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2.Besondere Gegenstände des Schuldverhältnisses

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163Das vereinbarte Schuldverhältnis kann über besondere Gegenstände abgeschlossen werden. In Betracht kommen insbesondere die Stückschuld, die Gattungsschuld, die Wahlschuld und die Ersetzungsbefugnis durch eine der Parteien. Schließlich ist als ein besonderer Gegenstand des Schuldverhältnisses auch die Geldschuld zu nennen.

164a) Stückschuld. Der Leistungsgegenstand kann zunächst als eine Stückschuld vereinbart werden. Eine solche liegt vor, wenn die geschuldete Sache nach individuellen Merkmalen konkret bestimmt ist. Man spricht gleichbedeutend auch von einer Speziesschuld.

Beispiel: Eine solche nach Sondermerkmalen bestimmbare geschuldete Sache liegt etwa vor, wenn es um ein bestimmtes Gemälde geht oder der Vertrag über eine bestimmte, konkrete Ferienwohnung abgeschlossen wird.

165In diesen Fällen ist die Leistungspflicht des Schuldners allein auf diesen konkreten Gegenstand bezogen. Die Parteien haben schon bei Abschluss des Vertragsschlusses entschieden, dass der Schuldner seine Leistungspflicht nur durch die Erbringung dieser konkreten Stückschuld erfüllen kann. Sie ist vom BGB als Regelfall angesehen.214 Dies sieht man besonders gut anhand der Unmöglichkeit: Schuldet etwa der Verkäufer dem Käufer die Lieferung eines gebrauchten, konkret bestimmten Autos, liegt eine Stückschuld vor. Wird dieses Auto durch einen Brand vernichtet, ist die Leistung nicht mehr möglich, es tritt unwillkürlich Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 ein. Denn der Leistungserfolg konnte allein mit der Lieferung des konkret vereinbarten Autos, dieser Speziesschuld, herbeigeführt werden.

166b) Gattungsschuld. Anders ist die Situation, die zuvor geschildert wurde, wenn die Parteien nicht eine Stückschuld, sondern eine Gattungsschuld vereinbart haben. Eine solche liegt vor, wenn die geschuldete Leistung nicht konkret, sondern nur nach generellen, allgemeinen Merkmalen bestimmt ist, also etwa nach der Sorte, dem Gewicht, der Herkunft oder dem Typ.215 Ist eine solche Gattungsschuld vereinbart, kann der Schuldner seine Leistungspflicht dadurch erbringen, dass er irgendeinen Gegenstand aus der Gattung liefert, sofern dieser Gegenstand gem. § 243 eine mittlere Art und Güte aufweist.

Beispiel: A bestellt bei dem Landwirt L „ein Pfund Äpfel“. Genauere Vereinbarungen finden sich nicht. – Hier wird der Schuldner L von der Leistungspflicht befreit (weil er sie ausreichend erbracht hat), wenn er ein Pfund Äpfel liefert; welche Sorte Äpfel er liefert, ist unerheblich, sofern die Parteien nichts Näheres vereinbart haben und die gelieferten Äpfel von mittlerer Art und Güte sind.

167Der Schuldner kann insofern frei auswählen. Die Auswahlmöglichkeit wird dabei jedoch immer geringer, je mehr Merkmale die Parteien vorher festlegen. Denn die Merkmale der Gattung, aus der geleistet werden muss, bestimmen sich allein nach der Parteivereinbarung. Daraus folgt: Je mehr Merkmale von den Parteien vertraglich vereinbart worden sind, desto stärker wird die Auswahlmöglichkeit des Schuldners eingeschränkt.

Beispiel: Haben die Parteien im voran genannten Beispiel (unter Rn. 166) festgelegt, dass der Schuldner nicht bloß ein Pfund Äpfel liefern soll, sondern ein Pfund Äpfel der Sorte „Jonagold“, kann der Schuldner sich nur dadurch von seiner Leistungspflicht befreien, dass er ein Pfund genau dieser Sorte liefert. Liefert er stattdessen eine andere Apfelsorte, hat er seine Hauptleistungspflicht nicht erfüllt.

168Die Leistungserbringungspflicht ist, wie bereits angedeutet, an die Vorschrift des § 243 Abs. 1 gekoppelt. Daraus folgt, dass der Schuldner, auch wenn er die richtige Gattung ausgewählt hat, seine Leistungspflicht nur dann ordnungsgemäß erfüllt, wenn er die Sache „von mittlerer Art und Güte“ leistet. Ist, um in dem Beispiel zu bleiben, der Schuldner verpflichtet, ein Pfund „Jonagold“ zu liefern, wird er nur dann von seiner Leistungspflicht befreit, wenn er ein Pfund Äpfel dieser Sorte liefert, die eine durchschnittliche Größe und eine durchschnittliche Qualität aufweisen. Handelt es sich um unbrauchbare Äpfel, etwa weil sie verfault sind, liegt keine Leistung nach mittlerer Art und Güte vor, d. h. keine ausreichende Erbringung der Hauptleistungspflicht.

