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3.Die Möglichkeit der Zurückbehaltung der Leistung durch den Schuldner, §§ 273, 320

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→ Schema 25 Rn. 1472

258Im weiteren Sinne mit der Leistungszeit, nämlich insbesondere mit der Fälligkeit, hat die Situation zu tun, in der dem Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Auch wenn er eigentlich zur Leistung verpflichtet ist, kann er möglicherweise seine Leistung zurückhalten, wenn er seinerseits einen Anspruch gegen den Gläubiger hat. In diesen besonderen Fällen sieht das Gesetz an unterschiedlichen Stellen ein Leistungsverweigerungsrecht vor. Hier kommt es also zu einer Verknüpfung von Leistungspflichten, und zwar dann, wenn dem Schuldner und dem Gläubiger jeweils wechselseitig Forderungen aus derselben Rechtsbeziehung zustehen. Im Ergebnis geht es um die Situation, dass zwar ein Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner in einem Schuldverhältnis entstanden ist. Der Anspruch ist auch nicht untergegangen, insbesondere ist beispielsweise keine Erfüllung eingetreten. Gleichwohl kann der Gläubiger seinen Anspruch, obwohl er ihm grundsätzlich zusteht, nicht durchsetzen, zumindest zurzeit noch nicht. Die beiden wichtigsten schuldrechtlichen Leistungsverweigerungsrechte des Schuldners finden sich in § 273 sowie § 320.373

259a) Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273. § 273 Abs. 1 enthält ein erstes Zurückbehaltungsrecht. Zugleich wird dort der Begriff des Zurückbehaltungsrechts legaldefiniert: Danach hat der Schuldner, sofern er aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat, das Recht, die geschuldete Leistung zu verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird, sofern nicht aus der Vereinbarung etwas anderes folgt. Rechtstechnisch handelt es sich bei diesem Zurückbehaltungsrecht um eine Einrede. Das bedeutet, dass es in einem eventuell zu führenden Prozess nicht von Amts wegen berücksichtigt wird. Vielmehr muss sich der Schuldner ausdrücklich auf die Einrede berufen.374 So muss er vorbringen, dass er einen eigenen Anspruch gegen den Gläubiger hat und deshalb so lange nicht leisten möchte, bis dieser Anspruch selbst erfüllt ist. Macht er das Zurückbehaltungsrecht erfolgreich geltend, wird der Schuldner nur zur Leistung „Zug um Zug“ gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung verurteilt, wie aus § 274 Abs. 1 folgt.

260aa) Voraussetzungen. Das Zurückbehaltungsrecht des Schuldners nach § 273 Abs. 1 ist an vier Voraussetzungen gebunden. Zunächst müssen die beiden Beteiligten in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, jede der beiden beteiligten Parteien muss also einen Anspruch gegen die andere haben. Unerheblich ist dabei der Grund des Anspruchs, er kann sich also aus unterschiedlichen Quellen, aus Vertrag oder Gesetz, aus dem Schuld- oder dem Sachenrecht ergeben. § 273 ist jedoch im Verhältnis zu § 320 zu sehen: Er findet daher keine Anwendung, wenn die beiden Ansprüche aus den synallagmatischen Verpflichtungen bei einem gegenseitigen Vertrag herrühren. § 273 gilt daher nicht für die beiden Leistungen, die in einem gegenseitigen Vertrag im unmittelbaren Austauschverhältnis stehen – hier geht § 320 als lex specialis vor.

Beispiel: Stehen A und B in laufender Geschäftsbeziehung und verlangt A Lieferung einer Sache, die er am 1.4. gekauft hat, kann B dem A das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 entgegenhalten, wenn A dem B noch die Kaufpreiszahlung aus einem früheren Kaufvertrag (vom 1.3.) schuldet.

