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4.1. Ester, Mordechai und die Könige Israels
ОглавлениеDas Buch Ester bezieht sich auf Gründungsfiguren der israelitischen Monarchie, Saul, David und Salomo, die in den Samuel- und Königsbüchern beschrieben werden.
Ester wird mit König David und seinen Frauen verglichen. In 1,19 geht Esters Ankunft das Wort voraus: „Gib ihr Königtum einer anderen, die besser ist als sie“, und dies ähnelt der Ankündigung der Ersetzung Sauls durch David (1 Sam 15,28).164 Der Eintritt Esters ins Königshaus in Kapitel 2 und ihre Begegnungen mit dem König in Kapitel 5 und 7 erinnern wiederum an die Wahl der Frau aus Schunem für König David (1 Kön 1,2–4) sowie an das ungebetene Auftreten Batsebas bei Salomo (1 Kön 2,19–25).165 Schließlich gemahnt die Art und Weise, wie Abigajil ihr Haus vor Davids Zorn rettet (1 Sam 25), gleichermaßen an Esters Handeln.166
Nach der hier vorgelegten Analyse bleiben in Proto-Ester die Anspielungen auf diese biblischen Episoden vage; erst die protomasoretischen Redaktoren heben die Anspielungen auf das Leben Davids deutlicher hervor und lassen Wendungen direkt aus den Quellentexten einfließen.167 Diese Verweise auf die Ursprünge des israelitischen Königtums bewirken, dass sich die Erzählung „biblischer“ ausnimmt. Sie verankern Ester in der großen monarchischen Tradition Judäas, auch wenn sie manchmal auf eher dunkle Episoden anspielen (vor allem auf Batseba in 1 Kön 2,19–25).
So wird Mordechai ausdrücklich als Angehöriger der Gruppe vorgestellt, die den König von Juda ins Exil begleitet (2,6). Der MT vergleicht ihn mit Saul.168 Er ist benjaminitischer Abstammung, und seine Vorfahren haben Namen mit saulidischen Konnotationen (2,5). Sein Feind Haman ist nach dem MT ein Agagiter, was sich auf König Agag von Amalek bezieht, den Saul in 1 Samuel 15 bekämpft.169 Dieser Bezug wird noch durch das masoretische Motiv der Beute verstärkt, die die Juden nicht anrührten (Est 9,10.15.16). Das heißt, sie wiederholen nicht den Fehler von Saul, der Amalek nicht dem Bann unterwirft und dadurch die göttliche Gunst verliert (1 Sam 15,18ff.). Diese Verweise auf Saul legen nahe, dass Ester und Mordechai den Kampf gegen Amalek, den uralten Feind Israels, mit mehr Erfolg führen als der erste König Israels.170 So wird es möglich, die Bedrohung der Juden von Susa als Fortsetzung eines tausendjährigen Kampfes gegen die Feinde der Juden zu verstehen.171
In Proto-Ester wie auch in der hebräischen Vorlage der LXX fehlt die Verbindung zum Konflikt zwischen Israel und Amalek. Sie wurde infolge eines Schreibfehlers172 erst spät eingetragen und stellt eine späte Neuinterpretation der Erzählung dar, die aber kein wesentlicher Interpretationsfaktor ist.