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2.Die Person des Leistenden

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219Ebenfalls im Allgemeinen Teil des Schuldrechts geregelt ist die Frage, ob die vom Schuldner zu erbringende Leistung von diesem höchstpersönlich erbracht werden muss oder ob er auch die Möglichkeit hat, die Leistungserbringung durch einen anderen durchführen zu lassen. Hier sieht § 267 bei fehlender Vereinbarung der Parteien296 vor, dass der Schuldner in allen Fällen, in denen der Schuldner nicht in Person zu leisten hat, berechtigt ist, die Leistung auch von einem Dritten bewirken zu lassen.

Beispiel: Bei A ist der Abfluss des Waschbeckens verstopft. Daher ruft er das Rohrreinigungsunternehmen R an und spricht dort mit dem Inhaber R, der verspricht, gleich vorbeizukommen. Statt des R erscheint nun dessen Angestellter – auch dieser kann nach der Grundregel des § 267 die Arbeiten ausführen, sodass die Pflicht des R gegenüber dem A erfüllt wird.

220Es gilt ein Regel-Ausnahme-Verhältnis: Regelmäßig ist der Schuldner berechtigt, die Leistungserbringung durch einen Dritten durchführen zu lassen. Diese Verteilung von Regel und Ausnahme ist interessengerecht, denn der Gläubiger hat häufig kein Interesse daran, dass genau der Schuldner, der mit ihm vertraglich verbunden ist, die Leistung erbringt. Ihm wird es vielmehr darauf ankommen, dass die Leistung überhaupt erbracht wird.297 Etwas anderes gilt nur dann, wenn entweder vertraglich vereinbart ist oder sich aus dem konkreten Schuldverhältnis ergibt, dass der Schuldner in Person leisten muss. Das kann direkt zwischen den Parteien vereinbart werden, vor allem dann, wenn es dem Gläubiger gerade auf den konkreten Schuldner (etwa wegen seiner Fachkunde) ankommt. Manche Schuldvertragstypen des BGB sehen darüber hinaus eine höchstpersönliche Leistungspflicht vor. Nach § 613 etwa ist bei einem Dienst- bzw. Arbeitsvertrag im Zweifel anzunehmen, dass die Leistung durch den Vertragspartner erfolgen muss.

Beispiel: Der Arbeitnehmer kann also, wenn nichts anderes vereinbart ist, nicht seinen Bruder schicken, um die Arbeitsleistung erbringen zu lassen. Tut er dies gleichwohl, erbringt der Schuldner nicht die ordnungsgemäße Leistung, weil der falsche Schuldner leistet. Der Gläubiger muss die Leistung dann nicht annehmen.298

221In allen anderen Fällen aber kann die Leistungsbewirkung auch durch einen anderen erfolgen. Dazu ist nicht einmal, wie § 267 Abs. 1 Satz 2 deutlich macht, die Einwilligung des verpflichteten Schuldners erforderlich. Die Voraussetzungen für die schuldbefreiende Wirkung des Leistenden zugunsten des Schuldners sind vielmehr durch § 267 relativ eng gefasst. Voraussetzung ist, dass keine höchstpersönliche Leistungspflicht besteht. Zusätzlich ist erforderlich, dass der Dritte, der die Leistung erbringt, auf eine fremde Schuld leistet.299 Er darf also durch die Leistung nicht seine eigene Schuld erbringen wollen. Das ist dann der Fall, wenn er etwa als Bürge oder Gesamtschuldner leistet.

Beispiel: Der B haftet als Bürge für das Darlehen, das A bei der C-Bank aufgenommen hat. Kann A nun die Schuld nicht zurückzahlen, wird sich die C-Bank an B halten; dieser tilgt daraufhin durch Zahlung das Darlehen.

222Schließlich gehen Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass der Dritte seinen Fremdtilgungswillen auch explizit zum Ausdruck bringen muss. Nur wenn der Dritte für den anderen handeln möchte, kommt eine Schuldbefreiung zugunsten des Schuldners in Betracht. Entscheidend ist nicht der innere Wille, sondern wie der Gläubiger das Verhalten verstehen durfte.300 Möchte der Dritte mit der Leistung jedoch eine vermeintlich von ihm selbst zu erbringende Schuld tilgen, kommt es nicht zu einer Schuldbefreiung zugunsten des Schuldners. Vielmehr kann der Dritte dann vom Gläubiger die Leistung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 wieder herausverlangen.301