169Von der Parteivereinbarung hängt nicht nur ab, wie groß und wie beschaffen die Gattung ist, sondern auch, ob überhaupt eine Gattungs- oder nicht doch eine Stückschuld vereinbart wurde. Die Vertragsfreiheit eröffnet den Parteien die Entscheidung darüber, welche Art von Schuld vereinbart ist. Daraus resultiert dann auch, auf welche Art von „Sachen“ die Gattungsschuld gerichtet ist. Im Regelfall ist sie auf vertretbare Sachen gem. § 91 ausgerichtet. D. h., die Parteien vereinbaren eine Gattungsschuld, die sich aus beweglichen Sachen zusammensetzt, wenn sie nach der Verkehrsauffassung nicht durch individuelle Merkmale geprägt und daher ohne weiteres austauschbar sind.216 Als Faustformel wird man sich merken können, dass im Regelfall vertretbare Sachen Gattungsschulden sind, unvertretbare Sachen hingegen Stückschulden. Diese Faustformel gilt weitgehend, aber nicht ausnahmslos.

Beispiel: Bestellt der A beim P einen „neuen Volvo V40“, so handelt es sich regelmäßig um eine Gattungsschuld. Sie wird aber zur Stückschuld, wenn sich die Parteien im Autohaus bereits einen bestimmten Neuwagen ausgesucht und die vertragliche Vereinbarung über dieses konkrete, im Autohaus stehende Modell abgeschlossen haben.

170Da die Parteien es in der Hand haben, den Umfang der Gattung zu bestimmen, können sie die Gattungsschuld selbst auch insoweit beschränken, dass sie den Leistungsinhalt des Schuldners auf nur einen bestimmten Vorrat beschränken, man spricht dann von einer Vorratsschuld.217 Hier handelt es sich also um eine besondere Situation der Gattungsschuld, nämlich die sogenannte „beschränkte Gattungsschuld“, die vorliegt, wenn der Umfang der Gattung, aus der der Schuldner seine Leistungspflicht erbringen muss, auf nur eine bestimmte Teilmenge beschränkt ist. Eine solche Beschränkung wird man regelmäßig dann annehmen, wenn der Schuldner daran interessiert ist, nur aus seinen eigenen Besitzständen zu liefern. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Schuldner selbst Ware produziert bzw. herstellt oder im Besitz eines sehr großen Vorrats ist.218 Dann muss der Schuldner nämlich nur aus diesem Vorrat liefern. Er muss sich nicht darum bemühen, die geschuldete Ware anderswoher zu erhalten, wenn sein Vorrat vernichtet wird.219

Beispiel: S bestellt bei X ein Kilogramm Bananen aus dessen Lager. Brennt nun das Lager des X ab, kann der X nicht mehr leisten. Denn vereinbart war allein eine Leistung aus seinem Vorrat. Ist der Vorrat insgesamt untergegangen, muss der X nicht, etwa auf dem Großmarkt, Ersatz besorgen.

171aa) Rechtliche Konsequenzen einer Gattungsschuld. Die Gattungsschuld hat in rechtlicher Hinsicht vor allem eine bestimmte Auswirkung: Der Schuldner ist bei dieser, anders als bei der Stückschuld, nicht verpflichtet, einen ganz bestimmten Gegenstand zu liefern. Vielmehr hat er gem. § 243 Abs. 1 allein die Pflicht, eine Sache der mittleren Art und Güte auszusuchen. Er muss also insbesondere nicht besonders gute Sachen ausliefern, umgekehrt darf er jedoch dem Gläubiger auch nicht besonders schlechte anbieten. Die Erfüllung der Hauptleistungspflicht liegt also in der Lieferung einer mittleren Qualität. In der Lieferung minderwertiger Güter dieser Gattung liegt umgekehrt keine Erfüllung, die die Hauptleistungspflicht zum Untergang bringen könnte. Vielmehr kann der Gläubiger unverändert weiter Erfüllung verlangen.220

172Relevant ist die Gattungsschuld neben der Frage, ob mit einer Lieferung der Schuldner seine Pflicht erfüllt hat, auch in den Fällen, in denen es um die Frage geht, ob eine Leistung noch möglich oder ob sie schon unmöglich geworden ist. Wie bereits angesprochen, hat der Schuldner, der eine Stückschuld erbringen muss, in den Fällen keine Pflicht mehr, diese zu erbringen, wenn die vereinbarte Stückschuld untergegangen ist.

