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Eine Köcherfliegenlarve mit einem Köcher aus Muscheln und Schnecken.

Baukünstlerin Köcherfliegenlarve – Architektur im Schlepptau

CHRISTIAN OFFER

Wenn es in der Natur eine Verpackung gibt, die ihren Namen verdient, so ist es sicherlich der Köcher der Köcherfliegenlarve. Auch wenn die Kenntnis dieser Behausung nicht unbedingt zum Allgemeinwissen gehört, so ist die kreative und gleichzeitig überaus zweckdienliche Konstruktion des Köchers eine der meist erwähnten architektonischen Leistungen eines Tieres.

Für die Köcherfliegenlarve selbst geht es beim Bau ihres Köchers um nichts anderes als das blanke Überleben in einem lebensfeindlichen Habitat. Denn in den Tümpeln, Seen und Flüssen, in die die erwachsenen Fliegen ihre Eier legen, wimmelt es nur so von potenziellen Fressfeinden, die sich gerne eine der nährstoffreichen Larven einverleiben würden. Wer allerdings einmal versucht hat, die Vorderbeine oder das Köpfchen einer Köcherfliegenlarve zu greifen, um das Tier aus seinem kunstvoll gestalteten Haus zu ziehen, weiß, dass die Tiere sich einen Hochsicherheitstrakt für den Schutz des empfindlichen Larvenkörpers errichtet haben.

Tarnung und Stabilität

Die Sicherheitsmaßnahmen der Köcherfliegenlarve fangen schon damit an, dass ihr Köcher auf dem Grund eines Sees oder eines Baches für die räuberisch lebenden Tiere kaum zu erkennen ist, da er aus dem Material der Umgebung wie Steinchen oder Wasserpflanzenstücken hergestellt wird. Aber damit längst nicht genug; die Schutzröhren der Köcherfliegenlarve sind extrem stabil, bruchfest und verwindungssteif. Dies liegt in erster Linie an der Beschaffenheit des gewählten Baumaterials: Es sind vornehmlich Steinchen oder kurze, stabile Pflanzenfaserstücke, die zum Einsatz kommen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Bauweise selbst: Die Larven produzieren eine Spinnseide, die dem Faden eines Spinnennetzes in Zusammensetzung und Eigenschaften sehr ähnlich ist und die gleiche Zusammensetzung aufweist wie die Kokonseide der Schmetterlinge. Die Spinnseide hält die Elemente des Köchers sehr fest zusammen, ohne ihn brüchig zu machen. Ganz im Gegenteil: Der Köcher wird durch die Spinnfäden elastisch, sodass er selbst bei starker mechanischer Beanspruchung (zum Beispiel durch den beherzten Biss eines Fisches) wieder in seine ursprüngliche Form zurückschnellt.


Die Schutzhäuser der Köcherfliegenlarven sind architektonische Kleinode der Unterwasserwelt.


Ob Steinchen, kleinste Holzstücke oder Wasserpflanzenteile – für ihren Köcher verbaut die Köcherfliegenlarve fast alles, was Ihr am Grund des Gewässers begegnet.

Viele Arten – verschiedene Köcher

Köcherfliegen kommen weltweit mit über 13.000 Arten vor. Von ihnen leben aber nur etwa 400 in Mitteleuropa. Die Tiere sind entwicklungsgeschichtlich alt – es gab sie bereits vor über 115 Millionen Jahren.


Die Bauweise der Köcher ist Art-spezifisch; hier ein aus Schilfblatt-Teilen akkurat zusammen gesetzter „Schieferdach“-Köcher.

Die erwachsenen Tiere (Imagos) haben eine Flügelspannweite von bis zu 6,5 Zentimetern. Die Flügel der Köcherfliegen sind mehr oder weniger stark behaart, was sie von den Schmetterlingen mit ihren Schuppen unterscheidet. Die Larven haben starke Mandibeln, mit denen sie fest zubeißen können und dies auch tun. Die Köcher tragenden Arten haben am Hinterleib einen oder mehrere Höcker, mit denen sie den Köcher festhalten. Fransige Kiemen, die aus dem Hinterleib herausragen, unterstützen die Atmung bei vielen Arten.


Köcherfliegenlarven haben eine enorme Kraft in den Beinen und Beißwerkzeugen, so dass sie selbst Köcher transportieren können, die ein Vielfaches ihres Körpers wiegen.

Wie Libellen durchlaufen die Larven der Köcherfliegen mehrere Stadien, da sie sich bis zur Verpuppung fünf Mal häuten. Die Köcher der ersten Larvenstadien sind nur bis zirka einen Zentimeter kurz und bestehen aus relativ wild zusammengesetzten Pflanzenteilen. In den letzten Larvenstadien schließlich kann der Köcher bis zu fünf Zentimeter lang werden. Er ist jetzt sehr ordentlich verklebt und aus nahezu gleich großen und gleichförmigen Teilen aufgebaut.

Die Köcher der verschiedenen Gattungen haben eine unterschiedliche Architektur, aber immer werden Spinnfäden verwendet, um die Materialstückchen zusammenzufügen. Die Köcherfliegenlarven können alle Arten von Pflanzen und auch viele mineralische Teile für den Köcherbau verwenden. Die Form des Köchers ist für einige Familien und Arten hoch spezifisch. „So bauen beispielsweise die Glossosomatidae hoch gewölbte, kurze ‚Steinhäufchen‘ (wie ein Schildkrötenpanzer), die Beraeidae schmale, glatte gebogene Sandköcher, die Goeridae kurze gerade Köcher aus gröberen Steinchen, manche Lepidostomatidae vierkantige Köcher aus zurechtgeschnittenen Blattstückchen. Der Köcher von Thremma ist mützenförmig, der von Helicopsyche gewunden wie ein Schneckenhaus. Die Larven der Psychomyiidae bauen auf der Oberfläche von Steinen tunnelförmige, manchmal verzweigte Wohnröhren“ (www.hydro-kosmos.de). Die Köcher der Gattung Phryganea bestehen immer aus gleich langen Pflanzenteilen, die spiralförmig angeordnet werden.

Wachsen die Larven, fügen sie am Vorderende des Köchers neues Material an. Viele Arten beißen das Hinterende beim Wachsen regelmäßig ab. Die Larven verpuppen sich im Köcher. Mit ihren Mandibeln schneiden die Puppen den Kokon vor dem Schlupf auf. Nach etwa drei bis vier Wochen schwimmt die Puppe zur Wasseroberfläche, und die Imago schlüpft am Ufer, an Steinen oder Pflanzen fest gekrallt.

Die meisten Köcherfliegenlarven sind Bewohner der Fließgewässer, wo sie zu den wichtigsten und artenreichsten Bewohnern gehören. In Gebirgsbächen kommen oft bereits auf kurzen Strecken über 50 Arten vor. Köcherfliegenlarven fressen kleine Reste von Pflanzen und Tieren oder schaben den Algenbelag von Steinen ab. Einige Arten leben räuberisch.

Köcherfliegenlarven sind Anzeiger von guter Wasserqualität, die sie zum Leben brauchen. Frisch geschlüpfte Köcherfliege.


Frisch geschlüpfte Köcherfliege.

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