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Tillandsia sprengeliana.

Bromelien und ihre Saugschuppen von Luft und Liebe

DR. HILKE STEINECKE

Ananasgewächse sind Freunden tropischer Früchte wohlvertraut. Sie werden auch Bromeliengewächse (Bromeliaceae) genannt. Die artenreiche Pflanzenfamilie umfasst geschätzt etwa 2000 Arten aus rund 60 verschiedenen Gattungen. Am bekanntesten ist vermutlich die Ananas (Ananas comosus) mit ihren delikaten Früchten (eigentlich Fruchtstände, sogenannte Überbeeren), die mittlerweile in großen Mengen an jeder Obsttheke preiswert zu bekommen sind. Manche Bromelie eignet sich aber auch als Zimmerpflanze für die heimische Fensterbank. Bromelien, die sich als gängige Zierpflanzen etabliert haben, sind zum Beispiel Vriesea-Arten, wobei Vriesea splendens (Flammendes Schwert) besonders beliebt ist. Auch Billbergien (zum Beispiel Billbergia macrocalyx, deren Blütenstand attraktive rote Hochblätter trägt) oder verschiedene Tillandsien und Guzmania- sowie Aechmea-Arten zieren unsere Wohnzimmer.

Manche Bromelien bleiben mit wenigen Zentimetern Höhe sehr klein, während robuste Puya-Arten im blühenden Zustand bis 10 Meter hoch werden können. Bromelien sind sehr anpassungsfähig und besiedeln verschiedenste Lebensräume von trockenen Savannen oder Halbwüsten bis hin zu feuchten Tieflandregen- und Nebelwäldern. Sie stammen aus der Neuen Welt, also aus Nord-, Mittel- und Südamerika. Zahlreiche Arten sind im Amazonasgebiet zu finden. Typisch für die meisten Bromelien ist ein stark gestauchter Spross mit rosettig angeordneten Blättern, die einen Blatttrichter bilden. Ein Teil der Arten lebt auf dem Boden. Von diesen wiederum wurzeln manche in der Erde, andere besiedeln nackten Fels. Etwa die Hälfte der Bromelienarten lebt als Aufsitzerpflanzen (Epiphyten) auf anderen Pflanzen, zum Beispiel in Astgabeln von großen Bäumen, in Trockengebieten auch auf größeren Kakteen. Bromelien stellen nach den Orchideen die meisten Epiphyten. Dabei handelt es sich keinesfalls um Parasiten. Die Trägerpflanzen dienen den Bromelien nur dazu, ohne Ausbildung eines Stammes an mehr Sonnenlicht zu kommen.

Bromelien als Aufsitzerpflanzen

Epiphytische Bromelien aus dem Regenwald haben grüne, dabei oft hell-dunkel gemusterte Blätter. Ananasgewächse aus Trockengebieten dagegen sind überwiegend silbergrau gefärbt. Beispiele für Letztere sind die sogenannten grauen Tillandsien. Als Zierpflanzen kommen sie häufig auf Steine geklebt oder an knorrige Aststücke gebunden in den Handel. Gerade bei den Arten, die auf nacktem Fels oder auf Bäumen leben, sind die Wurzeln nur relativ schwach entwickelt, schließlich ist an ihrem Wuchsort kaum Erde vorhanden, und dementsprechend rar sind hier auch Wasser und Nährsalze. Soweit Wurzeln vorhanden sind, dienen sie der Verankerung. Doch wie schaffen es solche Epiphyten, sich an ihren extremen Standorten ausreichend mit dem lebensnotwendigen Wasser und mit Nährsalzen zu versorgen?

Einzigartige Saugschuppen

Bromelienblätter haben eine einzigartige Oberfläche bzw. eine geniale wasserleitende Verpackung, mit der sie Wasser und darin gelöste Nährsalze aufnehmen können. Auf der Außenhaut befinden sich sogenannte Saugschuppen, die zur Wasseraufnahme befähigt sind. Der Begriff wurde von dem österreichischen Botaniker Gottlieb Johann Friedrich Haberlandt (1854–1945) geprägt. Solch hoch spezialisierte Saugschuppen wie bei den Bromelien gibt es bei keiner anderen Pflanzenfamilie. Saugschuppen sind mehrzellige Haare. Von oben gesehen wirken sie stern- bis scheibenförmig. Im Querschnitt durch ein Bromelienblatt ist bei mikroskopischer Betrachtung zu erkennen, dass Saugschuppen in die Blattoberfläche eingesenkt sind und aus einem stiel- sowie einem deckelförmigen Bereich bestehen. In der Mitte des Deckels befinden sich ein bis vier zentrale Zellen. Diese sind umgeben von zwei Lagen aus jeweils 8 bzw. 16 Zellen. Bei den am kompliziertesten gebauten Saugschuppen der Tillandsien besteht ein zusätzlicher äußerer Zellkreis aus 64 flügelförmigen, schmalen Zellen. Die Wände der Zellen im Schild sind relativ dick. Dadurch werden die Zellen stabilisiert. Während die meist flügelartig ausgezogenen Zellen des Deckels tot und luftgefüllt sind, leben die Stielzellen, die Chlorophyll enthalten. Trifft nun Feuchtigkeit auf die Saugschuppen, wird das Wasser mittels Kapillarkräften in Sekunden aufgenommen und die zuvor grau und abgestorben erscheinende Pflanze wird schlagartig grün. Durch diesen einfachen Test kann man auch im Gartencenter die Vitalität der angebotenen Tillandsien überprüfen. Bleibt die Pflanze beim Befeuchten grau, so handelt es sich um eine Pflanze, die kurz vor dem Absterben oder bereits tot ist. Das Wasser wird von den lebenden Zellen des Stiels aufgesaugt und von Zelle zu Zelle immer weiter nach innen weitergeleitet, sodass es schließlich über Leitbündel verteilt und von der Pflanze genutzt werden kann.

