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Ich stand auf der Jonas Broncksgøta, arg zugerichtet, und es wäre eine Lüge, zu behaupten, es ginge mir gut. Das Schlimmste hatte ich auf dem Polizeirevier abgespült und zwei Kodymagnyl bekommen. Den Kopfschmerzen war die Spitze genommen worden, aber im Nacken und in der Wange tat es immer noch weh. Sie sorgten dafür, daß ich nicht vergaß, daß ich zweimal an einem Tag niedergeschlagen worden war. Und keiner hatte mir erzählt, warum.

Ein Taxi kam die Straße hinuntergesaust, ich hielt es an und ließ mich zum Bladet fahren.

Der Fahrer war in Plauderlaune. “Du warst wohl bei der Polizei?” Er sah mich im Rückspiegel an. “Das ist aber eine ordentliche Schramme, die du da an der Wange hast, was?”

Hinter dem fragenden Tonfall war der Wunsch zu erkennen, die ganze Geschichte zu erfahren, damit er sie anderen Kunden weitererzählen konnte. Ich hatte in den letzten zwei Stunden auf so viele Fragen geantwortet, daß mir die Neugier des Fahrers jetzt zu viel wurde. “Ja, ja”, sagte ich wie in Gedanken versunken und schaute aus dem Fenster hinaus.

Der Fahrer, der nach seinem Alter zu urteilen eine langjährige Erfahrung haben mußte, war nicht der Typ, der daraufhin den Mund hielt. Er wechselte nur das Thema und plapperte jetzt davon, daß es nachmittags wärmer geworden war, und den ganzen Weg zum Bladet hinaus wechselte er von einem Thema zum anderen. Ein “Hmm” von meiner Seite ab und zu reichte. Man konnte nicht behaupten, daß er von der Person, mit der er sprach, viel verlangte.

Beim Bladet ging ich in Sonjas Büro, ohne daß ich angesprochen wurde, und direkt ins siebte dir auf ihrem Computer. Wie der Name sagte, handelte es sich um Artikel über den Krieg, in chronologischer Reihenfolge: Der Angriff auf Polen, Dünkirchen, die Besetzung Dänemarks und Norwegens, der Blitz über London, usw. Es waren zwanzig, anscheinend ganz gewöhnliche Zeitungsartikel. Ich “blätterte” ein Stück hin und her, las hier und dort ein wenig, fand aber nichts Besonderes. Es gab nichts, was eine Glocke zum Läuten brachte. Andererseits wußte ich gar nicht, wonach ich suchte, oder ob ich an der richtigen Stelle suchte. Aber ich hatte das Gefühl, es hatte etwas mit dem 2. Weltkrieg zu tun. Die Mappe bei Hugo zu Hause, Sonjas Artikelserie.

Wie es wohl mit Bildern aussah? Die konnte man nicht auf dem Computer sehen, aber das Bladet hatte sicher einige Exemplare jeder Zeitung archiviert. Ich ging ins Vorzimmer und fragte. Ja, ich sollte einfach ins Archiv gehen, die letzte Tür rechts.

Das Archiv war ungefähr zehn Quadratmeter groß und fast vollständig mit Zeitungen angefüllt, auf Regalen und auf dem Boden. Ich warf einen Blick auf einige Bündel und sah, daß die Zeitungen in einer gewissen Reihenfolge lagen. Der Computer hatte die Artikel datiert, also brauchte ich nicht lange, um die richtigen Zeitungen herauszufinden.

Nachdem ich über eine Stunde gelesen und geraucht hatte, stieß ich auf einen Artikel über Kämpfe in Italien, in dem viel über die Lovat Scouts stand, die auf den Färöern waren, bevor sie auf die Schlachtfelder geschickt wurden. Es gab auch einige Fotos: das zerstörte Monte Cassino, die Truppenlandung in Salerno, Bilder von Alexander, Patton, Montgomery, Mussolini, mit dem Kopf nach unten hängend, und dann von der deutschen Heeresleitung: Kesselring, von Vietinghoff, von Mackensen, Herr, Heidrich, Baade, von Senger und Etterling, Kappler. Die Namen des ersten und des letzten waren rot unterstrichen. “Kesselring und Kappler” dachte ich. Aus dem Artikel war ersichtlich, daß Kesselring der deutsche Oberkommandierende in Italien war, und daß er ein größeres Problem darstellte, als die Alliierten erwartet hatten. Kappler wurde in dem Artikel nicht erwähnt, aber auf dem unscharfen Foto sah es aus, als wäre er ein SS-Mann.

Das alles sagte mir nicht besonders viel. Es war langsam Zeit zum Abendessen, aber noch hatte niemand mich gebeten, zu gehen, also las ich weiter. Die letzten Artikel handelten von den Endkämpfen in Europa und Asien. Die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki wurden gesondert beschrieben. In dem Artikel über Europa nach dem Krieg stand ein wenig über die Werwölfe und die Organisation ODESSA, die alten Nazis half, und daß viele von ihnen sich in Südamerika versteckten. Dieser Abschnitt war auch rot unterstrichen, und es war ein Fragezeichen dahinter gesetzt worden. ODESSA? Ob das etwas mit der Wirklichkeit zu tun hatte? Ich hatte vor vielen Jahren einen Film mit diesem Namen gesehen, der von faschistischen Zusammenkünften und ähnlichem handelte, hatte aber die Handlung immer als freie Phantasie abgetan.

Summa summarum: die Namen zweier deutscher Offiziere in Italien waren unterstrichen sowie die Hypothesen - denn war es mehr als eine Hypothese? - von den Werwölfen und ODESSA. Was konnte ich daraus schließen? Ich versuchte, intensiv nachzudenken, aber ganz gleich, wie ich die wenigen Erkenntnisse, die ich hatte, auch drehte und wendete, ich kam nicht von der Stelle. Ich war kurz davor zu glauben, das Ganze sei nur ein Hirngespinst.

Jemand rief, daß sie jetzt nach Hause gingen. Ich rief zurück, ich käme gleich. Ich ging in Sonjas Büro und schaute ein letztes Mal auf ihren Computer. Der Artikel über Italien und der über Deutschland nach dem Krieg standen in einer Rubrik für sich, geschrieben genau um 4.59 in der Nacht, bevor Sonja starb. Ich sah die beiden Artikel durch, konnte aber nichts entdecken, was sich vom Gedruckten unterschied. Nicht, bevor ich bis ans Ende kam, da stand: Sjeyndir? Hugo. Nur diese beiden Worte, nichts anderes.

Ich hatte ins Schwarze getroffen. “7-dir” bedeutete sowohl Sjeyndir als auch die siebte dir. Wieviel Rätselraten ich noch vor mir haben sollte, das ahnte ich nicht.

Mild ist die färöische Sommernacht - Ein Färöer-Krimi

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