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2.Unzulässige Vereinbarungen zur Zahlungsfrist
Оглавление253Die grundsätzliche Regelung des § 271, die – wie dargestellt – eine Auslegungsregel enthält und damit im Hinblick auf die Leistungszeit maßgeblich auf die Vereinbarung der Parteien abstellt, ist im BGB schon von Beginn an enthalten, d. h. seit 1900. Aus dem Jahr 2014363 ist dagegen die Vorschrift des § 271a, die die grundsätzlichen Regelungen zur Leistungszeit für einige Fälle beschränkt, d. h. den Parteien gewisse Abmachungen über die Leistungszeit verbietet.
Warum dies geschieht, wird deutlich, wenn man sich die Herkunft des § 271a vor Augen führt: Die Vorschrift wurde zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr364 eingeführt. Die Richtlinie behandelt eine Problematik, die es 1900 noch nicht gab. Im Geschäftsverkehr bei Vertragsabschlüssen zwischen Unternehmen365 erfolgt die Zahlung der gelieferten Waren häufig erst sehr viel später als deren Lieferung. Das geschieht, weil sich die eine Vertragspartei einen entsprechenden Zahlungsaufschub bei den Vertragsverhandlungen ausbedingt und die Parteien dann für den Zahlungsanspruch eine spätere Leistungszeit verabreden.366 Ein solcher auf der Vertragsfreiheit gegründeter Zahlungsaufschub wirkt sich jedoch negativ auf die Liquidität der Unternehmen aus, die ihre Leistung, z. B. eine Warenlieferung, oftmals schon Monate zuvor erbracht haben. Hinzu kommt, dass viele Rechnungen im Geschäftsverkehr erst lange nach Ablauf der Zahlungspflicht beglichen werden.367 Dieser Liquiditätsverlust hat für die betroffenen Unternehmen viele Nachteile, unter anderem dann, wenn sie etwa zur Überbrückung von Engpässen einen Kredit aufnehmen müssten.368
254Zur Umsetzung der europäischen Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber u. a.369 die Regelung des § 271a geschaffen, die den möglichen Vereinbarungen über die Leistungszeit des Zahlungsanspruchs Grenzen setzt. § 271a bezieht sich aber nur auf Vereinbarungen, die nicht in AGB enthalten sind. Handelt es sich bei den Vereinbarungen um AGB, gelten vorrangig die zeitgleich mit § 271a eingeführten Regelungen des § 308 Nr. 1a und 1b.370
Diese Regel gilt nur zwischen Unternehmern. Ist der Zahlungsschuldner ein Verbraucher (§ 13), gilt sie nicht. Etwas anderes gilt jedoch, wenn ein Unternehmen von einem Verbraucher Waren erwirbt. Dann ist das Unternehmen der Zahlungsschuldner mit der Folge, dass § 271a Anwendung findet.371
Zum Schutz des Gläubigers wird den Parteien in § 271a eine Höchstfrist (60 Tage) im Hinblick auf einen Zahlungsaufschub gesetzt, den die Parteien zulässigerweise vereinbaren können. Wird diese Frist überschritten, ist die dahingehende Vereinbarung unwirksam, im Übrigen bleibt der Vertrag wirksam, dies regelt § 271a Abs. 4. Der Gläubiger kann dann – gem. § 271 Abs. 1 – die sofortige Leistung, d. h. Zahlung, verlangen.
255Um aber zu bestimmen, ob eine Vereinbarung gegen die zulässige Höchstdauer verstößt, ist entscheidend, den Beginn der Zahlungsfrist festzulegen. Hierzu trifft § 271a Abs. 1 eine etwas komplizierte Regelung. Zunächst soll es auf den Zeitpunkt der Gegenleistung ankommen.
Beispiel: Unternehmer U kauft bei Unternehmer X Waren. Vereinbaren sie, dass X seine Waren am 1.4. liefert, so dürfen sie nur vereinbaren, dass U bis zum 31.5. (60 Tage später) die Waren bezahlt. Die Vereinbarung eines späteren Termins ist grundsätzlich unwirksam.
Bei der Beurteilung, ob die Parteien einen zu langen Zahlungsaufschub vereinbart haben, ist damit zunächst auf die Gegenleistung abzustellen. Davon macht § 271a Abs. 1 Satz 2 eine Ausnahme. Eine Vereinbarung soll auch dann noch wirksam sein, wenn zwischen vereinbarter Leistung und Zahlung mehr als 60 Tage liegen, dem Schuldner aber erst nach der Lieferung der Waren und innerhalb der 60-tägigen Frist eine Rechnung zugeht.
Beispiel: Unternehmer U kauft bei Unternehmer X Waren. Sie vereinbaren, dass X seine Waren am 1.4. liefert und U am 1.10. desselben Jahres zahlt. Diese Regelung ist unwirksam, es sei denn, dass X dem U am 1.9. Dieses Jahres eine Rechnung schickt. Dann gilt dieser spätere Zeitpunkt für den Beginn der Höchstfrist, die Vereinbarung ist wirksam.
256Für die Beurteilung, ob eine wirksame Vereinbarung der Leistungszeit des Zahlungsschuldners vorliegt, kommt es zunächst auf den Zeitpunkt an, in dem der Gläubiger des Zahlungsanspruches seine Leistung erbringen soll. Das macht bei synallagmatischen Verträgen durchaus Sinn. Durch das zusätzliche Abstellen auf eine evtl. vorliegende Rechnung wird die Prüfung unnötigerweise372 kompliziert. Denn das hat zur Folge, dass die Vereinbarung nicht mehr aus sich heraus kontrolliert werden kann, sondern das Vorliegen eines tatsächlichen Umstandes, d. h. des Zugangs einer Rechnung, zum Maßstab für die Vertragskontrolle wird.
Hierbei handelt es sich jedoch zuvorderst um ein dogmatisches und praktisches Problem, im Klausursachverhalt jedenfalls wird der Zeitpunkt der (vereinbarten) Gegenleistung ebenso zu nennen sein wie der Umstand, ob eine Rechnung zugegangen ist.
257Letztlich ist festzuhalten, dass auch die Obergrenze des 60-tägigen Zahlungsaufschubs nicht absolut gilt. § 271a lässt längere Zahlungsfristen zu, wenn diese „ausdrücklich“, d. h. nicht konkludent vereinbart wurden und zudem nicht „grob unbillig“ sind.