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d) § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB: Personalitätsprinzipien

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§ 7 Abs. 1 StGB knüpft an die Staatsangehörigkeit des Opfers als „genuine link“ an. Handelt es sich hierbei um einen Deutschen, steht die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auch bei Auslandstaten im Raum. Dieser Rückgriff auf das passive Personalitätsprinzip scheidet aber aus, wenn sich die konkrete Tat nicht gegen eine natürliche Person im Sinne eines bestimmten oder jedenfalls bestimmbaren deutschen Staatsangehörigen richtet[116] oder wenn eine Straftat ausschließlich Universalrechtsgüter schützt und damit von vornherein kein Individuum als Opfer haben kann.[117]

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Wer Deutscher im Sinne des § 7 StGB ist, bestimmt sich nach Art. 116 Abs. 1 GG.[118] Danach ist jede natürliche Person Deutscher, welche (auch) „die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat“. Juristische Personen sind selbst bei Sitz im Inland nach herrschender Meinung nicht erfasst.[119] Hiervon abweichenden Überlegungen steht nicht zuletzt der Wortlaut des § 7 StGB entgegen, der gerade nicht – anders als etwa § 5 Nr. 7 StGB, der offenbart, dass dem Gesetzgeber die Problematik des Schutzes von Interessen juristischer Personen bekannt ist – auf die Belegenheit des Sitzes eines Unternehmens verweist, sondern von Straftaten gegen einen Deutschen spricht.[120] Nach zunehmender Ansicht soll auch das ungeborene Leben unter den Deutschenbegriff fallen.[121] Dies bleibt jedoch abzulehnen, da die Staatsangehörigkeit erst mit der Geburt verliehen wird und ein Embryo somit zur maßgeblichen Zeit der Tat von vornherein kein Deutscher sein kann.[122]

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Auf das aktive Personalitätsprinzip verweist § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Danach bildet die deutsche Staatsangehörigkeit des Täters einen legitimierenden Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts. Notwendig ist der Rückgriff auf das aktive Personalitätsprinzip vor allem deswegen, weil Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG es untersagt, einen Deutschen an das Ausland auszuliefern.[123]

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Das aktive Personalitätsprinzip wird nach der ausdrücklichen Regelung in Nr. 1 nicht nur dann bemüht, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher war, sondern auch wenn er es (erst) nach der Tat geworden ist. Diese sog. Neubürgerklausel wird damit begründet, dass ab dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit das zwischenstaatliche Auslieferungsverbot nach Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG zu beachten ist und daher der Staat selbst die Bestrafung übernehmen muss.[124] Deswegen wird die Neubürgerklausel zutreffend als Ausformung des Prinzips der stellvertretenden Strafrechtspflege angesehen.[125] Die nachträgliche Begründung der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts erscheint zwar im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht unbedenklich.[126] Dem soll aber dadurch abgeholfen werden können, den Täter jedenfalls nicht härter zu bestrafen als nach dem Recht des Tatorts.[127] Verliert der Täter nach der Tat die deutsche Staatsangehörigkeit, schließt dies die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts hingegen nicht nachträglich aus.[128]

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Einschränkend wird jeweils vorausgesetzt, dass entweder die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt, z.B. wenn die Tat auf hoher See auf einem flaggenlosen Schiff begangen wird.[129] Sollten mehrere ausländische Tatortstaaten existieren, ist das „lex loci“-Erfordernis gewahrt, wenn einer der Staaten die Tat mit Strafe bedroht.[130] Jedenfalls durch die Beachtung der lex loci bleibt der völkerrechtliche Nichteinmischungsgrundsatz bei den Personalitätsprinzipien gewahrt (Rn. 25).[131] Von der notwendigen identischen Tatortnorm kann nur gesprochen werden, wenn die jeweilige Tat (im prozessualen Sinne) zum Zeitpunkt ihrer Begehung mit Kriminalstrafe oder einer vergleichbaren Rechtsfolge bedroht ist.[132] Außerstrafrechtliche Sanktionen wie z.B. Geldbußen genügen nicht, soll die Berücksichtigung des Tatortrechts doch gerade dem Sinn und Zweck dienen, die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts zu bestimmen.[133]

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Für die erforderliche Tatidentität genügt es nach herrschender Meinung, wenn das Verhalten des Täters nach konkreter Betrachtungsweise am Tatort nach irgendeiner beliebigen Norm strafbar ist. Ausländischer und nationaler Straftatbestand müssen indessen weder inhaltlich im Konkreten noch in ihrem geschützten Rechtsgut im Allgemeinen übereinstimmen.[134] Sofern die Tat am Tatort gerechtfertigt, entschuldigt oder aus einem sonstigen Grund trotz verwirklichten Tatbestands materiellrechtlich nicht strafbar ist, schließt dies die Ausdehnung der nationalen Strafgewalt aus.[135] Grenzen im Sinne eines allgemeinen internationalen „ordre public“-Vorbehalt existieren insoweit nur, wenn das ausländische Recht universal anerkannten rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspricht.[136] Verfolgungshindernisse nach Tatortrecht (z.B. Verjährung oder fehlender Strafantrag) sind hingegen nach wohl herrschender Ansicht unbeachtlich, wenn die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts über das aktive oder passive Personalitätsprinzip begründet wird. In diesen Fällen wird schließlich – anders als bei dem Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege – originäre Strafgewalt ausgeübt.[137]

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