Beispiel: Der Verkäufer eines bestimmten gebrauchten Autos, über das sich die Vertragsparteien verständigt haben, muss dieses Auto nicht mehr liefern, wenn das Auto nicht mehr vorhanden ist, etwa weil es zerstört wurde. Nach § 275 Abs. 1 wird nämlich dann die Leistungspflicht unmöglich, der Schuldner wird von seiner Verpflichtung befreit.221

173Dies ist bei der Gattungsschuld so nicht möglich, denn zunächst gilt ja, dass der Schuldner verpflichtet ist, Sachen aus der vereinbarten Gattung zu liefern, die mittlere Art und Güte haben. Daher ist unerheblich, ob der Schuldner selbst noch über die Gattung verfügt. Denn das ist nicht Gegenstand seiner Leistungspflicht. Anders ist dies nur, wenn die gesamte Gattung, die vereinbart worden ist, nicht mehr existiert, wenn also die Gattung als solche untergegangen ist. Das ist allerdings nur äußerst selten der Fall. Denn irgendwo wird es unverändert eine Sache aus dieser Gattung geben. Gegebenenfalls muss der Schuldner sich ersatzweise die Sache besorgen, um damit seine Verpflichtung erfüllen zu können.

174Hier wird auch deutlich, warum gerade die Vorratsschuld als beschränkte Gattungsschuld für den Schuldner reizvoll ist. Denn dann ist bereits in der Situation, in der dieser Vorrat aufgebraucht oder untergegangen ist, eine Leistungsbefreiung möglich. Ist die Gattung auf diesen Vorrat beschränkt und der Vorrat nicht mehr vorhanden, wird der Schuldner gem. § 275 Abs. 1 von seiner Leistungspflicht befreit.222

Beispiel: Haben also A und B vereinbart, dass bei einem Kaufvertrag A dem B einen Fernseher der Marke „Philipps“, Modell XY, liefern soll, handelt es sich um eine Gattungsschuld. A wird selbst dann nicht von der Leistungspflicht befreit, wenn sein Lager ausgeraubt wird, denn er wird sich an anderer Stelle einen entsprechenden Fernseher dieser Marke besorgen können. Anders ist dies nur, wenn vereinbart worden ist, dass allein der Vorrat des A die entsprechende (beschränkte) Gattung darstellt. In diesem Fall tritt Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 ein. Denn dann ist die gesamte vereinbarte Gattung, nämlich die Vorratsschuld, untergegangen. Dann muss A nicht mehr liefern.

175bb) Die Konkretisierung, § 243 Abs. 2. Die vorausgegangene Schilderung der Konsequenzen der Gattungsschuld in rechtlicher Hinsicht in Bezug auf die Unmöglichkeit muss erweitert werden.

Beispiel: T bestellt bei U ein Kilo Orangen und möchte sie später abholen. U legt das Kilo bereits zur Seite.

176Eine Gattungsschuld kann auch im Nachhinein durch bestimmte Umstände auf einen ganz bestimmten Gegenstand beschränkt werden. Man spricht dann von Konkretisierung. Ist diese erfolgt, ist das Schuldverhältnis nur noch auf einen bestimmten Gegenstand beschränkt. Das folgt aus § 243 Abs. 2. Dann kann auch wieder die Unmöglichkeit eingreifen, § 275 Abs. 1. Geht also dieser Gegenstand unter, wird er etwa gestohlen oder verbrennt er, wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht frei, weil dann eine Lieferung genau dieses Gegenstandes nicht mehr möglich ist.223 Dann ist unerheblich, ob es noch andere Sachen dieser Gattung auf dem Markt gibt. Die Gattungsschuld besteht nicht mehr, es gilt nur noch die Beschränkung auf eine Sache, die nicht mehr vorhanden ist.

Beispiel: Ist also in dem vorangegangenen Beispiel (unter Rn. 175) gerade das zur Seite gelegte Kilogramm Orangen von einem Ladendieb gestohlen worden, ist U nicht mehr zur Lieferung eines neuen Kilogramms verpflichtet.224

177Konkretisierung ist also ein Vorgang nach Vereinbarung einer Gattungsschuld. Im Laufe des Schuldverhältnisses wandelt sich die Gattungsschuld in eine Stückschuld, wenn nämlich der Schuldner gem. § 243 Abs. 2 „das zur Leistung einer solchen Sache seinerseits Erforderliche getan“ hat. Die Leistungspflicht wird enger und konkret gerichtet auf eine einzige, nämlich die ausgewählte Sache aus der Gattung.

