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3 Die private Krankenversicherung 3.1 Grundprinzipien im Vergleich zur gesetzlichen Krankenversicherung
ОглавлениеDie private Krankenversicherung (PKV) folgt anderen Organisationsprinzipien als die GKV. Im Gegensatz zur GKV sind die Träger der PKV Privatunternehmen, zumeist in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG). Ihr Bestreben ist es, im Interesse ihrer Aktionäre einen Gewinn zu erzielen.
Die Beiträge bzw. Prämien zur PKV werden unabhängig vom Einkommen des Versicherten erhoben, ihre Höhe orientiert sich an dessen persönlichem Risiko. Je älter ein Kunde beim Abschluss eines privaten Versicherungsvertrages (= Police, aus dem Griech.: Nachweis, Vertrag) ist, desto höher fällt seine Prämie aus, da mit dem Alter die Ausgaben für medizinische Leistungen ansteigen. Menschen mit Vorerkrankungen und Chroniker zahlen höhere Beiträge als gleichaltrige Versicherte ohne zusätzliche Risiken. Man spricht vom Äquivalenzprinzip (aus dem Lat.: äquivalent = gleichwertig), wenn, wie es bei der Finanzierung der PKV der Fall ist, die eingezahlten Beiträge in etwa den Leistungsausgaben je Versichertem entsprechen. Den Gegenpol zum Äquivalenzprinzip bildet das Solidar - oder Leistungsfähigkeitsprinzip der GKV. Hier werden die Beiträge – allerdings nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze – in Abhängigkeit von der ökonomischen Leistungsfähigkeit des Versicherten, gemessen an seinem Einkommen, erhoben.
Wer sich in jungen Jahren privat versichert, zahlt zu seiner normalen Prämie gleichzeitig einen Zuschlag für sein im Alter ansteigendes Krankheitsrisiko mit. Im Alter wird der angesammelte Betrag dann aufgebraucht ( Abb. 7). Im Umlageverfahren der Sozialversicherung gibt es solche Altersrückstellungen bzw., wie es auch genannt wird, das Kapitaldeckungsverfahren nicht (seit 2015 mit Ausnahme der Pflegeversicherung).
Angenommen, jemand tritt mit 30 Jahren in die private Krankenversicherung ein: Sein Beitrag wird dann so kalkuliert, dass er nicht aufgrund seines fortschreitenden Alters steigen muss. In jungen Jahren sind im Durchschnitt über alle Versicherten gerechnet, die Leistungsausgaben niedriger als bei älteren Versicherten. Die Prämie für junge Versicherungseinsteiger wird jedoch so kalkuliert, dass sie die durchschnittlichen Leistungsausgaben Junger übersteigt. Aus der Differenz zwischen Prämie und Leistungsausgaben werden Rückstellungen für das Alter gebildet. Das PKV-Unternehmen legt die Altersrückstellungen am Kapitalmarkt verzinslich an. Mit zunehmendem Alter gleichen sich Leistungsausgaben und Prämie an, bis schließlich die Prämie nicht mehr ausreicht, die Leistungsausgaben zu decken. Dann beginnt die Auflösung der angesparten Altersrückstellungen. Die Abbildung verdeutlicht auch, dass die Prämie umso höher zu kalkulieren ist, je später im Leben man einen privaten Krankenversicherungsvertrag abschließt. Die Zeit zum Ansparen der nötigen Altersrückstellungen ist dann kürzer und muss durch eine höhere Ansparsumme, die Prämie eben, ausgeglichen werden.
Abb. 7: Ausgleich von Leistungsausgaben und Altersrückstellungen durch die PKV-Prämie
Möchte ein Privatversicherter den Versicherer wechseln, so kann er seine bisher angesparten Altersrückstellungen nicht mitnehmen, es gibt keine im Fachjargon sogenannte Portabilität (Übertragbarkeit, aus dem Lat.: portare = tragen) der Altersrückstellungen. Wer als Privatversicherter den Anbieter wechselt, wäre gezwungen, in der neuen Versicherung mit einer höheren Prämie einzusteigen. Da dies so gut wie niemand tut, gibt es in der PKV Wettbewerb nur um Neukunden und nicht um bereits Versicherte. In der GKV dagegen gibt es beide Varianten des Wettbewerbs.
Der in Abbildung 7 dargestellte Ausgabenverlauf muss selbstverständlich nicht für jeden 30-Jährigen gelten, der eine private Versicherungspolice erwirbt. So sind Einzelfälle überdurchschnittlich gesunder Versicherter denkbar, bei denen erst in höherem Alter die Leistungsausgaben die Prämie übersteigen. Ebenso gibt es Versicherte, die z. B. in jungen Jahren einen Unfall oder eine schwere Krankheit erleiden und deren Prämie deshalb bereits früh die Leistungsausgaben erreicht. Wichtig ist für die Prämienkalkulation nur, dass sich die Häufigkeiten der beiden als Beispiel genannten Fälle in etwa die Waage halten. In gewissem Maße kommen dann die überdurchschnittlich Gesunden für die überdurchschnittlich Kranken mit auf. Versicherungen funktionieren nur für eine große Zahl von Menschen, denn nur wenn es eine ausreichende Anzahl von Versicherten gibt, lassen sich zuverlässig Durchschnittswerte, wie in der Abbildung dargestellt, berechnen.
