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3.Insbesondere: Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe

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202Besondere Regelungen enthält der Allgemeine Teil des Schuldrechts zusätzlich im Hinblick auf die Vertragsstrafe, die in den §§ 339–345 geregelt ist. Auch hier geben die Vorschriften des BGB nur Leitlinien vor, sie sind im Wege der Vertragsfreiheit abänderbar; bei der Nutzung von AGB greift jedoch vor allem § 309 Nr. 6.264 Inhaltlich geht es bei der Vertragsstrafe darum, dass der Schuldner bei Nicht- oder nicht rechtzeitiger Erfüllung der Hauptleistungspflicht oder bei einer sonstigen Pflichtverletzung eine bestimmte Geldsumme oder eine andere Strafe an den Gläubiger zu zahlen hat, §§ 339, 342. Die Idee hinter der Möglichkeit, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, liegt auf der Hand: Zwar hat der Gläubiger grundsätzlich für die typischen, von einer Vertragsstrafe betroffenen Bereiche (der Schuldner leistet überhaupt nicht oder er leistet zu spät oder fehlerhaft) Druckmittel in der Hand, nämlich die Schadensersatzregelungen zur Unmöglichkeit bzw. zum Verzug oder zur Schlechtleistung. Doch eröffnet dem Gläubiger die Vereinbarung einer Vertragsstrafe weitergehende Möglichkeiten. Je nach Vereinbarung kann daher der Druck auf den Schuldner wachsen, rechtzeitig oder überhaupt und fehlerfrei zu leisten.265 Zudem ist als Vorteil der Vertragsstrafe zugunsten des Gläubigers anzunehmen, dass der Gläubiger nicht mehr im Einzelnen darlegen und beweisen muss, in welcher Höhe er einen Schaden erlitten hat.266 Vielmehr kann er bei der Vereinbarung einer Vertragsstrafe in jedem Fall die Vertragsstrafe als Mindeststrafe verlangen. Dies folgt aus § 341 sowie aus § 340 Abs. 2.267 Es kommt auch nicht auf ein Verschulden an.

203Bei der Vertragsstrafe nach § 339, die auch als Konventionalstrafe bezeichnet wird, geht es um eine zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbarte bedingte Schuld. Die Bedingung liegt in der Nichterfüllung oder Schlechterfüllung einer anderen, der eigentlichen Hauptleistungsschuld.

Beispiel: A soll bei B eine Garage errichten. Sie vereinbaren, dass die Garage pünktlich zum Winterbeginn am 21.12. erstellt sein soll. Verspätet sich die Fertigstellung, muss A jeden Tag 150 € Vertragsstrafe an B zahlen.

204Wenn die Bedingung eintritt, wird die Vertragsstrafe fällig. Der Schuldner ist zu ihrer Leistung verpflichtet. Nähere Bezifferungen hinsichtlich des Schadens sind vom Gläubiger nicht zu erbringen. Die Vertragsstrafe ist infolgedessen aufgrund ihrer eigentlichen Anlage akzessorisch zur Hauptleistungsschuld.268 Dies unterscheidet sie auch maßgeblich von einem ebenfalls möglichen „selbstständigen Strafversprechen“ nach § 343 Abs. 2. Dieses hängt nämlich nicht akzessorisch von einer Hauptverbindlichkeit ab.269

205Um einen Anspruch auf Vertragsstrafenzahlung geltend zu machen, müssen die Voraussetzungen vorliegen, die zwischen den Parteien vereinbart worden sind. Ein entsprechender Anspruch entsteht, wenn die Vertragsstrafe verwirkt ist. Diese Verwirkung setzt nach § 339 voraus, dass erstens eine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung vorliegt. Die Wirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung ist im Rahmen von AGB insbesondere an § 309 Nr. 6 zu messen.270 Darüber hinaus ist ihre Nichtigkeit auch aus den sonstigen Unwirksamkeitsgründen des Allgemeinen Teils des BGB denkbar, also vor allem aus § 138.271 Zweitens muss eine gültige Hauptverbindlichkeit gegeben sein. Fehlt die Hauptverbindlichkeit, ist aufgrund der Akzessorietät der Vertragsstrafenabrede auch die Vereinbarung über das Strafversprechen selbst unwirksam. Das folgt nicht zuletzt auch aus § 344.