178(1) Voraussetzungen. Die Voraussetzungen für eine Konkretisierung ergeben sich aus § 243 Abs. 2. Eine Konkretisierung tritt ein, wenn der Schuldner das „zur Leistung einer solchen Sache seinerseits Erforderliche getan hat“, also das, was zum Eintritt des Leistungserfolgs notwendig ist.225 Hat er es getan, hängt der Eintritt des konkreten Leistungserfolgs nicht mehr von ihm ab, daher soll er auch nicht mehr die Gefahr tragen müssen, dass möglicherweise eine bestimmte Sache untergeht. Er soll nicht noch einmal leisten und auswählen müssen.226

179Die Frage ist, was der Schuldner im Einzelnen tun muss, um diese Voraussetzung des § 243 Abs. 2 zu erfüllen. Was ist „das zur Leistung seinerseits Erforderliche“? Dies hängt davon ab, welche Art der Verpflichtung die Parteien vereinbart haben. Zunächst muss der Schuldner – gem. § 243 Abs. 1 – jedenfalls aus der gesamten Gattung eine Sache von mittlerer Art und Güte auswählen. Sodann muss er diese ausgewählte Sache entsprechend aussondern. Als Grundvoraussetzung für eine Konkretisierung kann man daher Auswahl und Aussonderung einer Sache von mittlerer Art und Güte auffassen.227

180Doch genügt dies nicht, denn der Schuldner muss auch dafür Sorge tragen, dass der Gläubiger die Sache erhält. Nun ist allerdings fraglich, was der Schuldner hier noch zusätzlich, d. h. über Auswahl und Aussonderung hinaus, leisten muss. Das hängt wiederum davon ab, ob der Schuldner nach der getroffenen Vereinbarung die Pflicht hat, die Sache nur zur Abholung bereitzustellen, ob er verpflichtet ist, die Sache an den Gläubiger zu schicken oder ob der Gläubiger sogar verlangen kann, dass der Schuldner ihm die Sache bringt.

Beispiel: In dem Orangenbeispiel von vorhin (unter Rn. 175) ist also entscheidend, was U und T vereinbart haben: Soll U die Orangen dem T bringen? Oder schicken? Oder hat T zugesagt, die Orangen bei U abzuholen?

181Ausschlaggebend ist also, was für eine Art von Schuld vorliegt: Handelt es sich um eine Holschuld, um eine Schickschuld oder um eine Bringschuld? Dies ist letztlich eine Frage der Art (bzw. des Orts) der Leistung, auf die später noch zurückzukommen ist.228 Entscheidend ist dafür, so viel vorweg, die Vereinbarung zwischen den Parteien. Haben sie eine Holschuld vereinbart, muss der Gläubiger zum Schuldner kommen, und die vom Schuldner ausgewählte und ausgesonderte Sache mittlerer Art und Güte nach Benachrichtigung durch den Schuldner bei diesem abholen.229 Haben die Parteien hingegen den umgekehrten Fall vereinbart, nämlich eine Bringschuld, hat der Schuldner noch über die Aussonderung und Auswahl hinausgehend die Pflicht, dem Gläubiger die Sache an dessen Wohnort tatsächlich anzubieten, er muss also zum Gläubiger hingehen und ihm die Sache anbieten können und auch schon anbieten dürfen. Bei einer Schickschuld schließlich vereinbaren die Parteien, dass der Schuldner die ausgewählte und ausgesonderte Sache von mittlerer Art und Güte in ausreichender Weise an eine bestimmte Transportperson aushändigt.230

182Es hängt davon ab, was die Parteien im Einzelnen vereinbart haben, ob der Schuldner das zur Leistung einer solchen Sache seinerseits Erforderliche getan hat. Hat er die Sache ausgewählt und ausgesondert sowie dem Gläubiger gebracht bzw. bei sich angeboten bzw. geschickt, hat er alles getan: Es ist eine Konkretisierung nach § 243 Abs. 2 eingetreten.

183(2) Rechtsfolgen. Ist eine Konkretisierung in dem oben geschilderten Maß erfolgt, bindet sie auch den Schuldner. Das Schuldverhältnis ist dann auf diese eine Sache beschränkt. Der Schuldner kann die Konkretisierung daher auch nicht wieder rückgängig machen.231

Beispiel: In dem Orangenbeispiel (unter Rn. 175) bedeutet dies, dass der U, der die Ware aussortiert hat, nun auch seinerseits an diese Aussortierung gebunden ist.