223Sind diese Voraussetzungen gegeben, tritt eine Erfüllung der Schuld ein. Die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner erlischt gem. § 362. Als Folge kommt es auch nicht zu einem Anspruch des leistenden Dritten gegenüber dem Schuldner; dies zumindest nicht aus dem konkreten Leistungsvorgang selbst. Eine solche Regressforderung kann sich aber aus allgemeinen gesetzlichen Grundsätzen ergeben, etwa aus der Geschäftsführung ohne Auftrag.302

224Leistet der Dritte anstelle des Schuldners auf die Forderung des Gläubigers, wird der Gläubiger meist nichts einzuwenden haben. Denn er ist in der Regel allein daran interessiert, die Leistung zu erhalten. Gleichwohl sieht § 267 Abs. 2 vor, dass der Gläubiger ausnahmsweise die Leistung des Dritten ablehnen kann. Dieses Ablehnungsrecht steht ihm zu, wenn der Schuldner widerspricht.

Beispiel: A muss dem B noch einen Kaufpreis zahlen; nun möchte C diese Schuld des A dadurch tilgen, dass er direkt an B zahlt. A widerspricht. – In dieser Situation kann dann auch B die Annahme der Zahlung durch den C verweigern.

225Doch ist dies kein Zwang für den Gläubiger: Er kann die Leistung des Dritten bei einem vorliegenden Widerspruch des Schuldners ablehnen, muss dies aber nicht. Dass dem Gläubiger eine so starke Stellung eingeräumt wird, liegt daran, dass es primär um seinen Schutz geht.303 Er kann entscheiden, ob er das Ablehnungsrecht bei einem vorliegenden Widerspruch des Schuldners geltend macht oder nicht. Macht er es nicht geltend und liegen die zuvor genannten Voraussetzungen des § 267 vor, tritt Erfüllung ein.304 Dies gilt zumindest dann, wenn der Dritte die Leistung effektiv bewirkt, d. h. etwa bei einer Geldschuld die Zahlung vorgenommen hat – nicht ausreichend ist, dass der Dritte die Leistung etwa durch Hinterlegung oder Aufrechnung vorgenommen hat, wie aus § 268 Abs. 2 gefolgert werden kann.305

226Die Möglichkeit eines Dritten, die Leistung mit schuldbefreiender Wirkung vorzunehmen, wird in § 268 noch für den Fall eigenständig geregelt, in dem der Dritte ein eigenes Interesse an der Leistung hat.

Beispiel: F hat dem G vor langer Zeit zugesichert, er könne „dereinst“ sein Haus günstig kaufen. Nun ist F überschuldet, und es droht auf Betreiben des H die Zwangsversteigerung seines Hauses. G, der das günstige Schnäppchen bedroht sieht, möchte nun die Schuld des F bei H begleichen.

227In diesen besonderen Situationen besteht ein sog. „Ablösungsrecht“ des Dritten. Voraussetzung dafür ist dann, dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in eine Sache betreibt, die dem Schuldner gehört, und dass dem Dritten ein dingliches Recht an dieser zusteht, etwa eine Hypothek oder ein Pfandrecht. Muss der Dritte befürchten, durch die Zwangsvollstreckung ein Recht an der Sache zu verlieren, hat er nach § 268 Abs. 1 ein Recht daran, den Schuldner abzulösen. Der Schuldner kann dann nicht mehr widersprechen, der Gläubiger muss die Leistung des Dritten jedenfalls annehmen, anders als bei § 267.306 Zusätzlich wird der Dritte in dieser besonderen Situation dadurch abgesichert, dass anders als im Rahmen des § 267 die Forderung nicht erlischt, wenn der Dritte erfüllt. Vielmehr sieht § 268 Abs. 3 eine cessio legis, also einen Forderungsübergang kraft Gesetzes (§ 412) vor. Soweit der Dritte den Gläubiger befriedigt, der Dritte dem Gläubiger also das zahlt, was dieser eigentlich vom Schuldner verlangen könnte, geht die Forderung des Gläubigers auf ihn selbst über.307 Nun kann der Dritte vom Schuldner die Leistung verlangen. Das ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn dem Gläubiger eine Geldforderung gegen den Schuldner zusteht, auf die der Schuldner nicht geleistet hat. Hat der Gläubiger die Zwangsvollstreckung eingeleitet, die einen Gegenstand betrifft, an welchem dem Dritten ein Pfandrecht zusteht, kann der Dritte den Gläubiger durch Zahlung befriedigen. Zugleich erhält er die Forderung des Gläubigers in voller Höhe und kann sie nunmehr selbst dem Schuldner gegenüber geltend machen.308 Für ihn hat dies den Vorteil, dass die Sache, an der er ein Pfandrecht hatte, nicht abhandengekommen ist, sondern er sich vielmehr unverändert an den Schuldner halten kann.

Schuldrecht I - Allgemeiner Teil

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