261Gegenseitigkeit meint nicht Gleichartigkeit der Ansprüche, diese ist nicht erforderlich.375 Zu berücksichtigen ist, dass bei einer gleichartigen Anspruchskonstellation, wenn sich etwa zwei Geldforderungen gegenüberstehen, ein Zurückbehaltungsrecht nicht greift. Vielmehr geht dann die Aufrechnung nach § 387 vor, weil sie den Anspruch, den der Schuldner gegen den Gläubiger hat, zu erfüllen vermag und damit zur Durchführung des gesamten Schuldverhältnisses führen kann.376

262Als zweite Voraussetzung sieht § 273 Abs. 1 vor, dass der Anspruch, den der Schuldner selbst gegen den Gläubiger geltend macht, fällig sein muss. Das ist aus der Logik des Schuldverhältnisses konsequent, denn ansonsten könnte der Gläubiger seinen eigenen Anspruch nur dann durchsetzen, wenn er den Gegenanspruch bereits vor der Fälligkeit erfüllen würde. Dazu ist er jedoch gerade nicht verpflichtet. Denn der Gläubiger, der eine Leistungspflicht gegenüber dem Schuldner hat, ist insofern ja Schuldner und muss wie stets entsprechend den Regelungen zur Leistungszeit erst dann leisten, wenn die entsprechende Leistungszeit erreicht ist. Solange dies also nicht der Fall ist, kann der Schuldner auch nicht das Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Hier ist die Rechtsprechung jedoch relativ großzügig: Nach Ansicht des BGH genügt es für die Fälligkeit des Gegenanspruches, dass dieser erst mit der Erfüllung des Anspruchs durch den Schuldner fällig wird. Er muss also nicht bereits im Vorfeld fällig gewesen sein, damit der Schuldner sein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann.377

263Als dritte Voraussetzung verlangt § 273 Abs. 1, dass es sich um dasselbe rechtliche Verhältnis handelt, auf dem die Verpflichtung beruht. Der Anspruch des Gläubigers und der Gegenanspruch des Schuldners müssen also auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen – man spricht insofern von einer Konnexität der Ansprüche.378 Ein Zurückbehaltungsrecht soll ausgeschlossen sein, wenn der eine mit dem anderen Anspruch nichts zu tun hat.379 Doch ist die Rechtsprechung auch in diesem Zusammenhang großzügig. Im Wege einer weiten Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals folgt allein, dass ein innerlich zusammenhängendes, einheitliches Lebensverhältnis erforderlich ist.380 „Dasselbe Rechtsverhältnis“ meint also nicht, dass auch ein und dasselbe Rechtsgeschäft zu verlangen ist. Vielmehr können die beiden Ansprüche auch aus verschiedenen Rechtsgeschäften stammen, sofern sie nur in einem natürlichen, inhaltlichen oder zumindest wirtschaftlichen Zusammenhang stehen381 – auch hier steht wieder die Grundüberlegung Pate, dass das Zurückbehaltungsrecht letztlich nichts anderes als eine besondere Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben darstellt. Man muss sich also stets fragen, ob es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den Gegenanspruch durchgesetzt werden könnte.382 Im Ergebnis liegt eine Konnexität bei Herausgabeansprüchen vor, wenn dem Schuldner ein fälliger Gegenanspruch wegen der Verwendung auf den Gegenstand zusteht oder wenn zumindest eine Verwendung wegen eines durch den Gegenstand verursachten Schadens gegeben ist.

Beispiel: A findet die entlaufene Perserkatze des B. A verpflegt sie und wendet Futterkosten i. H. v. 30 € auf. – B steht ein Anspruch auf Herausgabe der Katze aus § 985 gegen A zu. A kann demgegenüber gegen B einen Anspruch auf Ersatz der Futterkosten aus § 970 und somit ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 2 geltend machen. Eine Prüfung der Konnexität entfällt, da diese wegen der Verwendung (Futterkosten) auf die Sache (die Katze) kraft Gesetzes vorausgesetzt wird.