184Dies ist jedoch nicht unumstritten. Zum Teil wird auch vertreten, weil § 243 Abs. 2 eine Schutzvorschrift für den Schuldner sei, müsse es ihm auch freistehen, die Konkretisierung wieder rückgängig zu machen und dem Gläubiger später eine andere Sache zu liefern.232 Dies ist vor allem dann bedeutsam, wenn der Schuldner die bestellte Ware beim Gläubiger abliefern möchte und diesen nicht antrifft. So ist zwar in diesem Zeitpunkt im Fall der Bringschuld die Konkretisierung eingetreten. Fraglich ist aber, ob der Gläubiger dann einen Anspruch auf diese ausgewählte Ware hat, oder ob der Schuldner nicht die Ware wieder mitnehmen und an einen anderen Kunden weiterveräußern kann. Die überwiegende Auffassung bejaht in dieser Situation die grundsätzliche Bindung der Konkretisierung für den Schuldner. Es ist also nur noch die ausgewählte, ausgesonderte und mitgebrachte Ware Gegenstand der Leistung.233 Das ist auch zutreffend, denn anders wären Sinn und Zweck des § 243 Abs. 2 nicht ausreichend umzusetzen, der ja dem Schuldner keine Erschwernisse in den Weg legen, sondern ihn vor unendlichen Anforderungen und Ansprüchen des Gläubigers bewahren soll. Man kann im Einzelfall jedoch dem Gläubiger verwehren, eine gleichwertige Ersatzsache in späterer Zeit zurückzuweisen. Bringt also der Schuldner in dem Beispiel später eine vergleichbare, gleichwertige Ersatzsache mit, weil er die ursprünglich konkretisierte Sache anderweitig veräußert hat, darf der Gläubiger sie nach Treu und Glauben gem. § 242 nicht zurückweisen.234

185Neben dieser Bindung kommt als wesentliche Rechtsfolge der Konkretisierung die Auswirkung auf die Verteilung der Leistungsgefahr hinzu. Gemeint ist, wen die Folgen treffen sollen, wenn die ausgewählte und ausgesonderte Sache untergeht, also nicht mehr geleistet werden kann. Bis zur Konkretisierung ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger die Hauptleistungspflicht zu erbringen, und zwar unabhängig davon, ob irgendwelche Unglücksfälle einen Teil der Gattung haben untergehen lassen. Erst wenn der Schuldner eine Konkretisierung auf eine bestimmte Sache aus der Gattung herbeigeführt hat, trifft die Gefahr des Untergangs den Gläubiger. Erst dann hat nämlich der Schuldner alles zur Leistung Erforderliche getan. Kommt dann eine Leistung nicht mehr in Betracht, weil sie unmöglich i. S. v. § 275 Abs. 1 geworden ist, muss der Schuldner nicht mehr leisten.235 Er wird dann auch von der Pflicht frei, sich anderswoher Ersatz zu beschaffen. Denn nach der Konkretisierung trägt der Gläubiger die sog. Leistungsgefahr. Er trägt also das Risiko, dass nach Konkretisierung die Sache nicht mehr geleistet werden kann.236 Das ist die Konsequenz daraus, dass sich gem. § 243 Abs. 2 das Schuldverhältnis nach der Konkretisierung auf einen bestimmten Gegenstand beschränkt, d. h. dass die Gattungsschuld dann, durch diesen Akt, zu einer Speziesschuld geworden ist. Ob der Gläubiger seinerseits dann noch zahlen muss, ist eine andere Frage, auf die im Rahmen des Unmöglichkeitsrechts noch zurückzukommen ist (s. Rn. 413 ff.)

186c) Wahlschuld. Der Gattungsschuld nicht unähnlich ist die Wahlschuld, die in § 262 geregelt ist. Auch hier ist eine besondere Situation hinsichtlich des Leistungsgegenstands gegeben. Doch anders als bei der Gattungsschuld geht es hier nicht um die zu einer Gattung zugehörigen Sachen. Vielmehr liegt eine Wahlschuld vor, wenn von Anfang an mehrere verschiedene Leistungen in der Weise geschuldet werden, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist.237 Anders als die Gattungsschuld, die sich auf mehrere gleichartige Leistungsmöglichkeiten bezieht, ist bei der Wahlschuld also eine Auswahl aus individuell geprägten, verschiedenartigen Gegenständen Inhalt der Leistungspflicht.

Beispiel: Eine Wahlschuld liegt vor, wenn der S verpflichtet ist, entweder das Bild „Schlafendes Känguru“ oder das Bild „Hüpfende Maus“ dem K zu verschaffen.