Wie Abbildung 7 zeigt, steigt die Prämie nicht an, wenn der Versicherte älter wird. Selbstverständlich wird sie jedoch aus anderen Gründen erhöht ( Abb. 7). Die Prämie steigt, wenn durch medizinisch-technischen Fortschritt Behandlungen teurer werden, sie steigt auch, wenn die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen der Privatversicherten zunimmt. Tatsächlich liegen die Ausgabensteigerungen der PKV, vor allem in den Bereichen ambulante Behandlung und Arzneimittel, weit über jenen der GKV. Abhängig ist die Prämienhöhe auch von der Lage am Kapitalmarkt. Herrscht eine Niedrigzinsphase, dann werfen die Rückstellungen weniger Renditen ab und die PKV-Unternehmen müssen höhere Prämien kalkulieren.
Anders als Krankenkassen können private Krankenversicherungsunternehmen den Vertragsabschluss verweigern, weil das Risiko des Versicherungsnachfragers zu hoch ist; sie unterliegen also nicht dem Kontrahierungszwang ( Tab. 13). Ebenso kann die PKV die Behandlung von Vorerkrankungen aus dem Versicherungsvertrag ausnehmen, wenn ihr das Risiko zu hoch erscheint. Diese Möglichkeiten bestehen für den Basistarif ( Kap. II 3.3) jedoch nicht.
Tab. 13: Kennzeichen der PKV und der GKV im Vergleich
PKVGKV
Die PKV kennt die beitragsfreie Mitversicherung der Familie nicht. Für jedes Familienmitglied ist eine eigene Police abzuschließen und eine Prämie zu entrichten, wiederum je nach individuellem Risiko.
Bei privaten Versicherungsverträgen besteht Wahlfreiheit der Entscheidung über die Versicherungsdeckung. Ein Privatversicherter kann die Art und die Höhe der Selbstbeteiligung nach seinen individuellen Bedürfnissen wählen. So kann man eine Police ohne Selbstbeteiligung mit entsprechend hoher Prämie erwerben, umgekehrt ist es möglich, die monatliche Belastung durch die Prämie geringer zu halten und dafür im Krankheitsfall eine hohe Eigenbeteiligung zu leisten. Ebenso kann sich der Privatversicherte für Beitragsrückerstattung entscheiden. In diesem Falle zahlt die Versicherung, wenn keine Leistungen in Anspruch genommen wurden, Beiträge an den Versicherten zurück. (In engeren Grenzen ist dies auch gesetzlich Versicherten möglich, Kap. II 2.5.1) Einem Privatversicherten steht es zudem frei, Leistungen, z. B. Zahnimplantate, Chefarztbehandlung etc., in die Versicherung aufzunehmen oder nicht.
Was die Art der Leistungsgewährung durch die Versicherung betrifft, so hat der gesetzlich Versicherte größere Wahlfreiheit: In der PKV werden Versicherungsleistungen ausschließlich als Kostenerstattung erbracht, während ein gesetzlich Krankenversicherter zwischen Sachleistung und Kostenerstattung auswählen kann. Privat Versicherte erhalten medizinische Leistungen gegen Rechnung, die sie an ihre Versicherung weiterleiten. Nach Maßgabe des vom Versicherten gewählten Selbstbehalts erstattet die Versicherung die Kosten der Behandlung; der Versicherte überweist dem Leistungserbringer den Rechnungsbetrag (Ausnahmen von diesem Vorgehen sind im Fall einer Krankenhausbehandlung möglich; hier kann auch direkt zwischen Privatversicherung und Krankenhaus abgerechnet werden).
Alle genannten Kennzeichen der PKV zeigen vor allem eines: Im Gegensatz zur GKV gilt in der PKV das Solidarprinzip nur sehr eingeschränkt. Zwar ist es auch in der PKV möglich netto zum Leistungsempfänger zu werden, also in der Summe mehr Leistungen zu erhalten als man Beiträge bezahlt hat. In gewissem Umfang findet also auch hier eine Umverteilung zwischen Gesunden und Kranken statt. Im Vergleich zur GKV ist diese aber stark eingeschränkt, weil die Beitragshöhe des Privatversicherten von seinem Krankheitsrisiko bei Vertragsabschluss abhängt.
Solidarität zwischen mehr und weniger einkommensstarken Versicherten kennt die PKV nicht; in der GKV wird zwischen arm und reich umverteilt, allerdings nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Umverteilungswirkungen zwischen Kinderlosen und Kinderreichen, wie in der GKV mit ihrer beitragsfreien Familienversicherung, entfallen in der PKV völlig.