Читать книгу Bergbaukonflikte in Cajamarca, Peru, und gesellschaftlichpolitische Entwicklung - Josef Lustenberger - Страница 28

3.5 Konfliktforschung und normative Beurteilung

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Konfliktforschung befasst sich mit Forschungsgegenständen, die per se mit normativer Beurteilung verbunden sind. Dies ist umso stärker der Fall, wenn Leben, körperliche Unversehrtheit, wirtschaftliche Existenz, eine ausgeprägte materielle Ungleichheit und grosse Unsicherheit bezüglich der Fakten den Konflikt prägen. Betroffene beider Seiten berufen sich immer wieder auf Normen, die sie durch die andere Seite verletzt sehen.

Nicht von ungefähr stellt die Nichtregierungsorganisation GRUFIDES in den letzten Jahren immer stärker die Menschenrechte ins Zentrum ihrer Arbeit. Das Unternehmen Minera Yanacocha verweist auf ethische, rechtliche und kulturelle Normen, die es für sich als verbindlich erachtet.62

Für Konfliktforschende ist es anspruchsvoll, sich in diesem „vernormten“ Gelände zu bewegen. Das gilt vor allem im direkten Kontakt mit den Akteuren der Bergbaukonflikte vor, während und nach Expertinnen- und Experteninterviews. Es gilt aber auch in allen übrigen Arbeitsschritten meiner Forschungsarbeit.

Es ist daher wichtig, an dieser Stelle einige Fragen zu klären.

– Nehme ich im Konflikt eine Position ein? Ja. Ich habe diese Arbeit mit einer möglichst unabhängigen Haltung begonnen. Im Verlaufe der Nachforschungen habe ich mich der Position der Bergbaugegnerinnen und -gegner angenähert: Bergbau in den Cabeceras de cuenca, so wie ihn Minera Yanacocha seit 1993 betreibt und im Projekt Conga fortführen will, ist nicht zu verantworten. Die langfristigen ökologischen Risiken sind zu hoch. Zudem fehlt eine Partizipation der lokalen Bevölkerung, die diese Bezeichnung verdient. Das – in meiner Beurteilung zu hohe – ökologische Risiko betrifft die Menschen, die in den Einflussgebieten des Bergbaus leben. Sie haben die Kompetenz zu entscheiden, ob sie ein Bergbauprojekt erlauben und die damit einhergehenden Risiken eingehen. Die betroffene lokale Bevölkerung müsste einen solchen Entscheid zudem informiert und ohne wirtschaftlichen Druck fällen. Heute darf die betroffene Bevölkerung weder entscheiden (es gibt aber partizipative Ansätze), noch ist sie genügend informiert über den Bergbau und seine ökologischen Risiken. Dazu ist der wirtschaftliche Druck, den Bergbau zuzulassen, so hoch, dass ein Entscheid der lokalen Bevölkerung nicht mehr „frei“ ist.

– Welche Werte leiten mich bei der Arbeit? Ueli Mäder und Hector Schmassmann plädieren dafür, „Normativität als unabdingbare Voraussetzung sozialwissenschaftlichen Arbeitens anzuerkennen, sie jedoch stets sorgsam zu reflektieren und darzulegen“.63 Ich teile diesen Befund. Menschliches Handeln ist immer von Normen geprägt, bewussten und unbewussten. Das gilt auch für Wissenschaft allgemein und Sozialwissenschaft im Besonderen. Ich teile mit den Akteuren im Konflikt grundlegende Werte: Menschenrechte, das Recht auf Selbstbestimmung, Rechtsstaat, Solidarität, Fairness etc.

– Wie verhalte ich mich gegenüber den Akteuren, die eine ausgesprochen klare Position einnehmen? Bekenne ich mich zu einer bestimmten Position auch Vertreterinnen und Vertretern der Gegenposition gegenüber? Ich versuchte den Interviewpartnern in Cajamarca offen, empathisch und neutral zu begegnen. Dadurch wahrte ich eine Distanz, die erlaubte, sowohl bei Befürworterinnen und Befürwortern wie bei Gegnern des Bergbaus kritische Fragen zu stellen. Ich vermied es, eine dezidierte Position für oder gegen den Bergbau oder Minera Yanacocha einzunehmen.

