Читать книгу Genial geschützt! - Johanna Kiefer - Страница 40

Vom Brüten, Werden und Schlüpfen

Оглавление

Ist ein Ei erst einmal gelegt, gibt es Vogelarten, die sofort mit der Brut beginnen und solche, die damit warten, bis das Gelege vollständig ist. Bei der ersten Gruppe schlüpfen die Küken daher mit zeitlichem Abstand, die der zweiten Gruppe eher gleichzeitig.

Doch betrachten wir zunächst die Brut und die Entwicklungsvorgänge im Ei. In einem befruchteten Ei entwickelt sich der Embryo nur bei ausreichend hoher Temperatur, welche durch die Körperwärme des Altvogels beim Brüten gegeben wird. Da das Federkleid eines Vogels jedoch eine hervorragende Wärmeisolierung darstellt, hat die Evolution bei den meisten Vogelarten einen geschickten Weg hervorgebracht, diese zu umgehen: den Brutfleck. Brutflecken sind kleingefiederfreie Stellen am Unterbauch des brütenden Elternteils, an denen die Haut besonders gut durchblutet und somit warm ist. Der brütende Vogel fungiert quasi als große Heizdecke. Bei den meisten Vogelarten fallen die Federn am Brutfleck hormonell gesteuert aus, wobei die Hormonausschüttung durch den Beginn der Nestbauaktivität bzw. durch die Stimulation durch den Partner angestoßen wird. Enten und Gänse hingegen rupfen sich aktiv ihre Feder am Brutfleck aus und polstern damit sogar ihre Nester aus.

Die Frage wer brütet wird in der Klasse der Vögel nicht einheitlich beantwortet. Mal brütet nur das Weibchen (zum Beispiel bei Entenvögeln), mal das Männchen (wie bei den in Australien und Neuguinea beheimateten Kasuaren), bei wieder anderen gibt es diverse Mischformen der Brut vom Wechsel in Tagesund Nachtschichten (wie bei der nordamerikanischen Carolinataube) bis hin zu kooperativer Brutpflege oder gar „wilden Kommunen“ (zum Beispiel bei der Heckenbraunelle).

Bei der Brut kommt auch der Vorteil der rundlichen Eiform zum Tragen. Wie jeder Vogelzüchter weiß, müssen Eier beim Bebrüten regelmäßig gedreht werden, damit möglichst viele gesunde Küken schlüpfen. Brütende Vögel drehen ihre Eier ganz instinktiv, was bei rundlichen Formen relativ einfach zu bewerkstelligen ist. Der Sinn des Drehens liegt darin begründet, dass durch das regelmäßige Rotieren das Ei gleichmäßig erwärmt wird und die Eihäute nicht verkleben, was eine gesunde Entwicklung des Embryos ermöglicht.

Die Eihäute – oder extraembryonale Membranen – werden vom Embryo ausgebildet, befinden sich aber außerhalb von ihm. Sie heißen Amnion, Dottersack, Allantois und Chorion. Als Amnion wird die innere Embryohülle bezeichnet. Sie umschließt die flüssigkeitsgefüllte Amnionhöhle, in der der Embryo schwimmt, und schützt ihn somit vor dem Austrocknen und vor Schäden durch Erschütterungen wie eine Art Stoßdämpfer. Die zweite Membran, der Dottersack, umwächst den Dotter. Der Dottersack ist mit einem feinen, dichten Blutgefäßnetz durchzogen, welches die nach und nach dem Dotter entzogenen Nährstoffe zum Embryo befördert.


Ein Vogelembryo im Ei. Der Embryo ist durch das Amnion (dunkles Gelb) in der Amnionhöhle geschützt. Der mit Blutgefäßen durchzogene Dottersack (gelb) ist über dem Embryo eingezeichnet. Die Allantois (orange) und das Chorion (rosa) fungieren als Atmungsorgan.

Die ebenfalls stark von Blutgefäßen durchzogene Allantois übernimmt zwei Funktionen. Zum einen fungiert sie als Speicherort für bestimmte Stoffwechselendprodukte (maßgeblich Harnsäure) wie eine Art Müllsack. Zum anderen und vor allem dient sie zusammen mit dem Chorion, der äußeren Embryonalhülle, der Atmung des Embryos. Solange der heranwachsende Embryo nicht in der Lage ist, per Lunge zu atmen, stellen diese beiden Membranen also das Atmungsorgan. Der Gasaustausch verläuft an den Membranen über Diffusion. Das bedeutet, dass die Zufallsbewegungen der Gasteilchen aufgrund ihrer Ungleichverteilung (zum Beispiel viel Sauerstoff außen, wenig innen) einen Nettotransport der Teilchen in den Bereich verursachen, der weniger Teilchen enthält. So verlässt das Kohlenstoffdioxid das Eiinnere nach und nach, während Sauerstoff hineingelangt.

Im letzten Fünftel der Brutzeit wird die Atmung schließlich auf Lungenatmung umgestellt. Kurz zuvor hat sich der Embryo so gedreht, dass sein Kopf auf der stumpfen Seite des Eis zum Liegen kommt. An diesem Ende befindet sich auch die Luftkammer, die sich wegen des Wasserverlusts durch das Brüten bzw. durch die Wärme auf bis zu einem Viertel des Eiinnenraumes ausgedehnt hat.

Dem Embryo wächst in der Folge der Eizahn am Oberschnabel (eher selten am Unterschnabel wie bei Spechten) aus Kalk heran, der zunächst zum Durchstoßen der Membranen dient. Außerdem treiben die Lungen die Flüssigkeit heraus und die Chorio-Allantois gibt ihr Blut an den Embryokörper zurück. Durch das Durchstoßen der Membranen wird schließlich erstmals Luft erreicht, der heranwachsende Vogel nimmt seinen ersten Atemzug.


Dieses Hühnerküken hat sich bald aus seinem Ei befreit.

Ist diese Umstellung komplett, beginnt das Schlüpfen. Ein Schlüpfmuskel zwischen Hinterkopf und Wirbelsäule sorgt für das Anheben des Kopfes, wodurch der Eizahn gegen die Eierschale gepresst wird. Diese ist im Entwicklungsverlauf geschwächt worden. Der Grund dafür liegt in einer Art Recyclingprozess, bei dem durch das Atmungskohlendioxid Kalk aus der Schale gelöst und zum Knochenaufbau des Embryos genutzt wurde. Die nun dünnere Schale kann so beim Kontakt mit dem Eizahn leichter angebrochen werden. Beim Schlüpfvorgang dreht sich der Jungvogel außerdem um seine eigene Achse, sodass eine Eikappe kreisförmig angeknackst wird. Das weitere Schlüpfen wird für das Küken sogar noch anstrengender, da es nun in einem wahren Befreiungsakt mit heftigen Bewegungen und starkem Treten mit den Beinen die Eierschale aufbrechen muss.

Bei manchen Vogelarten wie dem Wellensittich hilft der Altvogel dem Küken bei seinem erschöpfenden Kampf und bearbeitet die Eierschale vorsichtig mit dem Schnabel. Der Schlüpfvorgang kann je nach Vogelart insgesamt wenige Stunden bis hin zu mehreren Tagen dauern, wobei das Küken immer wieder Entspannungspausen einlegen muss. Schließlich gibt auch die beste Verpackung den Geist auf, das Küken ist befreit und kann sein Leben beginnen.

Genial geschützt!

Подняться наверх