264Als letzte, vierte Voraussetzung ist schließlich negativ zu verlangen, dass das Zurückbehaltungsrecht nicht ausgeschlossen sein darf. Ein solcher Ausschluss kann sich vor allem aus der Vereinbarung der Parteien ergeben, darauf deutet § 273 sogar explizit hin. Eine solche Abrede der Parteien ist also möglich, doch ist im Rahmen der AGB § 309 Nr. 2 Buchst. b zu berücksichtigen. Danach kann das Zurückbehaltungsrecht nicht wirksam ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, soweit der Gegenanspruch auf demselben Vertragsverhältnis wie der Anspruch des Gläubigers beruht. Abgesehen von derartigen vereinbarten Ausschlüssen des Zurückbehaltungsrechts kann sich ein Ausschluss auch noch aus anderen Ursachen ergeben. Insbesondere ist ein gesetzlicher Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts möglich, wie er etwa ausdrücklich in § 175 im Hinblick auf die Rückgabe der Vollmachtsurkunde vorgesehen ist. Zudem geht man davon aus, dass dann, wenn die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts einen Erfolg zeitigt, der einer Aufrechnung gleichkommt, die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ausgeschlossen ist, wenn in einer solchen Situation auch die Aufrechnung unzulässig wäre.383 Insofern wendet man § 393 analog an, also insbesondere dann, wenn das Zurückbehaltungsrecht gegen Ansprüche aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen geltend gemacht werden soll.384 Ebenfalls können sich Ausschlüsse des Zurückbehaltungsrechts aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 ergeben, wenn etwa die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nicht als ein geeignetes oder angemessenes Mittel angesehen werden kann, um den eigenen Anspruch zu sichern, da etwa der Gegenanspruch des Schuldners schon anderweitig ausreichend gesichert ist.385

265bb) Rechtswirkungen. Sind die zuvor skizzierten Voraussetzungen gegeben, sieht § 273 als zentrale Rechtswirkung vor, dass der Schuldner seine eigene Leistung verweigern kann, und zwar solange, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird.

Beispiel: Beauftragt A den B, ihm bei X einen Gebrauchtwagen zu besorgen, so hat A gegen B einen Anspruch auf Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten (§ 667), also des Gebrauchtwagens. B steht demgegenüber ein Anspruch gegen A auf Ersatz seiner Aufwendungen (§ 670) zu. Beide Ansprüche beruhen auf demselben rechtlichen Verhältnis, stehen aber nicht im Synallagma, sodass § 273 (und nicht § 320) Anwendung findet. B kann also dem Herausgabeanspruch des A sein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 entgegenhalten, bis ihm A seine Aufwendungen ersetzt.

266Anders als bei der Erfüllung oder anderen zum Untergang des Anspruchs führenden Handlungen ist hier jedoch lediglich eine aufschiebende Einrede gegeben. Denn nach § 274 Abs. 1 hat die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts allein die Wirkung, dass der Schuldner zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung zu verurteilen ist – legal definiert heißt das: Er wird zur Erfüllung Zug um Zug verurteilt.386 Die Klage des Gläubigers auf Leistung wird nicht abgewiesen, der Gläubiger kann aber nur insofern gewinnen, als dass ihm der Anspruch nur Zug um Zug gegen die Leistung dessen zugesprochen wird, was er seinerseits dem Schuldner zu leisten hat. Das Urteil lautet dann: „Der Beklagte wird verurteilt, das Fahrrad mit der Rahmennummer 123 an den Kläger Zug um Zug gegen Zahlung von 25 € herauszugeben.“ Der Gläubiger kann – dies ist die entscheidende Wirkung – seinen „Zug um Zug“ zugesprochenen Anspruch nur vollstrecken, wenn er zeitgleich dem Schuldner die ihm obliegende Leistung, die im Urteil ebenfalls festgehalten ist, anbietet. Im Gutachten prüft man diese Einrede im dritten Prüfungsblock unter der Fragestellung „Anspruch durchsetzbar?“.

