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14. Kapitel Im Flugzeug hoch über den Wolken
ОглавлениеAls wir nach einer schnellen Fahrt den berühmten Flugplatz Le Bourget erreichten, stiegen wir aus und begaben uns mit unserem Gepäck nach dem Flugzeug.
Es trug den schönen Namen „Golden Ray“ auf englisch, auf französisch „Rayon d’or“, und lag noch unbeweglich, aber flugbereit draußen auf der Flugbahn.
Eine Treppe führte hinauf zur Eingangstür des Flugzeuges. Ich bat meinen kleinen Reisegefährten, vor mir hinaufzusteigen. Dann schloß ich mich ihm an.
Oben kamen wir in einen schmalen Gang. An beiden Seiten waren kleine, aber sehr schön eingerichtete Kabinen. In jeder Kabine stand ein schmaler Tisch aus glänzend poliertem, rot-braunem Mahagoniholz. Und daneben zwei Lehnstühle mit schweren, dunkelroten Sammetkissen.
Alles sehr eng, aber überaus bequem eingerichtet. In jeder Kabine war ein Fenster an der Außenwand des Flugzeuges, so daß jeder Reisende von seinem Sitz hinaussehen konnte.
Man hatte einen überraschend freien Blick nach allen Seiten und ganz besonders auch hinunter zur Erde oder zum Meere, was die Reisenden wohl am meisten schätzten.
Wir besetzten sofort eine dieser Seitenkabinen und warteten nun in größter Spannung auf das Zeichen zur Abfahrt!
Es dauerte nicht sehr lange, da auf einmal fing der gewaltige Riesenvogel zu zittern an.… Das Zittern ging bald über in ein mächtiges Schütteln … Die großen Luftschrauben links und rechts kamen immer stärker in Bewegung.
Das Summen und Zittern wurde immer gewaltiger …, ja so gewaltig, daß kein Gespräch mehr möglich war. Wollte man einander etwas sagen, mußte man aus Leibeskräften schreien.
Nun kam ein Augenblick, wo das Geräusch und die Bewegung ganz plötzlich anschwollen. Ein Getöse, ein Gepolter, ein Dröhnen sondergleichen …
Das Zittern des ganzen Flugzeuges wurde geradezu schauerlich … Ein heftiger Ruck, und polternd humpelte der Riesenvogel über den Boden dahin. Die Stöße und Erschütterungen folgten so rasch aufeinander und wurden so heftig, daß man sich auf den Sitzen festhalten mußte. Gleich darauf fing er an, sich von der Erde zu lösen, stieß aber doch noch das eine oder das andere Mal unsanft gegen den Boden, bis es ihm schließlich gelang, sich endgültig in die Lüfte zu erheben.
Dort aber hörten nun sofort alle Stöße und Erschütterungen auf, denn jetzt schwebten wir frei in der klaren Luft — der eigentliche Flug hatte begonnen.
Durch das Fenster sahen wir deutlich, wie rasch wir vorankamen und an Höhe gewannen.
Die Erde trat immer weiter zurück, die Berge wurden kleiner und die Täler enger.
Von Erdbewohnern wurden wir jetzt plötzlich zu Bewohnern der Lüfte. Der unermeßliche Himmelsraum wurde jetzt unser Element … Dort schwammen wir wie der Fisch im Wasser.
Alles, was unten auf der Erde war, wurde von Sekunde zu Sekunde winziger und unbedeutender. Selbst das weit ausgedehnte Häusermeer von Paris entzog sich allmählich unseren Blicken. Schließlich sahen alle die herrlichen Paläste und Großbauten der Riesenstadt aus wie ein großer Baukasten.
Der Flug war nun im vollen Gang.
Bald verschwand die französische Hauptstadt in der Ferne.
Mit Blitzeseile flogen wir hoch droben über dem französischen Lande dahin. Es wurde still um uns. Hier oben herrschte erhabene Ruhe. Keine Stöße, keine harten Laute mehr, — nur gleichmäßiges starkes Summen, so stark und so laut, daß man seine eigene Stimme nicht hören konnte — auch wenn man mit voller Kraft rief.
Ein Gespräch war unmöglich.
Wir schauten oft zur Erde hinunter: da lag das französische Land unter uns.
Wir sahen das offene, flache Land, die weitausgedehnten fruchtbaren Ebenen, die großen Wälder. Auch Flüsse, Städte, auch große und kleine Dörfer.
Aber es war ganz anders, als wir es uns gedacht hatten. Das flache Land der fruchtbaren französischen Ebenen zeigte sich uns, wie wenn es in kleine längliche oder viereckige Flächen zerstückelt wäre. Es waren aber die riesengroßen Felder der französischen Großbauern. Dazwischen zeigten sich uns auch große, bedeutende Wälder, aber von dieser Höhe her gesehen konnte man meinen, es wären lauter kleine Baumgruppen.