Wie komplex Saugschuppen gebaut bzw. wie sie auf der Pflanze verteilt sind, hängt vom Spezialisierungsgrad, der Lebensweise und dem Standort der Art ab. Erdbewohnende Bromelien mit gut ausgebildetem Wurzelwerk können Wasser und Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen. Bei terrestrischen Vertretern wie Hechtia- und Dyckia-Arten (diese werden auch im Zierpflanzenhandel angeboten) mit einem gut entwickelten Wurzelsystem sind die Saugschuppen deshalb reduziert. Bei Bromelien mit Blatttrichtern sammelt sich das an den Blättern nach einem Regen herablaufende Wasser in einer Art Zisterne und kann dort über die Blätter aufgenommen werden. Die Saugschuppen befinden sich bei solchen Arten vor allem dort, wo sich das Wasser im Innern des Blatttrichters sammelt, das heißt, sie sind vermehrt auf der Oberseite der verbreiterten basalen Blattbereiche anzutreffen. Saugschuppen sind nicht immer gleichmäßig über die Blätter verteilt. Das grau-grüne Streifenmuster auf den Blättern beispielsweise von Billbergia zebrina ist auf eine unterschiedlich dichte Verteilung von Saugschuppen zurückzuführen.


Tillandsia usneoides, Saugschuppen unter dem Rasterelektronenmikroskop.


Tillandsia usneoides.


Bromelien auf Fels.


Tillandsia usneoides, einzelne Saugschuppen unter dem Rasterelektronenmikroskop.


Tillandsia usneoides, Saugschuppen in Aufsicht in starker Vergrößerung.


Tillandsia tectorum.

Graue Tillandsien – Überlebenskünstler in luftiger Höhe

Graue epiphytisch lebende Bromelien bilden meist keine deutlichen Blatttrichter aus, sie nehmen die benötigte Feuchtigkeit direkt aus Regen, dichtem Nebel und nächtlichem Tau auf, wenn die Pflanze benetzt ist. Zimmerbromelien sollten deshalb regelmäßig mit Wasser besprüht werden. Die Blätter der grauen Tillandsien sind auf beiden Seiten dicht mit Saugschuppen besetzt. Ihre Struktur kann bereits mit einer stärkeren Lupe erkannt werden. Das von Nordamerika bis in den Süden Südamerikas weitverbreitete Louisiana- oder Spanische Moos (Tillandsia usneoides) ist ein Beispiel für eine epiphytisch lebende Bromelie ohne Blatttrichter. Ausgewachsene Individuen haben keine Wurzeln. Vom Habitus her erinnert diese Tillandsie an Bartflechten (Usnea). Sie siedelt sogar auf Überlandleitungen und scheint nur „von Luft und Liebe“ zu leben. Ihre schmalen Blätter und Sprossachsen sind fast pelzartig mit einer Schicht aus Saugschuppen verpackt. Derartige Tillandsien kommen mit sehr wenigen Nährstoffen aus, eine Tatsache, die auch in der Kultur von Bedeutung ist. So sollten Tillandsien in Kultur nur selten mit einem stark verdünnten Orchideendünger versorgt werden. Auch gibt es speziellen Bromeliendünger, der über die Blätter aufgenommen wird.

Außer der Wasserversorgung dient dieser Überzug aus Saugschuppen als Verdunstungs-, Hitze- und Sonnenschutz. Die ganze Pflanze wirkt im trockenen Zustand silbrigweiß. An den Saugschuppen wird das gesamte Licht reflektiert, ähnlich wie auch bei Schnee und weißen Schimmelpilzen. Sind die Saugschuppen mit Wasser gefüllt, schimmert das grüne Blattgewebe durch.

Gut verpackt mit Spanischem Moos

Tillandsia usneoides zeigt nicht nur eine geniale Verpackung ihres Sprosses zur effektiven Wasseraufnahme, sie diente früher auch selbst als Verpackungsmaterial. Vor der Einführung von Plastikchips war die häufige Pflanze ideal dafür geeignet, Kisten mit zerbrechlichem Inhalt auszukleiden. Auch Sofas und Matratzen wurden mit Spanischem Moos ausgepolstert. Wegen der Gefahr, dass sich dort auch Insekten wie lästige Wanzen einquartieren, ist man mittlerweile von diesem Polstermaterial abgewichen. Für Vögel aber bleibt Tillandsia usneoides ideales Baumaterial zum Auskleiden ihrer Nester. Auch Vögel, die nicht in der Heimat dieser Bromelie leben, sind lernfähig. So verwenden Amseln, die regelmäßig im Gewächshaus des Frankfurter Palmengartens nisten und munter durch die Lüftungen ein- und ausfliegen, gelegentlich Spanisches Moos für die Auskleidung ihrer Nester. Das Spanische Moos stibitzen sie im Bromelienhaus.

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