→ Schema 26 Rn. 1473

267b) Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags, § 320. Gilt das zuvor erläuterte Zurückbehaltungsrecht für die dort genannten Fälle, sieht § 320 für den gegenseitigen Vertrag ein besonderes Leistungsverweigerungsrecht vor. In den §§ 320–322 regelt das BGB die Einrede des nicht erfüllten Vertrags und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass bei gegenseitigen Verträgen zwischen den Hauptleistungspflichten ein besonders enger Zusammenhang besteht. Daher soll garantiert sein, dass letztlich keine der beiden Parteien ihre Leistung erbringen muss, ohne dass die andere Partei ebenfalls ihre Leistung erbringt. Anders als im Rahmen des § 273 Abs. 3 ist konsequenterweise bei § 320 nicht vorgesehen, dass das Zurückbehaltungsrecht durch den Gläubiger im Wege einer Sicherheitsleistung abgewendet werden kann. § 320 Abs. 1 Satz 3 schließt § 273 Abs. 3 explizit aus. Das bedeutet, beim gegenseitigen Vertrag ist das Zurückbehaltungsrecht bzw. die Einrede des nicht erfüllten Vertrags noch enger ausgestaltet.

268aa) Voraussetzungen. Die Voraussetzungen für die Einrede des nicht erfüllten Vertrags sind ähnlich denen des Zurückbehaltungsrechts nach § 273. Es bedarf erstens aber eines gegenseitigen Vertrags. Ist ein solcher nicht gegeben, kommt allein § 273 in Betracht, § 320 ist dann ausgeschlossen.

269Als zweite Voraussetzung des Leistungsverweigerungsrechts verlangt § 320, dass die beiden geschuldeten Leistungen gerade im Gegenseitigkeitsverhältnis zueinander stehen. Es muss sich also um die beiden synallagmatischen Leistungsverpflichtungen handeln.387

Beispiel: In einem Kaufvertrag sind die Ansprüche auf die Leistung der Kaufsache sowie auf die Zahlung des Entgelts die synallagmatischen Verpflichtungen, nur diese beiden Ansprüche stehen im Gegenseitigkeitsverhältnis.388 Demgegenüber sind die die beiden Vertragsparteien darüber hinaus treffenden Pflichten keine synallagmatischen Pflichten. Hier kommt also keine Zurückbehaltung nach § 320 in Betracht, da es sich um bloße Nebenpflichten handelt, die mit der Pflicht des Verkäufers aus § 433 Abs. 1 synallagmatisch nicht verknüpft sind.389

270Die Gegenforderung, dies ist die dritte Voraussetzung, muss fällig sein. Hier tritt die Nähe zu § 273 offen zutage. Ihre Verjährung schließt jedoch das Recht des Schuldners nicht aus. Auch hier ist § 273 Abs. 1 ähnlich angelegt. Ist nämlich der Gegenanspruch zwar fällig, aber mittlerweile verjährt, wird dadurch, so die Rechtsprechung, zumindest ein Zurückbehaltungsrecht nicht ausgeschlossen, sofern die Verjährung noch nicht eingetreten war, als der Anspruch des Gläubigers entstand.390

271Schließlich darf, viertens, das Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners nicht ausgeschlossen sein. Ein solcher Ausschluss kann sich zunächst gem. § 320 Abs. 1 Satz 1 am Ende daraus ergeben, dass der Schuldner zur Vorleistung verpflichtet war. Bei einer entsprechenden Vorleistungspflicht ist das Recht des Schuldners aus § 320 Abs. 1 verständlicherweise ausgeschlossen. Hat sich nämlich der Schuldner dazu verpflichtet, im Voraus als Erster zu leisten, ohne dass er bereits seinen eigenen Anspruch geltend gemacht und durchgesetzt hat, wäre es sinnwidrig, ihm entgegen dieser Vereinbarung ein Zurückbehaltungsrecht zuzubilligen.391 Eine solche Vorleistungspflicht ist etwa dann vereinbart, wenn die Parteien in dem Vertrag die Klausel „zahlbar nach Erhalt der Ware“ vereinbaren. Auch gesetzlich kann eine solche Vorleistungspflicht ausnahmsweise gegeben sein, so etwa die Vorleistungspflicht des Vermieters gem. § 579 oder diejenige des zur Dienstleistung Verpflichteten gem. § 614. Ein derartiger Ausschluss der Möglichkeit, eine Einrede des nicht erfüllten Vertrags geltend zu machen, stellt den Schuldner jedoch nicht völlig schutzlos. Vielmehr sieht § 321 eine sog. „Unsicherheitseinrede“ bei Vorleistungspflicht vor. Hat der Vertragspartner im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags eine Vorleistungspflicht übernommen und ist deshalb § 320 zu seinen Gunsten nicht anwendbar, wird dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht ausnahmsweise zugebilligt, wenn nach Abschluss des Vertrags erkennbar wird, dass in den Vermögensverhältnissen des anderen eine Verschlechterung eingetreten ist, die den Gegenleistungsanspruch gefährdet. Damit wird ausnahmsweise ein Leistungsverweigerungsrecht möglich. Dieses gilt aber nur solange, bis die Gegenleistung bewirkt ist oder für diese eine Sicherheit geleistet wird.