187Zwar liegt wie bei der Gattungsschuld auch hier die Situation vor, dass von mehreren Sachen nur eine geschuldet wird. Doch ist bei der Wahlschuld entscheidend, dass von mehreren ungleichartigen Sachen alternativ nur eine erbracht werden muss, die von einer der beiden Parteien auszuwählen ist.238 Wer die Auswahl treffen darf, richtet sich nach der Parteivereinbarung. Liegt keine Vereinbarung vor, ist im Zweifel der Schuldner berechtigt, die Wahl zu treffen, welchen Gegenstand er leisten möchte.239 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteivereinbarungen und Sinn und Zweck des Vertrags eine andere Auslegung nahelegen. Zum Teil wird sogar angenommen, dass die Vermutungsregel des § 262 verfehlt sei, vielmehr müsse regelmäßig dem Gläubiger das Wahlrecht zugebilligt werden.240

188Ist geklärt, wem das Wahlrecht zusteht, also im Zweifel dem Schuldner, kann dieser sein Wahlrecht ausüben. Dabei handelt es sich um ein Gestaltungsrecht241, gem. § 263 Abs. 1 erfolgt die Wahl durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil, es handelt sich also um eine empfangsbedürftige Willenserklärung.242 Entscheidend ist, vor allem auch in Abgrenzung zur Gattungsschuld in § 243, dass der Wahlberechtigte nicht eingeschränkt ist. Er muss also nicht eine Auswahl gemäß der mittleren Art und Güte vornehmen, sondern kann frei entscheiden, ob er die eine oder andere Leistung wählt.

189Hat der Berechtigte einmal das Wahlrecht ausgeübt, gilt gem. § 263 Abs. 2 die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete Leistung.

Beispiel: Ist im Beispiel (oben unter Rn. 186) der S zur Auswahl berechtigt, kann er entscheiden, ob er dem K das Bild „Maus“ oder das Bild „Känguru“ verschafft.

190Hat er das Recht jedoch noch nicht ausgeübt, können sich ebenfalls bestimmte Rechtsfolgen ergeben. Weil die Ausübung des Wahlrechts nicht verpflichtend vorgesehen ist243, kann niemand dazu verpflichtet oder gezwungen werden.244 Der wahlberechtigte Schuldner verliert insbesondere durch Nichtausübung sein Wahlrecht nicht.245 Gleichwohl sieht das Gesetz in § 264 eine Vorschrift vor, die die Situation auffangen soll, dass der wahlberechtigte Schuldner die Wahl nicht rechtzeitig vornimmt. Dann kann der Gläubiger nach seiner Wahl die Zwangsvollstreckung auf die eine oder andere Leistung richten.

191Auch bei der Unmöglichkeit gelten Besonderheiten. Werden sämtliche Leistungen, zwischen denen eine Wahl besteht, unmöglich, muss der Schuldner überhaupt nicht mehr leisten, § 275 Abs. 1 befreit ihn von der Leistungspflicht.246 Betrifft aber die Unmöglichkeit nur eine der zur Auswahl stehenden Leistungen, hat § 265 eine Regelung vorgesehen. In dieser Situation beschränkt sich das Schuldverhältnis auf die übrigen Leistungen. D. h., der Gläubiger kann dann nicht mehr die unmöglich gewordene Leistung verlangen oder in dieser Hinsicht Schadensersatz geltend machen, sondern er ist dazu verpflichtet, die andere der noch möglichen Leistungen anzunehmen.247 Etwas anderes gilt nur, wenn die Leistung infolge eines Umstands unmöglich wird, den der nicht wahlberechtigte Teil zu vertreten hat. Dann ist eine Beschränkung auf die übrigen, noch möglichen Leistungen nach § 265 Satz 2 ausgeschlossen. Der unmöglich gewordene Teil bleibt in diesem Falle somit unverändert Bestandteil des Schuldverhältnisses, obwohl die Hauptleistungspflicht gem. § 275 Abs. 1 tatsächlich unmöglich geworden ist. Der Gläubiger kann jedoch Schadensersatz wegen Unmöglichkeit verlangen.248

Beispiel: Hat also im vorherigen Beispiel (unter Rn. 186) S die Beschaffung eines der beiden Bilder zu leisten und wird das Bild „Maus“ zerstört, so ist zunächst nach § 265 Satz 1 davon auszugehen, dass K nur noch das Bild „Känguru“ verlangen kann. Denn auf dieses Bild hat sich das Schuldverhältnis konkretisiert. Ist hingegen S selbst für den Untergang des Bildes verantwortlich und hätte K das Bild frei wählen dürfen, tritt diese Verengung auf das Bild „Känguru“ nicht ein. K kann also unverändert die Leistung des Bildes „Maus“ verlangen. Diese Leistung ist S jedoch unmöglich; dann kann K stattdessen Schadensersatz wegen Nichterbringung der Leistung verlangen. Dieser folgt aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283.249

