Читать книгу Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl - Jan Quenstedt - Страница 88
1.5.1 Skizzen zur Forschungslage 1.5.1.1 Die ältere Forschung
ОглавлениеDie Forschung zu den freiwilligen Vereinigungen und ihren Beziehungen zu frühen christlichen Gemeinden hat bereits eine längere Geschichte hinter sich und ist in ihren Anfängen prominent mit den Forschungen Edwin Hatchs1 und Carl Friedrich Georg Heinricis verbunden. Exemplarisch werden die Erkenntnisse Heinricis näher erläutert.
Heinricis Überlegungen werden exemplarisch greifbar an einem Aufsatz aus dem Jahr 1876.2 Er konstatiert, dass die weit verbreitete Ansicht, die christlichen Gemeinden hätten sich in Analogie und im Anschluss an die jüdische SynagogeSynagoge gebildet, nicht zur Erklärung aller Phänomene und Entwicklungen herangezogen werden könne. Deutlich werde dieser Umstand an der Gemeinde in KorinthKorinth: „Alle diese Momente, die Verbreitung der SynagogenSynagoge, ihre bevorzugte Stellung, die Elasticität ihrer Verfassung, legen die Vermuthung sehr nahe, dass die vom Judenthum ausgehenden MissionareMissionar des Evangeliums die ihnen vertrauten und altgewohnten Formen auf die neu begründeten Christengemeinden übertrugen. Auch von PaulusPaulus würde das gelten, wenn wir seine Vorschriften und Rathschläge für Lehre und Leben seiner Gemeinden nach den Pastoralbriefen und der Apostelgeschichte beurtheilen. Jedoch will weder das Grundprincip der Predigt des grossen Heidenapostels, noch der Charakter der wichtigsten Gemeinde, die er im Occident gegründet hat, unter diese Annahme sich fügen.“3
Heinrici ging davon aus, die Entwicklung früher christlicher Gemeinden plausibilisieren zu können, wenn neben die Orientierung an den SynagogenSynagoge auch die Orientierung an den „religiösen Genossenschaften Griechenlands“4 trete. In der Lesart Heinricis bedeutet das, dass sich die Gemeinde von ihren religiösen Überzeugungen her in Strukturen zu organisieren wusste, die bereits weit verbreitet und gesellschaftlich erprobt waren.5 Mit dieser Erkenntnis rücken die freiwilligen Vereinigungen in den Fokus wissenschaftlichen Interesses. Zugleich ist damit die bereits benannte Auffassung in Frage gestellt, dass sich die christlichen Gemeinden einzig aus dem VorbildVorbild der SynagogenSynagoge heraus entwickelt hätten. Heinrici bringt seine Wahrnehmung andernorts prägnant, aber mit gewisser Vorsicht zur Sprache: „[…] nicht nach dem Vorbilde, aber in den Formen der religiösen Genossenschaften“6 organisiere sich die frühe christliche Gemeinde, speziell die Gemeinde in KorinthKorinth. Zugleich betont Henrici aber auch, dass „[…] nur die Formen die gleichen waren, der Gehalt jedoch, das innere Band, durchaus eigenartig sei.“7 PaulusPaulus habe sich diese Formen dienstbar gemacht, weil sie den historischen Kontexten jener Zeit entsprochen hätten und für seine Zwecke, der SammlungSammlung einer Gottesgemeinde, geeignet erschienen.8 Diese Sichtweise blieb nicht ohne Widerspruch, wie exemplarisch die Auseinandersetzung Heinricis mit Carl Holsten zeigt.9 Darüber hinaus haben Heinricis Forschungen die Perspektive auf weitere antike Größen und Gruppen geöffnet, die eine Bedeutung für die Entstehung der christlichen Gemeinschaft besessen haben könnten.10
Eine umfangreiche Untersuchung zu den griechischen Vereinigungen stammt von Franz Poland, der seine Monographie 1909 in Leipzig veröffentlichte.11 Das Ziel dieser Untersuchung ist die Darstellung der Wirksamkeit und der Stellung freiwilliger Vereinigungen in der Antike. Ausgehend von Hinweisen zu Namen und Arten freiwilliger Vereinigungen stellt Poland Überlegungen zu Götterverehrung, Personenstand, Organisation und Finanzen an. Bevor die Monographie mit einem geschichtlichen Überblick zum Abschluss gelangt, formuliert er in Kapitel sechs Erkenntnisse zur „Sittlichkeit“.12 Dieser Abschnitt formuliert in besonderer Weise Überlegungen, die die ethische Dimension paganer Vereinigungen betreffen. Ein Desiderat bleiben jedoch Hinweise auf eine Praxis, die dem Konzept diakonischen Handelns zugehörig ist. Indessen nehmen allein Hinweise zur Sorge für Verstorbene einen breiten Raum ein.13 Vor diesem Hintergrund besitzt die vorliegende Studie ein innovatives Potenzial, dass über die Perspektiven der älteren Forschung hinausgeht.