272Ebenfalls kann das Zurückbehaltungsrecht nach § 320 aus den Grundüberlegungen von Treu und Glauben ausgeschlossen sein. Das sieht das Gesetz in § 320 Abs. 2 sogar vor, wenn es anordnet, dass die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden kann, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Bei besonders geringfügigen Gegenleistungsansprüchen scheidet die Einrede des nicht erfüllten Vertrags daher aus.392 Darüber hinaus kann auch dann das Leistungsverweigerungsrecht ausgeschlossen sein, wenn ein Vertragspartner die Leistung des anderen endgültig ablehnt. Dann muss er nämlich eine endgültige Regelung des Vertragsverhältnisses herbeiführen, also beispielsweise von seinem Rücktrittsrecht und/oder dem Schadensersatzrecht Gebrauch machen, ein Leistungsverweigerungsrecht wäre jedoch nicht zielführend.393 Da § 320 die vertraglich geschuldete Gegenleistung erzwingen will, steht die Einrede darüber hinaus einer Partei dann nicht zu, wenn diese selbst deutlich macht, dass sie am Vertrag nicht festhalten will.394

273bb) Rechtswirkungen. Ähnlich wie bei § 273 gestaltet sich die Rechtsfolge bei der Einrede des nicht erfüllten Vertrags gem. § 320 Abs. 1. Die Klage wird zwar nicht abgewiesen, doch wird der Schuldner allein dazu verurteilt, den Anspruch des Gläubigers Zug um Zug gegen Erhalt der Gegenleistung zu erfüllen (§ 322). Das Leistungsverweigerungsrecht hat also die gleiche Wirkung wie das Verweigerungsrecht aus § 273. Wird die Einrede erhoben, kommt es zur Verurteilung Zug um Zug; eine Abwendung dieser Wirkung durch die Erbringung einer Sicherheitsleistung wie bei § 273 Abs. 3 scheidet indes, wie angesprochen, aus.395 Materiellrechtliche Folge der wirksam erhobenen Einrede ist, dass der Schuldner so lange nicht in Schuldnerverzug gerät, wie das Leistungsverweigerungsrecht besteht. Anders als im Rahmen des § 273 und im Hinblick auf die prozessuale Einrede führt die Einrede des nicht erfüllten Vertrags ohne Geltendmachung materiellrechtlich zu einer Verhinderung des Schuldnerverzuges.396 Das sieht zumindest die ganz überwiegende Ansicht so, weil nur so der engen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung ausreichend Rechnung getragen werden kann.397 Hier laufen also prozessrechtliche und materiellrechtliche Wertungen auseinander: Prozessual muss im Rechtsstreit die Einrede geltend gemacht werden, damit sie eine entsprechende Zug um Zug-Verurteilung herbeiführen kann. Materiellrechtlich treten jedoch die verzugshemmenden Wirkungen ein, ohne dass die Geltendmachung notwendig ist. Verzug wird also erst dann bewirkt, wenn der Gläubiger eine Mahnung ausspricht und selbst zur Erbringung seiner Leistung bereit und imstande ist.398

Schuldrecht I - Allgemeiner Teil

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