Читать книгу Wahrheit oder Sylt - Jacob Walden - Страница 10
6
ОглавлениеEr taucht durch ein violettes Meer, in dem orangefarbene Wellen pulsieren. Seine Haut ist so glatt, dass das Violett nicht ganz zu ihm vordringen kann, sondern Millimeterbruchteile über seiner Haut abperlt.
Es ist angenehm in diesem Meer, ruhig und kühl.
Er ist unantastbar.
Unberührbar.
Mittendrin und doch wie in einem Kokon vor allem und jedem geschützt.
Aber hier gibt es sowieso nichts anderes als ihn und das pulsierende violett-orangefarbene Meer.
Er schreckt hoch und merkt, dass er einige Stunden geschlafen haben muss. Das Licht vor dem Fenster hat sich verändert. Unter dem Aquarell steht ein Tablett mit verschiedenen abgedeckten Tellern.
Dann erst bemerkt er den Mann. Er ist bullig wie ein Schwergewichtsboxer. Auf seiner Glatze glitzern Schweißperlen. Er steht neben dem Bett und blättert in einer Akte. Weiße unförmige Kleidung mit Namensschild, Blutdruckmanschette und Stethoskop um den Hals. Ein Pfleger.
»Na, ausgeschlafen?«, fragt der Mann.
Kopfschütteln. Das geht jetzt besser. Kein Dröhnen mehr. Doch sein Mund ist noch immer staubtrocken.
»Durst«, flüstert er.
Wortlos befreit der Mann den eingeschweißten Becher von der Plastikfolie, öffnet die Wasserflasche und gießt ihm ein. Mühsam rappelt er sich hoch und nimmt mit beiden Händen den Becher in Empfang. Gierig saugt er das Wasser ein.
»Gut gefeiert gestern, was?«
»Weiß nicht.«
»Ganz schön hinüber biste gewesen, als wir dich heut Nacht eingesammelt haben.«
Er starrt irritiert auf den spöttisch grinsenden Mund des Pflegers.
»Ich war der eine Sani«, fährt dieser fort. »Nebenjob. Sonst reicht das Geld nicht für die Insel der Schönen und Reichen.« Er malt ein paar Anführungszeichen in die Luft. »Solche wie dich haben wir in der Saison fast jeden Tag hier. Aber Junge, Junge, du warst mehr tot als lebendig. Und deine Freundin auch. Was habt ihr euch nur reingepfiffen, um alles in der Welt?«
»Ich weiß es nicht«, haucht er. »Ich kann mich an nichts erinnern.« Sani. Das Wort hallt in seinem Kopf nach. Sani, Sani, Sani.
»Schade auch, hätte mich ja mal interessiert.« Der Pfleger lacht. »Übrigens: Deine Schwester ist da. Soll ich sie reinlassen?«