192d) Ersetzungsbefugnis. Während die Wahlschuld in der Rechtswirklichkeit kaum vorkommt, ist dies bei einer weiteren Gestaltung des Gegenstands des Schuldverhältnisses häufiger der Fall. Gemeint ist die Ersetzungsbefugnis, die eine erheblich größere praktische Relevanz als die Wahlschuld hat. Es geht um die Situation der sog. „alternativen Ermächtigung“, die auch als facultas alternativa bezeichnet wird. Diese Ersetzungsbefugnis ist gegeben, wenn zwar nur eine Leistung geschuldet wird, jedoch der Schuldner berechtigt ist, an deren Stelle eine andere Leistung zu erbringen.250 In gleicher Weise liegt diese Situation vor, wenn der Gläubiger stattdessen berechtigt ist, eine andere Leistung zu verlangen.251

Beispiel: A und B vereinbaren, dass A dem B seine wertvolle Halberstadt-Bibel verkauft. Alternativ kann A aber auch einen ebenfalls wertvollen Mekka-Koran übereignen. Umgekehrt ist die Situation, wenn B statt der Bibel den Koran verlangen kann.

193Diese Situation unterscheidet sich grundlegend von der Wahlschuld. Während dort nämlich das Schuldverhältnis von Anfang an auf alternativ verschiedene Leistungen gerichtet ist, von denen eine ausgewählt werden kann, steht im Rahmen der Ersetzungsbefugnis des Schuldners diesem nur zu, ohne Zustimmung des Gläubigers anstelle des eigentlich geschuldeten Leistungsgegenstandes eine andere Leistung zu erbringen.252 Damit erfüllt er seine Verbindlichkeit aus dem Schuldverhältnis und wird von der Leistungspflicht befreit.

194Die Vorschriften über die Wahlschuld können keine Anwendung finden, denn diese setzen ja gerade voraus, dass mehrere verschiedene Leistungsinhalte zur Wahl stehen. Das ist bei der Ersetzungsbefugnis nicht der Fall. Hier gibt es eine primäre Leistungspflicht, gegebenenfalls kann der Schuldner gleichwohl, sofern dies vereinbart ist, etwas anderes leisten oder der Gläubiger kann, sofern dies vereinbart ist, etwas anderes als das eigentlich Verlangte fordern.253

195Möglich ist eine solche Ersetzungsbefugnis auf der Grundlage der Vertragsfreiheit. Den Parteien steht es frei zu vereinbaren, ob sie auch eine andere als die eigentlich vereinbarte Leistungsverpflichtung annehmen möchten. Weil die Vorschriften der Wahlschuld hierauf keine Anwendung finden, gilt insbesondere nicht § 265. Wird also die eigentlich geschuldete Leistung unmöglich, beschränkt sich die Leistungspflicht nicht auf die andere, die zur Ersetzung bereitsteht.254 Mit Unmöglichkeit der geschuldeten Leistungspflicht tritt vielmehr gem. § 275 Abs. 1 Befreiung des Schuldners ein. Das gilt insbesondere auch dann, wenn er die zur Ersetzung anstehende Ersatzleistung noch erbringen könnte, denn die Leistungspflicht ist untergegangen, eine Wahlmöglichkeit liegt gerade nicht vor.

Beispiel: Ist in dem genannten Beispiel (unter Rn. 192) die Halberstadt-Bibel bei A gestohlen worden, muss er nun nicht stattdessen den Mekka-Koran liefern.

196Neben der Möglichkeit der Vereinbarung einer Ersetzungsbefugnis, bei der im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen § 308 Nr. 4 zu beachten ist, sieht das BGB an einigen Stellen auch eine gesetzliche Ersetzungsbefugnis vor, nämlich in §§ 244 Abs. 1, 251 Abs. 2 und § 775 Abs. 2.255 Die bekannteste Ersetzungsbefugnis des Gläubigers findet sich in § 249 Abs. 2 Satz 1: Im Bereich des Schadensersatzes kann der Gläubiger statt der Herstellung des ursprünglichen Zustandes vom Schuldner den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Er soll nicht darauf angewiesen sein, dass der Schuldner, der ihn verletzt hat, eine Heilbehandlung an ihm vornimmt.256

197e) Geldschuld, Zinsschuld. Eine besondere Stellung nimmt die Geldschuld ein. Obwohl sie einen überaus großen praktischen Anwendungsbereich hat, ist sie im BGB nur in wenigen Vorschriften geregelt, so befassen sich nur die §§ 244–248, 253, 270 sowie §§ 288–291 mit Geldschulden. Eine eigenständige Definition für diesen praktisch wichtigsten Leistungsgegenstand existiert nicht. Bei fast allen gegenseitigen Verträgen des BGB wie dem Kauf-, dem Miet-, dem Dienst- oder Werkvertrag bildet es den Gegenleistungsinhalt. Bei unerlaubten Handlungen richtet sich auch der Schadensersatzanspruch im Allgemeinen auf Geld. Daher ist es überraschend, dass das Gesetz so nachlässig mit ihm umgeht.