Bedeutende Kanäle und Flüsse erschienen wie dünne Silberstreifen. Und überall herum sahen wir winzig kleine Striche und Linien wie Schnüre oder Bänder ausgespannt von einem Punkt zum anderen. Das waren die breiten Wege, die Landstraßen und Chausseen Nordfrankreichs …! Menschen, Pferde, Wagen waren kaum erkennbar; sie schwanden ein zu dunklen Pünktchen …
So saßen wir denn da und betrachteten das seltsame Panorama unter uns. Der uniformierte Diener des Flugzeuges kam ab und zu mit Speisekarten und bot uns Erfrischungen an. — Wir bestellten eine Tasse Milch für jeden und genossen diese Kleinigkeit, während wir mit rasender Geschwindigkeit durch die Lüfte eilten.
Auf einmal aber geschah etwas Neues und Überraschendes: Bis jetzt hatten wir strahlenden Sonnenschein gehabt, warme Luft und, wie es uns schien, vollständige Windstille.
Auf einmal wurde es kühler und weniger hell.
Ich streckte mich nach dem Fensterchen hin, untersuchte den Himmelsraum um uns herum und entdeckte in einer größeren Entfernung vor uns etwas ganz Merkwürdiges: es sah aus wie eine ungeheuer große, dunkle, ja fast schwarze Wand …!
Diese geheimnisvolle Wand reichte nach unten bis zur Erde hin. Sie erstreckte sich aber auch nach oben bis hoch hinauf in den Himmelsraum. Links und rechts schien sie sich auch sehr weit auszudehnen.
Ich rief den kleinen Engländer.
„James, was kann wohl diese merkwürdige Wand bedeuten?“
James kam an das Fenster, beobachtete die eigentümliche Erscheinung und sagte: „It’s Rain, Storm, bad weather and nothing else, Sir.“ (Es ist Regen, Sturm, schlechtes Wetter, sonst nichts, mein Herr.)
Der kleine Engländer war ganz anders an das Fliegen gewöhnt als ich.
Unterdessen kamen wir der dunklen Wand immer näher. Schon erreichten wir sie … Da aber geschah etwas Erstaunliches.
Plötzlich, in der Zeit von wenigen Sekunden, wurden wir von einer finsteren Macht gepackt und aus Wärme und Sonnenschein mitten in eine Welt von Nacht, Sturm und Regen hineingeschleudert.
Das Flugzeug, welches bis dahin so ruhig durch die linden Lüfte geschwebt hatte, wurde jetzt so stark vom Sturm ergriffen und geschüttelt, daß es anfing, sich höchst bedenklich bald nach links, bald nach rechts zu neigen, und zwar so sehr, daß wir uns in unserer Kabine nicht mehr im Gleichgewicht halten konnten.
Wir mußten uns an den Tisch festklammern, um nicht umgeworfen zu werden!
Ja, der Sturm war so gewaltig, daß die Lenker unseres Flugzeuges es nicht wagten, weiter in dieses unheimliche Unwetter hineinzudringen. Sie verließen den bisherigen Kurs und kehrten in einem großen Bogen um, damit wir schleunigst aus der gefährlichen Gewitterwolke wieder herauskommen könnten.
Es dauerte nicht lange, da schoß unser fliegendes Fahrzeug auf einmal wieder aus dem Platzregen und der Finsternis heraus, um seinen Flug in der stillen, sonnigen und warmen Luft von vorher fortzusetzen.
Wir bewunderten dieses Manöver, das uns aus der dunklen Wolke, die aus lauter Unwetter bestand, befreit hatte.
Jetzt machten wir zwar einen großen Umweg um die Wolke herum, dafür blieben wir aber im goldenen Sonnenschein und in der warmen Luft und konnten unsere Reise bis zum Ende im schönsten Sommerwetter durchführen.
Gern hätte ich mit meinem kleinen Reisegefährten während unseres abenteuerlichen Fluges geplaudert. Aber die Motoren hatten es so schwer, gegen den Sturm aufzukommen, und mußte derart stöhnen, daß wir uns nur durch Zeichen verständigen konnten.
Nun, da es wieder ruhiger geworden war, schauten wir aus dem Fenster, um die nordfranzösische Landschaft zu betrachten.
Aber wie wurden wir überrascht! Die französische Landschaft war spurlos verschwunden. Da war überhaupt kein Land mehr zu sehen. Statt dessen nur die grünblaue Meeresfläche.
Wir befanden uns über dem sogenannten Ärmelkanal, den die Franzosen „La Manche“ nennen.
Die Wasserfläche glänzte im herrlichen Sonnenschein wie Gold und Silber.
Zahlreiche große und kleine Dampfschiffe kreuzten im Kanal. Wir beobachteten dieses herrliche Spiel dort drunten und ahnten nicht, welch merkwürdige Veränderung sich unterdessen um uns hier oben vollzog.