206Neben den beiden genannten Voraussetzungen (Vereinbarung einer Vertragsstrafe und wirksame Vereinbarung einer Hauptschuld) ist dritte Voraussetzung, dass der Schuldner gegen die der Vertragsstrafe zugrunde liegende Pflicht verstoßen hat. Wann dies der Fall ist, ist davon abhängig, ob es sich bei der von der Vertragsstrafe begleiteten Hauptverbindlichkeit um ein positives Tun oder um ein Unterlassen handelt. Geht es um ein positives Tun, wird also eine Handlungspflicht des Schuldners von diesem nicht oder in nicht ordnungsgemäßer Weise erfüllt, tritt nach § 339 Satz 1 eine Verwirkung erst ein, wenn der Schuldner mit seiner Leistung in Verzug kommt.272 Notwendig ist also vor allem ein Verschulden des Schuldners. Doch ist hier zu beachten, dass gerade dieses Erfordernis des Verschuldens nach ganz überwiegender Auffassung dispositiv ist. Die Parteien können also vor allem durch Individualvertrag etwas anderes vereinbaren und eine Vertragsstrafe auch eintreten lassen, wenn der Schuldner nicht schuldhaft gehandelt hat.273 Ist eine solche Vereinbarung gegeben, ist eine Vertragsstrafenabrede letztlich nichts anderes als eine mit Sanktionen bewährte Garantiehaftung.274 Eine Vereinbarung in den AGB, der zufolge eine Vertragsstrafe auch ohne Verschulden des Schuldners greifen soll, ist indes nach Ansicht des BGH unwirksam, da insofern ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 vorliegt, weil eine solche Verabredung mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.275

207Anders ist die Lage zu beurteilen, wenn die geschuldete Leistung, also die eigentliche Hauptverpflichtung in einem Unterlassen liegt. Dann ist als weitere Voraussetzung nämlich gem. § 339 Satz 2 lediglich zu verlangen, dass der Schuldner eine entsprechende Zuwiderhandlung begangen hat. Er verwirkt also die Strafe, wenn er die Handlung, die er unterlassen sollte, entgegen der Vereinbarung doch begeht.276 Anders als in Satz 1 ist in dieser Alternative im Gesetzeswortlaut nicht ersichtlich, dass ein Verschulden notwendig ist. Daraus wird zum Teil abgeleitet, dass bei einem Unterlassen im Rahmen der Vertragsstrafe ein Verschulden nicht vorausgesetzt ist.277 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr muss man auch hier davon ausgehen, dass eine Verwirkung – vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung zwischen den Parteien – zwingend voraussetzt, dass der Schuldner schuldhaft der Unterlassungsverpflichtung zuwidergehandelt hat. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die Verletzung von Unterlassungspflichten strenger behandelt werden sollte als der Fall, in dem die Hauptleistungspflichten positiv verletzt werden.278

208Letzte Voraussetzung ist schließlich über den Gesetzestext hinaus die eigene Vertragstreue des Gläubigers. Dieser soll also nur dann die vereinbarte und verwirkte Vertragsstrafe reklamieren können, wenn er selbst vertragstreu gehandelt hat.279 Das folgt letztlich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242. Denn der Gläubiger würde rechtsmissbräuchlich handeln, wenn er selbst eine Pflichtverletzung des Schuldners, etwa durch einen eigenen Vertragsbruch, provoziert hat, danach jedoch seinerseits die Vertragsstrafe verlangt.280

209Liegen die genannten Voraussetzungen vor, hat der Gläubiger einen Anspruch auf die vereinbarte Vertragsstrafe. Eine nähere Bezifferung des konkret eingetretenen Schadens ist nicht erforderlich.281 Die Höhe der vom Schuldner zu leistenden Strafe richtet sich ausschließlich nach der Parteivereinbarung. Nur wenn die verwirkte Strafe unverhältnismäßig hoch ist, kann sie auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden, § 343 Abs. 1 Satz 1. Bei der Beurteilung hinsichtlich der Angemessenheit ist nach § 343 Abs. 1 Satz 2 jedes berechtigte Interesse des Gläubigers in Betracht zu ziehen, d. h. insbesondere, dass nicht bloß das Vermögensinteresse eine Rolle spielt.282 Hat der Schuldner die Vertragsstrafe bereits geleistet, ist eine Herabsetzung im Nachhinein ausgeschlossen.283 Die Vorschrift des § 343 Abs. 1 mit Blick auf die Möglichkeit der Herabsetzung ist nicht abdingbar, im Handelsrecht gilt aber § 348 HGB, wonach der Schuldner eine Herabsetzung nicht verlangen kann, wenn er Kaufmann ist.284 Die nach § 343 ausnahmsweise mögliche Herabsetzung der Vertragsstrafe setzt im Hinblick auf die Höhe zwingend voraus, dass überhaupt eine wirksame Vertragsstrafe vorlag. Eine Herabsetzung durch den Richter kommt also insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die vereinbarte Höhe der Vertragsstrafe schon selbst dazu geführt hat, dass die Vertragsstrafenvereinbarung etwa gem. § 138 Abs. 1 oder § 307 unwirksam war.285

