Читать книгу Genial geschützt! - Johanna Kiefer - Страница 39
Bunte Skulpturen
ОглавлениеTrotz des extrem ähnlichen Eieraufbaus bei allen Vogelarten gibt es doch einige äußerliche Unterschiede zwischen den Eiern in Bezug auf Größe, Form und Farbe. Dass kleine Vögel kleine Eier legen und große Vögel große Eier, überrascht dabei voraussichtlich niemanden. Setzt man jedoch Eigewicht und Vogelgewicht in Relation, stellt man fest, dass kleinere Vögel relativ zu ihrem Eigengewicht die größeren Eier legen. Der absolute Rekordhalter hierbei ist der Kiwi, dessen Eier bis zu 30 Prozent des Körpergewichts des Weibchens erreichen. Wäre dies beim Menschen der Fall, brächte eine 60 Kilogramm schwere Frau ein 18 Kilogramm schweres Kind zur Welt.
Ein Beispiel für die Farbenvielfalt in Vogelnestern – ein Wanderdrosselgelege im Nest.
Eine wichtige Rolle im Zusammenspiel des Eis mit dessen Umwelt spielt die Eiform. In Bezug auf das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen erweist sich die Kugelform als Ideal, was den Materialverbrauch angeht. Sie gewährleistet das größtmögliche Volumen bei möglichst geringer Oberfläche. Auch der auf das Ei wirkende Druck ist bei der Kugelform am gleichmäßigsten verteilt, was die Stabilität erhöht. In der Tat legen viele Vögel Eier, die der Kugelform relativ nahekommen, so etwa die Papageien, Eulen und diverse Singvögel. Wer (fast) kugelförmige Eier legt, der baut jedoch auch tiefe Nester oder gehört zu den Höhlenbrütern, sodass ein Wegrollen der Eier nicht möglich ist. Vögel, die jedoch flache Nester bauen oder an etwas herausfordernden Orten brüten, können sich das nicht erlauben. Die Trottellummen beispielsweise brüten in Felswänden an Klippen. Runde Eier wären dort schnell ein trauriger Fleck am Boden. Deshalb legen Trottellummen kegelförmige Eier, die an einem Ende sehr spitz zulaufen. Kommt ein solches Ei ins Rollen, dreht es nur einen sehr kleinen Kreis und liegt wieder sicher. Die Kegelform erweist sich außerdem als platzsparend. Liegen vier kegelförmige Eier mit den Spitzen zueinander zusammen, nehmen sie weniger Fläche ein, als es runde Eier täten – ein Vorteil, den sich unter anderem Brachvögel zunutze machen, um möglichst viele Eier bebrüten zu können. Man sieht, dass es im Zusammenspiel mit den Anforderungen der Umwelt viele verschiedene Eiformen gibt. Vogeleierkundige, die Oologen, unterscheiden sogar zwölf Eiformen (zum Beispiel elliptisch, kugelrund, walzig oder kegelförmig).
Ein dritter Punkt zur Unterscheidung von Eiern ist die Farbe. Vögel sind die Einzigen im Tierreich, die ihre Eier „bemalen“. Wenngleich nur zwei Farbstoffe beteiligt sind, vermögen sie es dennoch, die ganze Farbpalette zu nutzen. Haben Eier eine Grundfärbung handelt es sich um das blau-grüne Pigment Biliverdin, welches direkt beim Bau der Eierschale mit eingebaut wird. Wanderdrosseln legen beispielsweise vollständig blaue Eier.
Manche Vogelarten versehen ihre Eier zusätzlich mit Mustern aus dem rötlich-braunen Pigment Protoporphyrin, welches von speziellen Drüsen in der Eileiterwand abgegeben wird. Je nachdem wie sich das Ei gerade auf seiner Wanderung beim Reifungsprozess bewegt, entsteht ein Punkt, ein gerader Strich oder ein Schnörkel. So legen Amseln Eier mit blau-grüner Grundfärbung und bräunlichem Punktemuster.
Wieder andere Vogelarten wie das Huhn, Papageien, Eulen und Co. begnügen sich mit weißen Eiern. Die Frage nach der Ursache für diese vermeintlich ästhetischen Präferenzen ist schnell in der Lebens- bzw. Nistweise der jeweiligen Vogelart gefunden. Höhlenbrüter wie Papageien müssen ihre Eier nicht großartig tarnen, um sie vor Fressfeinden zu schützen. Ist jedoch ein gut zugängliches Nest gebaut oder wird sogar ohne Nest gebrütet, gilt es, das Gelege möglichst gut zu tarnen, damit es keinem hungrigen „Passanten“ auffällt.
Neben Fressfeinden bedrohen auch Brutparasiten oft den ungeschlüpften Nachwuchs, darunter der berüchtigte Kuckuck. Wenn sich der Kuckuck ein Nest ausgesucht hat, dessen Besitzer ihre Eier gut von anderen unterscheiden können, so muss er sein Kuckucksei möglichst ähnlich färben. Anderenfalls wird es ohne große Bedenken von den ungewollten Adoptiveltern aus dem Nest befördert. Daraus ergibt sich ein Anpassungsdruck, der zu verschiedenen Spezialisten unter den Kuckucken geführt hat, die sich im Aussehen ihrer Eier jeweils hervorragend an das der Eier der Wirtsart angepasst haben.
Ein anderer Grund für die Eierfärbung findet sich bei Koloniebrütern wie den Trottellummen. Wenn dicht an dicht gebrütet wird, wird es zur Herausforderung, das eigene Ei wiederzufinden. Daher variieren die Eier in ihrer Färbung hier sehr stark, sodass jedes Ei möglichst individuell gefärbt und so zu erkennen ist.
Einer Studie aus Oxford zufolge dient die Eierfärbung außerdem der Stabilität des Eis. Die Studienergebnisse legen nahe, dass Kalziummangel durch vermehrte Farbstoffeinlagerungen in die Eierschale begleitet wird, die die Elastizität und somit Stabilität der sonst zu brüchigen Eier erhöhen.