kann es in diesem Zusammenhang auch gelingen, den Inhalt der Hauptleistungspflichten auf andere Weise zu ermitteln.

138Eine solche Ermittlung läuft in verschiedenen Schritten ab. Zunächst hat man festzustellen und zu prüfen, ob die Parteien nicht doch eine Vereinbarung über den Inhalt der Verpflichtung getroffen haben; fehlt eine solche ausdrückliche Vereinbarung, kann sie auch konkludent erfolgt sein. Hier greifen die bekannten Regeln des Vertragsschlusses.

Beispiel: Kauft A vier Tage hintereinander zwei Brötchen bei seinem Bäcker und formuliert dies auch explizit, schweigt er hingegen am 5. Tag und legt stattdessen nur 60 Cent auf die Theke, kommt ein Vertrag mit den Hauptleistungspflichten „zwei Brötchen, 60 Cent“ zustande – konkludent erfolgte die Einigung für bestimmte Leistungspflichten.

139Ist jedoch auch konkludent keine nähere Bestimmung über die Hauptleistungspflicht auf diese Weise möglich, helfen gegebenenfalls gesetzliche Auslegungsregelungen. Das gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Modalitäten der Leistungserbringung, also auf die Frage, wann und wo die Leistungspflicht zu erbringen ist – haben sich die Parteien also hierüber nicht geeinigt, berührt dies die Wirksamkeit der Vereinbarungen nicht. So ergibt sich der Ort der Erbringung aus § 269, hinsichtlich der Leistungszeit gilt § 271.186

140Im Schuldrecht kann es sogar noch weitergehende Fallgestaltungen geben, in denen nicht nur die Modalitäten der Leistungserbringung, sondern sogar die Gegenleistungspflicht nicht genau bestimmt ist. Das ist zwar im Kaufrecht nicht der Fall, wo die Parteien den Inhalt der Gegenleistungspflicht selbstständig festlegen oder nach den §§ 315–319 vereinbaren müssen, dass ausnahmsweise ein Dritter oder eine der Vertragsparteien diese Bestimmung trifft.187 Zusätzlich gibt es jedoch auch Vertragstypen, in denen die Parteien sich über die Gegenleistungspflicht zwar nicht explizit einigen, aber üblicherweise die Erbringung einer besonderen Leistung nur gegen Vergütung zu erwarten ist, wie beispielsweise § 612 im Dienstrecht vorsieht.188 Ähnliche Vorstellungen finden sich im Werkvertragsrecht in § 632 Abs. 2 oder im Maklervertrag gem. § 653 Abs. 2.

Schuldrecht I - Allgemeiner Teil

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