210Sind die Voraussetzungen, unter denen dem Gläubiger ein Anspruch auf die Vertragsstrafe zusteht, dergestalt geklärt, so bleibt offen, wie sich die Ansprüche auf Erfüllung, Schadensersatz und Vertragsstrafe zueinander verhalten. Nach den Regelungen in § 340 und § 341 hängt dies davon ab, wofür die Vertragsstrafe geschuldet ist, also ob die Strafe für den Fall der Nichterfüllung oder für denjenigen der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung vereinbart worden ist.

Beispiel: In dem zuvor genannten Beispiel (unter Rn. 203) wäre also zu klären, ob A bei einem Verzug nur die Vertragsstrafe zu zahlen hat oder ob er etwa dem B auch noch den Schaden an seinem Pkw ersetzen muss, der dadurch entstanden ist, dass der B seinen Wagen am 24.12. nicht unterstellen konnte, als ein heftiger Wintereinbruch den Wagen beschädigt hat.

211Ist die Vertragsstrafe für die Nichterfüllung durch den Schuldner vereinbart, legt § 340 Abs. 1 Satz 1 fest, dass der Gläubiger die verwirkte Strafe statt der Erfüllung verlangen kann. Er kann sie nicht nebeneinander verlangen. Er muss also entscheiden, welchen der beiden Ansprüche er geltend macht. Erklärt er, dass er die Strafe verlangt, ist nach § 340 Abs. 1 Satz 2 der Erfüllungsanspruch ausgeschlossen.286 Dies ist auch konsequent, denn das Geltendmachen der vereinbarten Strafe ist im Ergebnis nichts anderes als ein vereinfachter Weg, seinen Schaden geltend zu machen. Wie immer schließen sich aber Schadensersatz wegen Nichterfüllung einerseits und Erfüllung andererseits aus.287 Zu beachten ist jedoch, dass in § 340 Abs. 2 die besondere Situation angesprochen ist, dass der Gläubiger einen höheren Schaden erlitten hat als ihm nach der Vertragsstrafenvereinbarung zusteht. Zwar kann der Gläubiger dann nicht neben der Vertragsstrafe Ersatz des ganzen Schadens verlangen, die verwirkte Strafe aber zumindest als Mindestbetrag des Schadens. Dann ist die Geltendmachung auch eines weiteren Schadens nicht ausgeschlossen. Der Gläubiger kann also dann unter Beachtung der allgemeinen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches etwa aus § 280 Abs. 1 auch höher eingetretene Schäden geltend machen.

212Anders sieht die Abgrenzung dann aus, wenn es um eine Strafe für eine nicht gehörige Erfüllung geht, wenn also der Schuldner nur verspätet oder schlecht leistet. In diesem Fall kann gem. § 341 Abs. 1 die Vertragsstrafe auch neben der Erfüllung geltend gemacht werden, denn auch hier kann man letztlich auf das Allgemeine Schuldrecht zurückgreifen. Dann tritt nämlich die Strafe nicht an die Stelle der Erfüllung, vielmehr geht es bei dieser Vereinbarung allein darum, die Ordnungsgemäßheit der Erfüllung der Hauptleistungspflicht abzusichern.288 Eine kleine Einschränkung sieht nur § 341 Abs. 3 vor. Hat der Gläubiger die Hauptleistungspflicht als erfüllt angenommen, kann er die Strafe nur verlangen, wenn er sich das Recht dazu bei der Annahme der Hauptleistung vorbehalten hat.289

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