Читать книгу Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl - Jan Quenstedt - Страница 99
1.5.3 Rechtliche Grundlagen der Vereinigungen
ОглавлениеMit einem Interesse an freiwilligen Vereinigungen in der Antike verbindet sich auch die Frage nach ihren rechtlichen Grundlagen.1 Eine juristische Einlassung zu diesen sozialen Gruppen innerhalb des römischen Rechts ist seit etwa 450 v. Chr. bekannt:2 Die Grundaussage der Bestimmung innerhalb des sogenannten Zwölftafelgesetzes ist in der Erlaubnis greifbar, dass sich freiwillige Vereinigungen SatzungenSatzung geben dürfen, so lange sie nicht gegen geltendes öffentliches RechtRecht verstoßen3 und „sich diese als loyal gegenüber den Interessen von Polis und Imperium [erwiesen].“4 Eine weitergehende juristische Bedeutung wird den Vereinigungen aber nicht zugesprochen, was sie von einem „Verein“ im o.g. Sinn unterscheidet und eine begriffliche Unterscheidung plausibilisiert. Der genannte juristische Grundsatz kann weithin als cantus firmus des Umgangs mit freiwilligen Vereinigungen verstanden werden: Wenn von einer Gruppe keine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgeht, ist ihre Vereinigung und ihre Zusammenkunft legitim. Dass in den meisten Fällen von den Vereinigungen keine Gefahr ausging, zeigt Sommer auf, der von 16 belegten VereinigungsunruhenVereinigungsunruhen in den ersten beiden Jahrhunderten der Kaiserzeit spricht.5 Demgegenüber seien 100 weitere, anders gelagerte Unruhen zu verzeichnen.6 Vor diesem Hintergrund subsumiert Öhler: „Die allermeisten Vereinigungen hatten aber keinerlei Zulassung und benötigten diese auch nicht. Sie waren vielmehr wichtige Bestandteile in der SozialstrukturSozialstruktur der antiken Welt.“7
Ein Wandel ergab sich im ersten vorchristlichen Jahrhundert aufgrund der Verwicklung politischer Vereinigungen innerhalb der Bürgerkriege des zweiten und ersten vorchristlichen Jahrhunderts.8 Als Ausdruck dessen ist der auf 64 v. Chr. datierende Beschluss des Senats zur Auflösung aller Vereinigungen anzusehen, der 56 v. Chr. nach einer zwischenzeitlichen Phase der Vereinsfreiheit mit weiteren Verboten verbunden wurde.9 Ausgenommen waren Vereinigungen, die vor dem Jahr 64 v. Chr. gegründet wurden und als für den Staat ungefährlich eingestuft wurden. Unter diese Kategorie zu zählen sind auch jüdische SynagogenSynagoge und später – sofern in deren Umfeld angesiedelt und nicht als Störfaktor wahrgenommen – auch erste christliche Gruppierungen:10 „Unter normalen Umständen war Religion kein Grund für VereinigungsunruhenVereinigungsunruhen, sie spielte nur dann eine Rolle, wenn Vereinigungen in ihrer legitimen Kultausübung von exklusiven Religionen wie den Christen daran gehindert wurde.“11 In dieser Perspektive ist wiederum ein Faktor zu sehen, der einen Vergleich zwischen freiwilligen Vereinigungen und christlichen Gemeinden nahelegt: Ungeachtet ihrer Selbstsicht ist anzunehmen, dass christliche Gruppen bzw. Gemeinden – sofern nicht als Störfaktor wahrgenommen – zunächst als freiwillige Vereinigungen bzw. collegiaCollegia identifiziert wurden und für sie die selben rechtlichen Rahmenbedingungen galten, wie für andere Vereinigungen auch, die entsprechenden möglichen Reaktionen von staatlicher Seite eingeschlossen.12 Auch Heinrici geht davon aus, dass die Gemeinde in KorinthKorinth als eine religiöse Genossenschaft problemlos bestehen konnte, solange keine Gefahr für das Reich von ihr ausging.13
Neben den Bestandsschutz trat seit Augustus die Zulassung neuer Vereinigungen durch den Senat, sofern von ihnen ebenfalls keine Gefahr ausging und sie dem Wohl der Allgemeinheit dienten.14 Einen exemplarischen Beleg für die Zulassung durch den Senat auf Anordnung des Augustus bietet eine entsprechend datierende Inschrift:
„Dis manibus. Collegio symphonia corum qui sacris publicis praestru sunt quibus senatus c c c permisit e lege Iulia ex auctoritate Aug(usti) ludorum causa.“15
Öhler zufolge lag demgegenüber die VerantwortungVerantwortung für die Auflösung einer Vereinigung bei der jeweiligen Stadt.16 Der Bestand unautorisierter Vereinigungen war so zwar nicht legitimiert, jedoch differierte die Umsetzung der Rechtslage in die Praxis,17 „[e]rst wenn Probleme auftraten, wurden die römischen Behörden aktiv.“18 Unter Trajan veränderte sich die Gesetzeslage noch einmal, sodass mit seiner Regierungszeit ein formales Vereinigungsverbot verbunden ist, das entgegen der bisherigen Bestimmungen de jure eine Verschärfung darstellt. De facto sorgte dieses Verbot jedoch nicht für einen Niedergang der Mehrzahl der freiwilligen Vereinigungen:19 Es ist ein ständiges Nebeneinander von akkreditierten und nicht-akkreditierten Vereinigungen festzuhalten. Verbindendes Element beider Gruppen ist der Maßstab des öffentlichen Nutzens.20 Diese Beständigkeit antiker Vereinigungen zeigt sich auch anhand der epigraphischen Quellen21, denn „[e]in verbotener Verein stellt keine Inschrift auf.“22