Читать книгу Wahrheit oder Sylt - Jacob Walden - Страница 11
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ОглавлениеEr hat keine Schwester. Auch wenn er momentan nicht viel weiß, das weiß er. Doch der Duft ist angenehm, vertraut. Er weiß, dass es Aromen von Jasmin, Pfirsich und Sandelholz sind. Er hat es einmal gegoogelt, vor Jahren, verliebt, unglücklich. Ein Parfum. Sunflowers.
Das Gesicht des Mädchens, das jetzt neben seinem Bett steht, kommt ihm vage bekannt vor. Kennt er sie? Sollte er sie kennen? Sani, Sani, Sani. Das Wort wabert in seinem Kopf. Dann trifft ihn die Erkenntnis wie ein Donnerschlag.
»Sunny!«, flüstert er.
»Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht, Sebastian!«, sagt sie und streicht ihm über die Wange.
»Ich lass euch dann mal alleine«, hört er den Pfleger aus dem Hintergrund. Das Mädchen bedankt sich höflich. Sekunden später fällt die Tür ins Schloss. Stille.
Das Mädchen hat lange, glatte blonde Haare, ist schlank und mag etwa 18 sein. Sie sieht übernächtigt aus. Dunkle Ringe zeichnen sich trotz Make-up unter ihren Augen ab.
»Sunny!«, sagt er nochmal.
Das Mädchen verzieht den Mund. »Das muss jetzt doch nicht mehr sein. Eigentlich möchte ich diesen Namen nie mehr hören.«
»Aber du bist Sunny, oder?«
»Ich bin Luna. Ich hab mich nur Sunny genannt. Erinnerst du dich nicht?«
»Nein!«
Sie runzelt die Stirn. »An was kannst du dich überhaupt erinnern?«
»Sylt. Ein Haus. Dünen. Ein paar Leute.«
»Ja und?«
»Nichts. Gar nichts. Bis eben wusste ich nicht einmal, dass ich Sebastian heiße. Kommt mir auch total fremd vor.«
»Nun ja.« Luna lacht leise. »Das könnte daran liegen, dass du gar nicht Sebastian heißt.«
»Aber …«
»Das war nur für den Pfleger«, flüstert sie. »Die wollten als Erstes deine Daten haben, Versichertenkarte und so. Ich hab gesagt, du hättest keine Karte, weil du privat versichert bist, und dass du Sebastian Krämer heißt und in Berlin wohnst.«
Er starrt sie verständnislos an. »Und warum das alles? Und wie heiße ich denn nun wirklich?«
»Karsten«, sagt Luna. »Du heißt Karsten. Und glaub mir, es ist besser, wenn niemand deinen richtigen Namen erfährt.«
»Warum?« Seine Stimme kiekst aufgeregt.
»Pst«, zischt Luna. »Nicht so laut. Der Pfleger meinte, du bräuchtest absolute Ruhe und dürftest dich nicht aufregen. Wenn du nicht ruhig bist, schmeißt er mich gleich wieder raus.«
»Karsten Straußberger«, flüstert Karsten. »Ich bin Karsten Straußberger, oder?«
Luna nickt. »So sieht’s aus.«
»Was ist passiert? Warum bin ich hier?«
»Du hattest einen Anfall.«
Karsten wartet auf weitere Ausführungen, doch Luna schweigt.
»Und warum bist du meine Schwester?«
»Sonst würden sie mir doch gar nichts erzählen. Wahrscheinlich dürfte ich gar nicht zu dir.«
»Clever.«
»Danke.«
Sie sieht hübsch aus, wenn sie lächelt, denkt er.
»Was ist alles geschehen gestern Abend?«, fragt Karsten. »Es war doch gestern? Oder?«
Luna nickt. Einen Augenblick lang scheint sie nachzudenken.
»Jetzt sag schon!«, drängt Karsten. »Hilf mir! Bitte!«
»Wir haben Party gemacht. Ziemlich viel getrunken. Flaschendrehen gespielt. Und dann ist alles außer Kontrolle geraten.«
Das Flackern. Es kommt schlagartig und aus dem Nichts. Ein eigenartiger Geruch sticht Karsten in der Nase. Eine bleierne Müdigkeit überfällt ihn. Luna verschwimmt vor seinen Augen, und Karsten taucht in bodenlose Schwärze.