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c) § 6 StGB: Weltrechtsprinzip

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§ 6 StGB dehnt den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts auf bestimmte, abschließend aufgezählte Auslandstaten unter Berufung auf das Weltrechtsprinzip (Rn. 28 f.) aus. Zu den Straftaten gegen international geschützte Rechtsgüter zählen im Einzelnen bestimmte Kernenergie-, Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen (Nr. 2), Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr (Nr. 3), Menschenhandel (Nr. 4), unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln (Nr. 5), bestimmte Formen der Verbreitung gewalt-, tier-, kinder- und jugendpornographischer Schriften (Nr. 6), bestimmte Geld- und Wertpapierdelikte (Nr. 7), Subventionsbetrug (Nr. 8) sowie schließlich Taten, die aufgrund eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen zwischenstaatlichen Abkommens auch dann zu verfolgen sind, wenn sie im Ausland begangen werden (Nr. 9). Für die in den §§ 6 bis 12 VStGB sanktionierten Straftaten gegen das Völkerrecht, namentlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und aufgezählte Kriegsverbrechen, findet sich eine spezielle Regelung in § 1 VStGB. Das Recht des Tatorts ist jeweils unbeachtlich, liegt die Verfolgung der dem Weltrechtsprinzip unterfallenden Straftaten doch im gemeinsamen Staateninteresse.

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Kritisch zu untersuchen bleibt bei den in § 6 StGB genannten Straftaten, ob den dadurch geschützten Sicherheitsinteressen und Rechtsgütern die notwendige internationale allgemeine Akzeptanz zuteilwird, so dass der Verfolgerstaat seine Strafgewalt auch bei Auslandstaten beanspruchen darf.[108] Problematisch erscheint vor allem § 6 Nr. 6 StGB, der unter anderem die Verbreitung der Erscheinungsformen der Gewalt- und Tierpornographie erfasst und insoweit auf Taten weltweit das deutsche Strafrecht anwenden will.[109] Fraglich ist außerdem, ob der Subventionsbetrug in § 6 Nr. 8 StGB wegen seines primären Schutzes (nur) nationaler finanzieller Interessen oder der Europäischen Union dem Weltrechtsprinzip unterstellt werden kann.[110]

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Bei dem Rückgriff auf § 6 StGB zeigt sich die Rechtsprechung mitunter zurückhaltend, um einer Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten vorzubeugen. So verlangte der BGH wiederholt für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf den bis zum 29. Juni 2002 in § 220a StGB normierten Völkermord nach § 6 Nr. 1 StGB einschränkend einen legitimierenden Anknüpfungspunkt, der im Einzelfall einen unmittelbaren Bezug der Strafverfolgung zum Inland herstellt. Ansonsten verstoße die Strafverfolgung gegen den völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatz.[111] Dem wurde entgegengehalten, dass sich eine solche zusätzliche Voraussetzung nicht mit dem Charakter weltweit allgemein anerkannter Rechtsgüter vereinbaren lasse, deren Schutz eine originäre Aufgabe eines jeden Rechtsstaates darstellt.[112] § 1 VStGB hält nunmehr indessen ausdrücklich fest, dass das VStGB für alle darin bezeichneten Verbrechen (wie nicht zuletzt den Völkermord gemäß § 6 VStGB) auch dann gilt, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist. In einem Anfragebeschluss erwog der Zweite Strafsenat vorübergehend, auch für § 6 Nr. 5 StGB (unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln) einen hinreichenden Inlandsbezug zu verlangen, aus dem sich ein inländisches Interesse an der Verfolgung der Auslandstat ergibt.[113] Auf die Erwiderung des Ersten Strafsenats[114] entschied der Zweite Strafsenat sodann aber – jedenfalls für die seinem Urteil zugrunde liegende Fallkonstellation –, dass weder nach Wortlaut und Sinn und Zweck des § 6 Nr. 5 StGB noch wegen der notwendigen Beachtung höherrangigen Rechts oder aus völkerrechtlicher Sicht eine solche einschränkende Auslegung erforderlich sei.[115]

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