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5.1.2. Das Recht und die Erlasse200

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Die königlichen Erlasse (דת ; auch פתגם oder ספרים) spielen in der Erzählung eine wichtige Rolle. Drei Erlasse werden in aller Kürze erwähnt (1,8; 2,8.12; 4,11). Ihre Ursachen und Folgen werden indessen ausführlich beschrieben: Nach Waschtis Weigerung setzt ein Erlass sie ab und verpflichtet alle Frauen, ihre Ehemänner zu ehren (Kap. 1); nach Mordechais Weigerung, sich niederzuwerfen, ordnet ein Erlass die Vernichtung der Juden an (Kap. 3); und schließlich führt die Unmöglichkeit, den Vernichtungserlass aufzuheben, zu einem weiteren Erlass, der die Juden ermächtigt, sich selbst zu verteidigen (Kap. 8). Diese Anordnungsverfahren laufen der Beschreibung nach auf ziemlich ähnliche Weise ab. In allen drei Fällen beginnt das Verfahren als Antwort auf eine Schwierigkeit. Nach der Diskussion wird der Erlass formuliert und vom König für rechtsgültig erklärt, bevor er von der effizienten Verwaltung des Reichs überall verbreitet wird.

Die masoretische Darstellung dieser Verfahren macht deutlich, dass das Reich keineswegs gut funktioniert. Der Erlass, der das Ziel hat, Frauen zur Ehrung ihrer Ehemänner zwingen, bringt Informationen über die Demütigung des Königs in Umlauf und macht ein langwieriges Verfahren zur Auswahl einer neuen Königin erforderlich. Darüber hinaus ist er von einer Gruppe betrunkener Männer (1,8.14) verfasst worden, die sich aus Furcht vor Äußerungen ihrer Frauen (1,18) der unwahrscheinlichen Vorstellung hingeben, dass von der Sache eine Gefahr für die Allgemeinheit (1,17) ausgehe. Der Erlass zur Vernichtung der Juden wird verkündet, nachdem der König von einem gereizten hohen Beamten beeinflusst wurde. In 3,8–9 sagt Haman nicht, dass er besorgt sei, sondern äußert Halbwahrheiten über ein Volk, das er nicht beim Namen nennt. Zudem ist das Argument hinsichtlich partikularer Gesetze im Rahmen des persischen und hellenistischen Denkens keineswegs stichhaltig, denn die Koexistenz örtlicher Gesetze mit dem Recht des Königs war hier immer gebräuchlich. Und schließlich resultiert der Erlass in Kapitel 8, der zu einem Bürgerkrieg führt, aus der Funktionsstörung eines Herrschaftssystems, das nicht in der Lage ist, die negativen Folgen seiner eigenen Verordnungen in den Griff zu bekommen.201

Die Art und Weise, wie Ahasveros Gesetze macht, steht im Gegensatz zu den wichtigsten biblischen und altorientalischen Gesetzessammlungen. Obwohl Ahasveros König ist, wird seine Gesetzgebung nicht als Ausdruck des Willens der Götter oder des Respekts für die Weltordnung dargestellt.202 Andererseits entspricht die Tatsache, dass die Hervorbringung dieser Gesetze auf bestimmte Umstände reagiert und im Rahmen einer Debatte unter Männern zustande kommt, der griechischen Praxis. In der griechischen Welt gibt es zahlreiche Gesetzesreformen, und die Ursachen, Mechanismen und Verdienste der Gesetzgebungspraxis machen ein wichtiges Gebiet der Reflexion aus.203 In der jüdischen Literatur treten Reflexionen über die Bedeutung von Gesetzen und ihre Kontextgebundenheit erst in der hellenistischen Ära in Erscheinung – etwa in den Büchern der Makkabäer, in denen Kombattanten sich mit der Einhaltung des Sabbats im Kriegsfall auseinandersetzen (1 Makk 2,41).

Im makkabäisch-hasmonäischen Kontext kann die Beschreibung von Ahasveros’ Gesetzgebungspraktiken als indirekte Kritik an seleukidischen Gesetzgebungsverfahren verstanden werden. Die Regierungsweise mithilfe von Erlassen, die im Buch Ester angesprochen wird, ist typisch für die Praktiken hellenistischer Herrscher.204 Darüber hinaus weist die kritische Darstellung der Politik des Reichs deutliche Parallelen zur Kritik an seleukidischen Entscheidungen, insbesondere von Antiochos IV. auf, wie sie in den Büchern der Makkabäer zu finden sind. Wie in Ester 3 lehnt der König das örtlich gültige jüdische Gesetz ab (1 Makk 1,41–42), haben ehrgeizige Persönlichkeiten von hohem Rang – Simeon und Jason – mit den schädlichen Maßnahmen des Königs (2 Makk 3,4–7; 4,7–9) zu tun, und außerdem spielen finanzielle Fragen eine wichtige Rolle bei den Auseinandersetzungen. Schließlich stellt man fest, dass in Ester 8 und 9, wie in den Büchern der Makkabäer, der Griff zur Gewalt ein vorteilhaftes Ergebnis ermöglicht.

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