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2.1.3 Leidensdruck und Krankheitseinsicht

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Neben dem Merkmal der Maladaptivität wird im Zusammenhang mit Suchtverhalten auch der Leidensdruck der Betroffenen hervorgehoben. Der subjektive Leidensdruck beschreibt ein Gefühl der Betroffenen, dass das Verhalten ihnen schadet, ihr Wohlbefinden und ihre Entwicklung darunter leiden und dass sich etwas ändern muss. Diese Gefühlslage wird auch in einem 2016 veröffentlichten Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) als mitentscheidendes Kriterium zur Bestimmung einer krankhaften Verhaltenssucht (im Vergleich zum unproblematischen Verhalten) betont (DGPPN 2016). Andererseits ist gerade bei der Sportsucht nicht selten, dass ein (nach objektiven Kriterien) offensichtlich problematisches Sport- oder Bewegungsverhalten (anfänglich) ohne Leidensdruck besteht. Leidensdruck ist daher zwar ein sehr bedeutsames Merkmal, kann jedoch vermutlich nicht in jedem Stadium einer Sportsucht als zwingend notwendig (d. h. obligat) bezeichnet werden.

Das Ausmaß des Leidensdrucks geht einher mit dem Ausmaß an negativem Affekt (d. h. negativer Gefühlslage), der mit dem Sport und der körperlichen Aktivität in Verbindung steht. Dieser negative Affekt kann sich auf den Sport selbst beziehen (z. B. ein Gefühl des Zwangs und des Sportreiben-Müssens) oder auch auf das Gefühl, durch den Sport wichtige Bedürfnisse nicht befriedigen zu können (z. B. Vernachlässigung von Familie und Freunden). Da zugleich bei Sportsüchtigen der Sport die hauptsächliche Möglichkeit ist, negative Affekte zu regulieren (also sich besser zu fühlen), entsteht ein innerer Konflikt zwischen dem Nicht-Wollen (weil Sport der Entwicklung nicht guttut) und dem Müssen (aufgrund des Zwangsgefühls). Dieser Konflikt geht mit einer starken Spannungslage einher (d. h. Dissonanz), die selbst wieder als unangenehm erlebt wird.

In den Fällen von Sportsucht, in denen Leidensdruck ausgeprägt ist, führt dieser dazu, dass zunehmend auch eine rationale Krankheitseinsicht entsteht. Das heißt, dass die Betroffenen nicht nur fühlen, sondern auch wissen, dass sich etwas ändern muss. Diese rationale Krankheitseinsicht führt in solchen Fällen dazu, dass eine Behandlung nicht nur akzeptiert, sondern oft auch gewünscht wird. Wie häufig und wie stark dieser Behandlungswunsch vorliegt, ist empirisch nicht gesichert – aus der klinischen Praxis werden häufig Fälle von Sportsucht ohne Leidensdruck geschildet.

Sportsucht und pathologisches Bewegungsverhalten

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