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Am hintersten Tisch, gleich neben dem Tresen, saßen vier Männer und spielten Schafskopf. Ihre Stimmen dröhnten durchs ganze Lokal, während die Personen selbst halbwegs im Zigarettenrauch verschwanden. Ich ging zur Bar und bestellte ein Bier. Drei von den vieren waren ungefähr in meinem Alter, und üblicherweise grüßten wir uns auf der Straße. Der vierte näherte sich den fünfzig, war etwas schwabbelig und hatte ungesunde Haut, schmale Schultern und einen breiten Hintern. Alles an ihm hing, auch die Falten in seinem Gesicht, sie waren tief und ähnelten den Gardinen in einem Rokokohaus. In das dünne, mausgraue Haar war reichlich Fett geschmiert worden. Er war ein bekannter Stänkerer. Einer von der nervigen Sorte, der nicht wieder aufhörte, und oft war von dicken Lügen die Rede.

“Na Alter, wo bist du gewesen?” fragte der Fünfzigjährige. “Hast wieder in Dingen rumgeschnüffelt, die dich gar nichts angehen, damit du die Zeitungen mit Klatsch und Tratsch voll kriegst?”

Die Bosheit schaute aus seinem lächelnden Gesicht hervor. “Nein. Ich war zu Hause bei deiner Frau.” Es war allgemein bekannt, daß sie öfters fremdging.

Er sprang auf, sein Gesicht wechselte die Farbe.

“Verdammt noch mal, ich schlag’ dich zusammen.”

Aber der Tisch war dazwischen, fest im Boden verschraubt, so daß er nicht an mich herankam.

“Halt’s Maul”, sagte einer der anderen. “Setz dich wieder hin, und hör auf, dich so aufzuregen, nur weil dich mal jemand ein bißchen neckt. Du bist auch nicht besser, also mußt du’s auch ertragen.”

Der Fünfzigjährige setzte sich, aber die Wut kochte weiter in ihm. “Kann schon sein. Aber der Scheißkerl ist doch keine fünf Öre wert. Nur weil er in irgend so einem Käseblatt schreibt, glaubt er, er ist was Besonderes.”

Er sah mich böse an, hob aber dennoch seine Karten wieder auf, die er auf den Tisch geworfen hatte. “Warte nur, mein feiner Freund, so leicht kommst du mir nicht davon”, zischte er, bevor er sich wieder den Karten widmete.

Ich drehte ihm den Rücken zu und ging in eine Ecke, in der der Clubwirt Harald allein saß und Zeitung las. Er ließ sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen, und wie ich ihn einschätzte, hatte er bei unserem Streit höchstens mal von der Zeitung hochgeschielt. Er hatte die Mitte Vierzig schon überschritten, war dunkelhaarig, schwer und breit und hatte gesunde rote Wangen. Er trug einen Färöerpullover, Gummistiefel und kam zweifellos gerade von seinem Boot.

“Es ist schon toll, wie gut du Leute aufstacheln kannst”, kam es bedächtig im nördlichen Dialekt von ihm. Er sah mich nicht an, während ich mich setzte, blätterte nur unkonzentriert in der Zeitung. Dann faltete er sie zusammen und warf sie auf einen Stuhl. “Da steht nichts Lesenswertes drin. Anstatt daß jede Partei eine eigene Zeitung hat, sollten sie gezwungen werden, zusammen eine Zeitung zu machen. Dann würden wir vielleicht eine kriegen, die zu etwas nütze ist.”

Er lehnte sich auf dem Sofa zurück, schaute zum Kartentisch hinüber und betrachtete mich mit lächelnden, blauen Augen. “Kümmer dich nicht um das Arschloch. Wenn es nach mir ginge, wäre er schon lange rausgeschmissen worden. Wenn er nur noch ein einziges Mal Krach macht, beantrage ich bei der Verwaltung, daß er Lokalverbot kriegt. Er hat genug Verwarnungen gehabt. Aber was bringt dich hierher? Das letzte, was ich gehört habe, war, daß du jetzt irgendwo im Süden wohnst.”

“Na ja, wohnen... Ich war ein paar Monate in Rom und habe versucht zu schreiben, aber beim Versuch ist es geblieben. Nein, weißt du, ich bin wie üblich nach Hause gekommen, um zu schreiben. Aber dann ist da noch Sonja.”

Ich erzählte ihm einiges davon, was ich erlebt hatte, und daß ich sicher war, daß an Sonjas und Hugos Tod etwas nicht stimmte. Als ich fertig war, saß Hugo für einen Augenblick in Gedanken, er war nicht der Typ, der sich schnell ereiferte. “Du sagst, die Polizei glaubt nicht, daß da was dran ist, es wäre Zufall, daß die beiden in so kurzer Zeit umgekommen sind.” Er machte eine Pause. “Natürlich ist das merkwürdig, aber erstmal würde ich der Polizei zustimmen. Du hast ja auch nichts gefunden, das irgend etwas beweist. Das da auf Sonjas Computer finde ich nicht so furchtbar spannend, wir wursteln alle immer mal wieder mit irgendwas herum, und wenn sie et was beschwipst bei der Zeitung gesessen hat, kann da alles Mögliche rauskommen. Daß du zweimal zusammengeschlagen worden bist, erscheint mir auch merkwürdig, aber die Verbrechen haben in Tórshavn enorm zugenommen, seit du weggezogen bist. Es ist schon möglich, daß irgend so ein Schlingel herausgefunden hat, daß Hugo tot ist und sich beeilt hat, sobald der Weg frei war.”

