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4. Kapitel Bei Thomas Cook. — ln Lebensgefahr
ОглавлениеJetzt war also alles klipp und klar. Der wundervolle Traum meiner Kindheit und meines ganzen Lebens sollte nach einem Jahr zur Wirklichkeit werden.
Man wird begreifen, wie glücklich ich mich fühlte.
Wie viel Schönes, Neues und Ungewöhnliches sollte ich nicht auf dieser ungeheuer langen Fahrt zu sehen bekommen!
Danach hatte ich mich ja schon als Siebenjähriger so sehr gesehnt, und jetzt endlich wurde es mir in meinem achtzigsten Lebensjahre möglich gemacht.
Die unermeßlichen Weltmeere und neue — mir gänzlich unbekannte Länder sollte ich durchqueren! Auch mit schwarzen, braunen und gelben Menschen sollte ich Bekanntschaft machen! Ihre eigenartigen Sitten und Gebräuche sehen! Ihre mir wildfremden Sprachen sollte ich hören.…
Welch eine märchenhafte Reise würde das nicht sein!
Großer Gott! Welch ein eigenartiges Gefühl, wenn ich daran dachte, daß ich nach wenigen Monaten auf der entgegengesetzten Seite der Erdkugel sein würde!
Trotz meiner achtzig Jahre fühlte ich mich immer noch jung, und ich freute mich wie ein Kind auf alles, was da kommen sollte.
Ich hatte gut Zeit, meine Fahrt um die Welt vorzubereiten. Um aber Fehler in der Festlegung meiner Reiseroute zu vermeiden, riet mir ein guter Freund, mich in eines der großen Weltreisebureaus des Herrn Thomas Cook zu begeben, und dort um Rat zu fragen.
Sofort begab ich mich zu Cook — ich befand mich damals in Wien — und legte ihm meine Reisepläne auseinander.
„Sie wollen also eine Reise um die Erde machen?“ fragte Herr Cook.
„Ja, mein Herr, eine Reise, ungefähr wie die des Herrn Jules Verne. Aber sie soll nicht nur achtzig Tage dauern, sondern viel länger. Ich will mich nämlich in den verschiedenen Städten und Ländern, durch welche ich reisen werde, etwas umsehen.“
„Ich verstehe“, sagte Herr Cook. „Das wird sich alles sehr leicht machen lassen.“
Herr Cook schlug dann einen vorläufigen Reiseplan vor, der aber nach Belieben geändert werden konnte.
„Ich würde Ihnen raten“, fuhr Herr Cook fort, „die Reise von England aus anzufangen. Sie nehmen in Southampton einen der großen englischen Amerikadampfer und fahren über das Atlantische Meer bis New York. Von New York reisen Sie dann durch Kanada und die Vereinigten Staaten Nord-Amerikas bis nach Kalifornien. Von Kalifornien fahren prachtvolle japanische Dampfer über den Pazifik, das Stille Meer, nach Yokohama in Japan.
Die Rückreise können Sie dann am besten wieder mit einem der ausgezeichneten japanischen Dampfer machen, die den Dienst zwischen Asien und Europa besorgen. Die Fahrt geht an China vorbei, dann an Indien, Arabien, Afrika, Ägypten, Palästina, Griechenland etc.
Über alles das können wir noch gelegentlich sprechen und alle Einzelheiten einrichten, wie Sie es nur wünschen.“
Herr Cook fügte noch hinzu: „Wenn Sie auf der langen Reise Rat und Hilfe von mir wünschen sollten, brauchen Sie nur ein paar Worte an mich zu schreiben oder zu drahten. Ich werde Ihnen dann immer und überall, wo Sie sich auch befinden möchten, sehr gern zu Diensten sein.“
„Übrigens“, fuhr Herr Cook noch fort, „in den meisten Großstädten der verschiedenen Länder haben wir Kontore und Niederlassungen. — Sie werden dort immer willkommen sein.“
Zum Schluß gab er mir noch die lange Liste aller Geschäftshäuser von Cook in der ganzen Welt und lud mich noch einmal ein, mich jedesmal dorthin zu wenden, wenn ich in Not wäre.
So schien die zukünftige Reise immer sicherer, bequemer und angenehmer werden zu wollen. Sie war nun auch bald in jeder Beziehung vorbereitet. Ich selber aber war noch nicht ganz frei, denn die Liebhaber meiner Nonnibücher hatten mich dringend zu Vorträgen in verschiedenen europäischen Ländern eingeladen — und ich hatte mich schon vor langer Zeit verpflichtet, diesen Einladungen Folge zu leisten.
Fast ein Jahr lang mußte ich fortwährend herumreisen, um in unzähligen großen und kleinen Städten die versprochenen Vorträge zu halten. Oft in großen Sälen vor Tausenden von Zuhörern, oft in Internaten und Schulhäusern vor zappeligen Jungen und Mädchen, und zu meiner großen Freude manchesmal im Freien, wie bei der Bergpredigt, ja sogar ans Mikrophon hatte man mich gerufen, wo ich allerdings nie so recht warm wurde, weil ich lebendige Menschen und strahlende Gesichter um mich haben mußte, wenn ich erzählen sollte.
Da aber auf einmal geschah etwas Schreckliches! Es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel!
Ich wurde nämlich von einem derartig schweren Schicksalsschlag getroffen, daß meine Weltreise und alle meine Pläne samt und sonders in Frage gestellt wurden …!
Und was war das?
Mitten in meiner anstrengenden Arbeit, während ich mich in der glänzenden Hauptstadt Österreichs aufhielt und in den dortigen zahlreichen Vereinen, Kollegien und Gymnasien täglich Vorträge hielt, wurde ich plötzlich in Folge von Überanstrengung von einer schweren Krankheit aufs Krankenlager geworfen.
Sofort wurde ein tüchtiger Arzt gerufen. — Nachdem er mich auf das sorgfältigste untersucht hatte, erklärte er, der Fall sei äußerst ernst! Ja, man müsse sogar jede Hoffnung auf Genesung fahren lassen …!
Ich war also in aller Form aufgegeben!
Statt der großen Reise um die Erde herum — stand mir nun also plötzlich eine ungleich größere Reise bevor, die Reise nämlich in die andere Welt.…
Von dem Urteil des Arztes wurde mir natürlich damals nichts gesagt. Erst später erfuhr ich, in welcher Gefahr ich geschwebt hatte. —
Doch, was geschah nun?
Nachdem ich mehrere Wochen schwerkrank und in ständiger Todesgefahr auf einem Krankenlager gelegen hatte, trat auf einmal unverhofft und gegen jede Voraussicht eine solche Besserung ein, daß von da an keine Rede mehr von Todesgefahr sein konnte. — Ich war gerettet, meine Weltreise auch … und meine große Reise in die Ewigkeit war auf unbestimmte Zeit verschoben.