198So bleibt unklar, in welche Kategorie die Geldschuld einzuordnen ist. Um eine Stückschuld handelt es sich sicher nicht. Ob sie als eine Gattungsschuld anzusehen ist, ist umstritten. Zum Teil wird dies vertreten: Die Geldschuld soll nach dieser Ansicht eine besondere Form der Gattungsschuld sein. Doch passen die Vorschriften für die Gattungsschuld auf Geldschulden nicht.257 § 243 Abs. 1 etwa, der die Auswahlvorschrift für die Gattungsschuld in Bezug auf die mittlere Art und Güte festlegt, ist für Geld unbrauchbar. Gleichwohl hält die Rechtsprechung daran fest, dass es sich um eine besondere Gattungsschuld handelt.258 Doch wird man stattdessen davon ausgehen müssen, dass vielmehr eine Wertverschaffungsschuld vorliegt. Der Schuldner muss nämlich dem Gläubiger nicht eine mittlere Art und Güte von Geld verschaffen, sondern er muss dem Gläubiger das durch den Nennbetrag der Schuld ausgedrückte Mengenverhältnis erbringen. Geld kann also nur in Form einer Summe, nicht in einer Qualitätsform verschafft werden.259

199Gleichwohl werden bestimmte Vorstellungen auch hier eingreifen, die ansonsten die Gattungsschuld beherrschen. Insbesondere gilt dies im Hinblick auf die Unmöglichkeit. Wie bei der Gattungsschuld kann sich der Schuldner bei der Geldschuld grundsätzlich nicht auf die Unmöglichkeit gem. § 275 berufen. Wenn man die Geld- als eine Wertverschaffungsschuld ansieht, hat der Schuldner die Pflicht, dem Gläubiger einen bestimmten Wert zu verschaffen. Das ist unabhängig davon, ob er selber über diesen Wert verfügt – hieraus resultiert letztlich auch der Spruch „Geld muss man haben“. Eine Befreiung von der Verschaffungsschuld im Hinblick auf den entsprechenden Nennbetrag kann nicht eintreten, denn er ist unabhängig von dem, was der Schuldner selber zur Verfügung hat. Man kann also sagen, dass der Schuldner für seine finanzielle Leistungsfähigkeit ohne Verschulden stets einzustehen hat.260

200Die Form der Erbringung von Geldschulden ist vom BGB als Bargeldverschaffung verstanden worden.261 Es wird also davon ausgegangen, dass die Geldschulden regelmäßig durch die Übereignung von Bargeld stattfinden, was sich nach den §§ 929 ff. richtet. Das ist mittlerweile freilich in vielen Fällen durch die Zahlung in Buchgeld abgelöst worden, d. h. durch die Überweisung oder die Abbuchungsermächtigung oder durch die bargeldlose Bezahlung. Hier gelten also andere Mechanismen als diejenigen des Sachenrechts.

201Ein besonderer Fall der Geldschuld sind schließlich die Zinsschulden. Für diese enthalten die §§ 246–248 besondere Vorschriften. Dabei versteht man unter Zinsen diejenige Vergütung, die der Schuldner für die Überlassung eines in Geld bestehenden Kapitals zahlen muss.262 Die Höhe der jeweiligen Vergütung ist dabei regelmäßig nach der Dauer, d. h. der Laufzeit der Überlassung zu berechnen. Meist sind sie in einem bestimmten Prozentsatz des Kapitals ausgedrückt.263 Eine Zinsschuld entsteht regelmäßig aufgrund rechtsgeschäftlicher Begründung, genauso kann das Gesetz Entstehungstatbestand sein. Das BGB kennt zwar keinen allgemeinen Zinsanspruch, es gibt jedoch zahlreiche Einzelbestimmungen, die vorsehen, dass eine Zinsschuld entsteht, vor allem beim Verzug nach § 288 sowie im Rahmen eines Prozesses ab Rechtshängigkeit der Klage nach § 291. In diesen Fällen kommt jedenfalls der gesetzliche Zinssatz zum Tragen, der sich gem. § 246 auf 4 % beläuft. Etwas anderes gilt nur, wenn besondere Bestimmungen die Höhe anderweitig festlegen. Das kann beim Handelsgeschäft nach § 352 HGB der Fall sein, wo 5 % vorgesehen sind. Beim Verzug sieht § 288 für den Verzugszins ebenfalls eine Sonderregelung vor. Danach beträgt der Zinssatz für das Jahr 5 bzw. 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, der wiederum eigenständig in § 247 geregelt ist.

Schuldrecht I - Allgemeiner Teil

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