Читать книгу Mild ist die färöische Sommernacht - Ein Färöer-Krimi - Jógvan Isaksen - Страница 6
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ОглавлениеDer Skiläufer hob ab und drehte sich in der Luft, gleichzeitig nach vorn und um sich selbst. Für jemanden, der gerade mal ein Paar Bretter unter den Füßen gehabt hatte, schien es unglaublich, daß er stehend herunter kommen würde. Aber in mehr als dreißig Jahren habe ich mich daran gewöhnt, daß im Film nichts unmöglich ist. Das ist wohl auch der Grund, warum ich Filme so gerne sehe. Der Skiläufer verschwand in rasender Fahrt einen blendend weißen Hügel hinab. Danach kam die Reklame, die übliche Soße.
Ich ließ den Fernsehschirm mit sich allein und sah mich um. Der Anblick war nicht viel besser. Ich bin ziemlich viel gereist, habe mehrere Hauptstädte besucht und war sogar an verschiedenen Badestränden gewesen. Und selbst wenn letztere stinklangweilig sein können und nur mit einem passenden Affen im Gepäck auszuhalten sind, die Flughäfen sind doch am schlimmsten. Nur mit einem starken Willen und viel Training schafft man es, sich von dem betäubenden Rausch fernzuhalten. Das Training hatte ich, es mangelte eher an der Willensstärke. Es war nur noch wenig von dem dritten Bockbier übrig, und ein doppelter Gammel Dansk hatte auch schon die Kehle passiert.
Ich saß auf dem Flughafen Kastrup und wartete, daß das Flugzeug zu den Färöern starten sollte. Schon wieder verspätet. Auch auf diesem Gebiet hatte ich viel Erfahrung, größtenteils aus der Zeit, als die kleine Fokker-Friendship von der Icelandair die Strecke flog. Jetzt brauchte man für die Strecke nur die halbe Zeit, und die Landebedingungen und auch die technische Ausrüstung waren viel besser. Trotzdem kam es nicht gerade selten vor, daß die Passagiere in einem Hotel in Kopenhagen übernachten mußten.
Davor hatte ich am wenigsten Angst. Auch wenn ich mir nichts hatte anmerken lassen, waren mir doch eine ganze Menge wohlvertrauter Gesichter aufgefallen. Ich kannte diese Kumpane, - die meisten ordentlichen Menschen haben mich sicher bereits mit ihnen in einen Topf geworfen - die dort zwischen den Stühlen und Tischen hin- und herwanderten in der Hoffnung jemanden zu finden, bei dem sie sich niederlassen konnten. Bei so vielen Menschen war es möglich, ihnen aus dem Weg zu gehen, aber wenn wir ins Hotel mußten, war ich verloren. Die Nacht würde an der Bar und später in einem der Zimmer zugebracht werden. Unmengen von Bier und Whisky und kein Schlaf. Lustig, nicht wahr...
Bisher waren wir erst eine Stunde verspätet, es konnte also noch alles Mögliche geschehen. Aber sie waren immer sehr geizig mit ihren Informationen, deshalb wußten die Passagiere nur selten, warum sie nicht wie geplant abfliegen konnten.
Ansonsten hatte es auf allen Gebieten große Fortschritte gegeben. Die Fluggesellschaft, die diese Strecke bediente, seit sie den Isländern weggenommen worden war, hatte nicht länger das Monopol. Sie waren geflogen, wie es ihnen grade gefiel und hatten sich nicht darum gekümmert, ob es den Färöern paßte. Wenn denen das Fliegen nicht gefiel, war das ihr Problem. Es gab nur diese eine Flugroute.
Inzwischen gab es Konkurrenz, die Fluggesellschaft flog nunmehr sogar sonntags - das hatten sie früher nie gemacht - und vielleicht würde es ihr bald ergehen wie dem Milchboot der Meierei in Tórshavn. Als es als einziges die Fahrt in den Skálafjørður machte, fuhr es manchmal zweimal am Tag und manchmal nur einmal. Vor allem an den Tagen, an denen es viele Passagiere gab - Ostersamstag, Weihnachten - fuhr es nur einmal, und zwar um sieben Uhr morgens. Anders ließ es sich nicht machen. Als eine weitere Fähre nach Sundalagið hinzu kam und die Leute auch diesen Weg nehmen konnten, fuhren sie plötzlich drei- oder viermal täglich. Später, als Brücke und Tunnel gebaut wurden und man von Tórshavn bis nach Eysturoy fahren konnte, fuhren sie den ganzen Tag über jede zweite Stunde.
Es schien, als würde es im Flugverkehr die gleiche Entwicklung nehmen. Jetzt gab es eine Morgenmaschine, eine Nachmittagsmaschine und eine Abendmaschine. Ich muß zugeben, daß Konkurrenz nicht immer schlecht ist. So merkwürdig das auch klingen mag, so sind es sicher die Geschäftsmänner, die nicht meiner Meinung sein werden. Jetzt müssen sie ins traute Heim eilen, anstatt wie früher in den Kormoran und hinterher in die Kakadubar gehen zu können.
Ich mußte aufpassen, daß ich nicht den Zeitpunkt verpaßte, an dem der Flughafen zu einem “ruhigen Flughafen” wurde und nur noch Charterreisende durch den Lautsprecher aufgerufen wurden. Es ist schon früher passiert, daß Leute, die einen schweren Kopfvon der letzten Nacht hatten, das neue System vergaßen und fluchend wieder in die Stadt fahren mußten, um sich ein Zimmer für die Übernachtung zu suchen, während das Flugzeug mit leeren Plätzen seinen sonnenbeschienenen Weg über den Wolken bahnte.
Während wir hier warten und den “Kumpanen” aus dem Weg gehen, kann ich erzählen, wer ich bin. Mein Name ist Hannis Martinsson, und das sagt sicher kaum jemandem etwas. Vielleicht dämmert es einigen, ohne daß sie genau sagen können, weshalb.
Ich schreibe für verschiedene Zeitungen, alle möglichen Zeitungen, an die ich herankomme, und bei denen es ein wenig Kleingeld zu verdienen gibt. Vor allem in ausländischen Zeitungen schreibe ich über die Färöer und die färöischen Verhältnisse. Wohl in jedem zweiten dieser Hochglanzmagazine, die in den Flugzeugen in den nordischen Ländern verteilt werden, steht einer meiner Artikel. Ein guter Grund, für die Fluggesellschaften zu schreiben, besteht darin, daß man neben dem Honorar gratis fliegen kann. Natürlich in angemessenem Rahmen, aber wenn die Zusammenarbeit schon seit längerem besteht und Platz ist, kommt man immer mit. Ich bin viel auf diese Art und Weise gereist, und auch wenn seriöse Journalisten diese Form des Reisens “Hurentour” nennen, weil die Rechnung mit Freundschaft bezahlt werden muß, so kommt mir diese Möglichkeit gerade recht.
Ich bin also ein Freelance-Schreiber. Ich habe schon an verschiedenen Orten auf der Welt gewohnt, und augenblicklich habe ich eine Wohnung mitten in Kopenhagen. Der Gedanke, wieder nach Hause zu ziehen, ist mir mehr als einmal gekommen, jetzt, wo ich auf die 40 zugehe. Vielleicht sollte ich bei einer Zeitung oder beim Rundfunk arbeiten, aber es fällt mir schwer, zur Ruhe zu kommen. Ich habe nie eine Ausbildung abgeschlossen, aber mehrere halbfertig. Unter anderem auch die Journalistenausbildung.