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Die Whiskyflasche schaute mich nicht mehr so verlockend an. Es war nur noch wenig übrig, womit sie hätte locken können, und jetzt, wo der Abend schon etwas fortgeschritten war, waren wir miteinander vertraut geworden. Es war jedenfalls besser, mit ihr zu reden, als sich immer und immer wieder die gleichen Fragen zu stellen: Wer? Warum? Wie?

Es gab keine Antwort.

Was ging da vor sich? Die Fragen ließen mich nicht so einfach in Ruhe. Ich lehnte mich mit dem Glas in der Hand zurück. Was willst du? Was geht da vor sich? Was übersiehst du? Der Alkohol übernahm langsam das Steuer, so daß es im Kreis ging.

Du akzeptierst nicht, daß die Leute in großer Zahl um dich herum sterben. Nicht, daß die Welt für dich still stehen soll. Du weißt, daß alles, was still steht, stirbt, Leben ist Bewegung. Aber du willst nicht, daß die Menschen, die du kennst, und die dich gekannt haben oder die, die oftmals dasselbe wie du erlebt haben, mit denen du gemeinsame Erinnerungen hast, sterben. Das empfindest du wie einen Diebstahl, als würde jemand das Dasein schrumpfen lassen, eine systematische Amputation, und zum Schluß bist nur noch du übrig.

Vielleicht möchtest du ja doch, daß die Welt still steht?

Also, was sind denn das für Katastrophengedanken? Außerdem ist die Chance, daß du die Mehrheit überlebst, nicht besonders groß. Krebs oder ähnliches Teufelszeug haben dich sicher bereits geschafft, ehe deine Bekannten überhaupt die ersten Anzeichen des Alterns bemerkt haben.

Ich nahm einen großen Schluck.

Es ist unglaublich, wie sentimental man von Schnaps wird. Bevor ich es recht wußte, würden die Tränen fließen.

Es gab nur zwei Möglichkeiten, dem zu entkommen. Entweder schlafen oder in die Stadt gehen. Damit die Gefühle etwas Abstand gewinnen konnten.

Eine dritte Möglichkeit bestand darin, den Fernsehapparat anzuschalten. Ich versuchte diesen Mittelweg, aber nein, das Färöische Fernsehen sendete montags nicht. Auf dem Fußboden unter dem Fernsehapparat stand ein Videogerät, und ein paar Kassetten lagen auch herum. Sie waren nicht beschriftet. Ich nahm eine, schob sie in den Apparat und befand mich in einer finnischen Sendung über die Färöer.

Sie erwies sich schnell als ausgesprochen komisch, als ein färöischer Spezialist sich verschiedene färöische Mythen vorknöpfte: Die Färöer kann man als eine Nation von Fixern charakterisieren, die ihren Schuß von Dänemark benötigen, es wird für alle Arbeitsplätze so viel Unterstützung gezahlt, daß das Land faktisch eine große beschützte Werkstatt ist, die färöischen Alkoholiker sind Luxusalkoholiker, die zum Entzug nach Island geschickt werden, damit sie von vorn anfangen können, wenn sie zurückkommen. Ich saß da und brüllte vor Lachen, aber das lag vielleicht auch am Whisky?

Mild ist die färöische Sommernacht - Ein Färöer-Krimi

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