Ich versuchte zu protestieren und fragte Harald, wer mich denn gestern abend niedergeschlagen hatte. Wo das Geld herkam. Er murmelte zustimmend, meinte aber, es gäbe dafür bestimmt eine Erklärung.

Ich holte uns noch zwei Bier und fragte Harald, ob er etwas über Sonja und Hugo wüßte, vor allem aus der letzten Zeit.

“Ich weiß nicht, was da sein sollte. Und so gut kannte ich Sonja ja auch nicht und Hugo genauso wenig. Sonja war meistens am Wochenende hier, sie suchte wie so viele andere einen Kerl. Doch...” er machte eine kleine Pause.

“Ich habe sie in Vágsbotnur gesehen. Sie rannte dauernd an Bord von diesem Schoner aus Paraguay. Du hast ihn bestimmt gesehen, er liegt am Kai, groß und weiß, ein zweimastiger Stahlschoner.” Ja, ich hatte ihn gesehen, wußte aber nicht, daß er aus Paraguay war. Warum war Sonja dauernd da hingerannt?

“Keine Ahnung. Vielleicht für eine Story fürs Bladet? Aber jetzt, wo ich drüber nachdenke, fällt mir auf, daß das Schiff in den Medien überhaupt nicht erwähnt worden ist. Merkwürdig, denn es ist jetzt schon fast zwei Monate hier, und hübsch und außergewöhnlich ist es auch. Es passiert nicht jedes Jahr, daß wir derartigen Besuch bekommen. Aber die Scheißzeitungen kennen wohl nicht deren Besuchszeiten...”

“Was ist das denn für ein Schiff, was machen die hier?”

“Genaugenommen habe ich keine Ahnung, was die hier tun. Oder was für Leute an Bord sind. Ich habe versucht, ein bißchen herumzuschnüffeln, aber die jungen Kerle an Bord sind äußerst unfreundlich und reden nur spanisch. Jedenfalls kriegt man kein englisches Wort aus ihnen heraus. Und versucht man einfach, an Bord zu gehen, um sich mal umzugucken, versperren sie einem sofort die Gangway. Freundlichkeit strahlen sie nicht gerade aus. Ich habe zwei ältere Männer gesehen, aber die zeigen sich nur selten. Kommen mal an Deck und rauchen eine Zigarre. Nur der eine ist in seltenen Fällen mal an Land, er ist freundlich und entgegenkommend, kann ein wenig englisch und sagt, sie seien Sportangler. Das hat er zumindest mir gesagt, als ich ihm auf dem Weg in die Stadtgefolgt bin. Immer lächelnd und liebenswert war er. Aber unter die Oberfläche bin ich nicht gekommen.”

“Glaubst du denn, daß sie hergekommen sind, um hier Forellen zu angeln?”

“Aus Südamerika? Bist du blöd? Ich habe noch nie einen von ihnen mit einer Angelrute gesehen. Du weißt, daß ich tagsüber meistens frei habe und oft unten in Vágsbotnur herumstreune, das Boot leerpumpe, die Lästerbank besuche, mit den Leuten rede. Aber ich habe noch nie jemanden von ihnen etwas tun sehen, was nur im mindesten mit Angeln zu tun haben könnte. Nein, das ist reine Phantasie.”

“Was machen sie dann? Werfen sie nie die Leinen los und fahren mal rum?”

“Doch, ab und zu sind sie Richtung Norden gefahren. Wohin, wissen die Götter. Nein wirklich, es ist etwas Unheimliches an dem Schoner.”

“Du hast niemand außer Sonja an Bord gehen sehen?”

“Jetzt, wo du fragst - ich habe einmal den Fischereidirektor unserer Landesverwaltung an Bord gehen sehen. Weißt du, der, der aussieht wie ein rumänischer Hühnerdieb. Aber das war neben Sonja auch der einzige.” Harald lächelte ein leicht spöttisches Lächeln.

“Andererseits wohne ich nicht in Vágsbotnur, also...”

“Du hast gerade ein paar unfreundliche junge Männer erwähnt. Wer sind die?”

“Die Mannschaft, nehme ich an, aber sie sehen eher wie Gorillas in Kriminalfilmen aus: groß, breitschultrig und abweisend.” Er nahm einen großen Schluck aus seinem Bierglas. “Aber laß uns von was anderem reden, von was Lustigerem.” Er klang ungeduldig.

“Augenblick, nur noch ein Punkt. Du sagst, daß niemandem erlaubt wird, an Bord zu gehen, Sonja aber ununterbrochen dort war. Wie hängt das zusammen?”

“Keine Ahnung.” Harald stand auf. “Was trinkst du, Gold oder gewöhnlich?” Ich antwortete, das wäre mir gleich, und er ging zur Bar, um aufzutanken.

An diesem Abend bekam ich nicht mehr aus Harald heraus. Er war des Spiels müde, und vermutlich hatte er auch nicht mehr viel zu erzählen. Ich wollte am nächsten Morgen mal selbst da unten nachschauen.

Mild ist die färöische Sommernacht - Ein Färöer-Krimi

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