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10. Kapitel Eine liebliche Erinnerung aus Palermo

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Ein ähnliches Erlebnis wie das im vorigen Kapitel hatte ich schon einmal einige Jahre vorher in Italien.

Während ich in diesem Zauberlande herumreiste, kam ich auch eines Tages nach Sizilien.

Ich zog gleich nach der Hauptstadt, dem wunderschönen Palermo, und hielt mich da einige Tage auf.

Ich wohnte dort bei Freunden in einem sehr schönen Gymnasium mitten in der Stadt.

Am zweiten Tag meines dortigen Aufenthaltes kam der Vorsteher der Anstalt auf mein Zimmer und sagte: „Unten im Sprechzimmer ist ein Besuch für Sie.“

„Und wer ist der Besucher?“ fragte ich.

„Es ist ein kleiner zwölfjähriger Junge aus der Stadt. Er und seine Eltern und Geschwister haben Ihre Bücher gelesen und wünschen nun den Nonni zu sehen.“

Der Vorsteher führte mich die Treppe hinunter in einen Gang und zeigte mir dort die Tür des Sprechzimmers, indem er sagte: „Bitte klopfen Sie dort an.“ Dann verließ er mich.

Ich ging hin und klopfte.

Eine Knabenstimme lud mich ein, einzutreten.

Ich öffnete die Tür und trat ein.

Auf einem Stuhl, nah beim Tisch, saß der junge Besucher. — Ich grüßte ihn.

Er stand auf und erwiderte höflich meinen Gruß.

Dann setzte er sich wieder und tat, wie wenn er nichts mit mir zu tun habe.

Ich wunderte mich nicht wenig über seine Teilnahmslosigkeit.

Dann schob ich einen Stuhl zum Tische hin und nahm auch selber dort stillschweigend Platz.

Der junge Besucher verblieb stumm und tat, wie wenn ich nicht da wäre.

Nach einigen Augenblicken redete ich ihn freundlich an, indem ich ihm auf französisch sagte: „Kleiner Freund, ich bin hierher gekommen, weil man mir gesagt hat, du hättest nach mir verlangt und wolltest mit mir sprechen.“

Der Kleine schaute mich verwundert an und sagte: „Mein Herr, das muß ein Mißverständnis sein. Ich habe nach dem Nonni verlangt. Nur mit ihm wollte ich sprechen.“

Jetzt mußte ich aber lächeln, denn da war auch wirklich irgendein eigenartiges Mißverständnis vorhanden … Ich wandte mich wieder zu dem Jungen und sagte: „Aber wer ist dieser Nonni, nach dem du verlangt hast?“

„Das ist der Junge aus Island, der die Geschichte von ‚Nonni und Manni‘ geschrieben hat. Ich habe gehört, daß er nach Palermo gekommen sei und hier im Kolleg wohne.“

„Ja das habe ich auch gehört, und ich weiß, daß es wahr ist. Der Nonni ist wirklich nach Palermo gekommen, und er wohnt hier im Hause … Und du möchtest ihn sehen?“

„Ja, mein Herr, das wünsche ich sehr.“

„Wenn du ihn aber sehen würdest, glaubst du, daß du ihn dann leicht auch erkennen könntest?“

„O ja, denn sein Bild steht in dem Buch ‚Nonni und Manni‘.“

Der kleine Italiener meinte also augenscheinlich, daß die italienische Übersetzung meines Buches „Nonni und Manni “ ein neues Buch sei und daß Nonni als kleiner zwölfjähriger Junge, dessen Bild im Buche zu sehen war, es geschrieben habe.

Nach seiner Auffassung mußte Nonni jetzt also ein kleiner etwa zwölfjähriger Junge sein.

Von dieser irrigen Überzeugung mußte ich ihn nun zu befreien suchen.

Zu diesem Zweck stellte ich ihm die Frage: „Wann ist aber die Geschichte von ‚Nonni und Manni‘ passiert?“

„Ich weiß es nicht genau“, erwiderte der kleine Italiener, „aber ich glaube, daß sie vor kurzer Zeit passiert ist.“

„Dann wäre ja der Nonni noch ein kleiner Junge.“

„Ja, mein Herr, das habe ich auch immer angenommen, und das muß er auch sicher sein.“

Jetzt sagte ich ihm: „Mein lieber Freund, wenn ich dir nun aber sagen würde, daß die Geschichte von ‚Nonni und Manni vor mehr als fünfzig Jahren stattgefunden hat, was würdest du nun sagen?“

Der Junge machte große Augen. Er dachte einige Augenblicke nach. Dann sagte er:

„Aber, mein Herr, es ist unmöglich, daß das Buch so alt ist, denn es ist in diesem Jahre herausgekommen. Es ist also ganz neu, und das Bild von Nonni steht da drin. Und dort sieht er aus wie ein Junge“.

„Kleiner Freund“, erwiderte ich ihm, „das italienische Buch ‚Nonni und Manni‘, wovon du sprichst, ist nur eine Übersetzung des Buches, welches Nonni vor, vielen Jahren geschrieben hat. — Und jetzt will ich dir noch etwas anderes sagen: nicht der junge Nonni, sondern der alte Nonni ist jetzt hier in diesem Hause. Ja, du hast ihn sogar schon gesehen und auch mit ihm gesprochen.“

Jetzt konnte das Staunen des kleinen Jungen keine Grenzen mehr … Er wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte.

Er schaute mich eine kleine Weile mit weitgeöffneten Augen an …

Dann endlich sagte er: „Und wo ist der Nonni jetzt?“

Ich schaute den kleinen Italiener freundlich an und sagte dann, indem ich jedes Wort deutlich und langsam aussprach:

„Er ist jetzt hier … in diesem Zimmer … Und er sitzt jetzt neben dir auf einem Stuhl … Ja, mein guter kleiner Freund … der alte Mann, der jetzt mit dir spricht, das ist der Nonni selber.“

Jetzt saß mein kleiner Freund sprachlos und ganz überwältigt da.

Es war mir nicht schwer, mich in seinen Seelenzustand hineinzudenken. —

Den jungen Nonni, den er in sein Herz eingeschlossen, dessen Jugendbild er in seiner Phantasie lange aufbewahrt, und an welches er sich gewöhnt hatte, den konnte ich, der alte, wirkliche Nonni, nicht mehr so leicht ersetzen …

Doch bald erholte sich der gute kleine Junge von seiner gewaltigen Überraschung und tiefen Bewegung.

Und es kam bald ein ungezwungenes, herzliches Zwiegespräch zwischen uns in Gang.

Zum Schluß sagte er mir noch: „Da ich Sie nun schließlich gefunden und erkannt habe, so müssen Sie mir noch versprechen, einen Besuch bei uns zu machen, denn sowohl ‚mamma mia‘ wie auch ‚sorella mia‘ haben beide die Geschichte von ‚Nonni und Manni‘ gelesen, und beide würden eine sehr große Freude haben, den Nonni selber kennen zu lernen.“

Der gewünschte Besuch bei der „Mamma“ und der „Sorella“ wurde mit Freuden versprochen, und nachdem wir noch eine kleine Weile miteinander geplaudert hatten, schieden wir als gute Freunde.

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