– Welche Rolle spielen die Methode und die Diskussion der Methoden im normativen Kontext der Konfliktforschung? Die ausführliche Diskussion der Methode ist wichtig, um meine Erkenntnisse einzuordnen. Mein Betreuer Ueli Mäder hat das so gesagt: „Wie gehst Du vor, dass Du nicht einfach das herausfindest, was Du herausfinden wolltest?“64

37 Methode: auf einem Regelsystem aufbauendes Verfahren, das zur Erlangung von Erkenntnissen dient; methodisch: die Methode betreffend; Methodologie: Methodenlehre, Theorie der wissenschaftlichen Methoden; methodologisch: zur Methodenlehre gehörend

38 Duden. Das Grosse Fremdwörterbuch (2007)

39 Vgl. Atteslander (2008), S. 29–33

40 Dazu formuliere ich im Schluss Fragen, die es meiner Meinung nach wert sind, vertiefter behandelt zu werden.

41 Vgl. meine Darstellung der Konflikttheorie Simmels in Kapitel 4.2 Konflikte fördern Sozialisation, Georg Simmel.

42 Dies im Gegensatz zu einer relationsorientierten Erklärung; zur Differenzierung vgl. Gläser/Laudel (2010), S. 37/38. Die Begriffe Hypothese, hypothetisches Modell, Variable, Indikator erkläre ich nach Gläser/Laudel (2010), S. 77–90.

43 Gläser/Laudel (2010), S. 78–86 stellen differenzierte Überlegungen zum Begriff Variablen an.

44 Gläser/Laudel (2010), S. 79

45 Vgl. zu den verschiedenen Typen von Skalen Atteslander (2008)

46 Vgl. Gläser/Laudel (2010), S. 86

47 Gläser/Laudel (2010), S. 89

48 Dazu die Überlegungen zu verschiedenen Arten von Theorien in Unterkapitel 3.1 Theoretische Vorüberlegungen, S. 26

49 Gläser/Laudel (2010), S. 90–93

50 Vgl. zu den Interviewtypen Gläser/Laudel (2010), S. 41/42. Die Fragen des Leitfadens sind abgedruckt im Unterkapitel 16.5 Leitfaden für Interviews in Cajamarca.

51 Dazu Kapitel 8 Geschichte der Bergbaukonflikte mit Minera Yanacocha

52 Die Defensoría del Pueblo hat ihre Internetseite mehrmals reorganisiert und neu gestaltet. Alle monatlichen Berichte über soziale Konflikte in Peru sind am 29.12.2016 im pdf-Format verfügbar unter: www.defensoria.gob.pe/temas.php?des=3.

53 www.cooperaccion.org.pe/centro-de-documentacion/publicaciones/derechos-colectivos-e-iiees/1281-r0001, letztmals konsultiert am 28.07.2014

54 www.conflictosmineros.net/quienessomos, letztmals konsultiert am 28.07.2014

55 http://larepublica.pe, letztmals konsultiert am 29.12.2016

56 http://elcomercio.pe, letztmals konsultiert am 29.12.2016

57 Vgl. Gläser/Laudel (2010)

58 Vgl. Gläser/Laudel (2010), S. 204–206

59 Vgl. die Dokumentation der Auswertungsschritte im Anhang 16.3 Liste der Variablen u. 16.4 Definition der Variablen

60 Vgl. Gläser/Laudel (2010), S. 197–260

61 Das scheint mir vor allem eine Frage der Erfahrung zu sein. Die theoretische Vorarbeit, allen voran das feine Ausarbeitung des hypothetischen Modells, entscheidet darüber, ob die Kategorien der Extraktion in der Auswertung Darstellung den Kapiteln entsprechen.

62 In einer Kurzfassung auf: www.yanacocha.com/politicas-y-principios, letztmals konsultiert am 07.04.2016: „Yanacocha se rige por principios claves como:

– Ética, transparencia y respeto

– Prevención y mitigación de impactos

– Contribución al desarrollo social y económico

– Respeto a la normatividad vigente y los Derechos Humanos

– Preservación de los recursos ambientales y la diversidad cultural“

63 Vgl. den Aufsatz Mäder/Schmassmann (2013), zit. nach S. 189

64 Frei zitiert nach einem Gespräch mit Prof. Dr. Ueli Mäder am Montag, 15.02.2016

Bergbaukonflikte in Cajamarca, Peru, und gesellschaftlichpolitische Entwicklung

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