Читать книгу Wahrheit oder Sylt - Jacob Walden - Страница 6
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ОглавлениеEine Frau mit graublonden Haaren beugt sich über ihn. Sie trägt ein sackförmiges hellblaues Oberteil, das jegliche Hinweise über ihre Figur verbirgt. Ihr aufgeschwemmtes Gesicht sieht müde aus. Die Augenringe sind dunkel und tief wie bei einem Junkie.
»Ruhig«, sagt sie mit rauchiger Stimme und legt eine kühle Hand auf seinen Unterarm. Er zuckt zusammen. »Alles in Ordnung.«
Sein Blick wird allmählich klarer. Er erkennt immer mehr Einzelheiten. Das schmucklose, weiß getünchte Zimmer, pastellfarbener Linoleumboden, ein mit transparenter Plastikfolie abgedecktes Krankenhausbett, dessen Fußende hinter dem Paravent hervorschaut. Die Zahlen, Buchstaben und Linien auf den Monitoren, die sich in unendlichen Zacken und Wellen wiederholen.
Nun bemerkt er auch den Schlauch, der in seiner Armbeuge verschwindet, eine Art Fingerhut an seinem Zeigefinger und einen Fremdkörper an seinem Penis. Vorsichtig tastet er an dem Fremdkörper herum und erkennt mit Schrecken, dass dieser sich nicht nur an seinem Penis befindet, sondern sogar in ihn hineinführt.
»Was ist passiert?«, bringt er mühsam hervor. Er spürt, wie sich Panik in ihm hochschaukelt, wie er innerlich hektisch wird, auch wenn sich sein Körper wie gelähmt anfühlt.
»Wie bin ich hierhergekommen?«
»Wir haben gehofft, Sie könnten uns das erzählen«, antwortet die Frau. »Im Moment wissen wir nicht einmal Ihren Namen.«
Er öffnet den Mund, selbstverständlich, seinen Namen, klar. Wenn er schon sonst nichts zu Protokoll geben kann, dann doch zumindest … Er sieht in die erwartungsvollen Augen der Krankenschwester, die auf seinen Mund starren, der den Namen ausspucken will, seinen Namen. Doch der Mund bleibt still.
»Ich hole den Arzt«, hört er schließlich die Schwester sagen. Ihre Stimme hat sich verändert. Sie wirkt jetzt abweisend, verächtlich, feindselig, oder kommt ihm das nur so vor?
»Helen hier«, sagt sie nach einigen Sekunden in ein schnurloses Telefon, das sie aus der Tasche ihres unförmigen Oberteils gezogen hat. »Er ist wach.«