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4.4 Eskalationsstufen, Friedrich Glasl

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Friedrich Glasl untersucht Konflikte in Bezug auf ihre Eskalation.84 Die Beschreibung und Systematisierung des eskalativen Prozesses beruht dabei weniger auf einer zusammenhängenden Konflikttheorie, die ihrerseits wieder in einer umfassenderen Theorie der Gesellschaft eingebettet wäre. Die Arbeit von Glasl berücksichtigt verschiedenste Theorien der Gesellschaft, der Interaktion und des Konfliktes. Glasls „Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“ dient als Standardwerk für Praktikerinnen der Konfliktbearbeitung. Der Anspruch Glasls scheint mir vor allem ein praktischer zu sein: So soll das Eskalationsmodell erlauben, die angemessene Form der Konfliktbehandlung zu wählen und diese Methode optimal einzusetzen.

Konflikte sind charakterisiert durch eine Eskalationsdynamik. Fünf Basismechanismen85, die gekennzeichnet sind durch jeweils zwei paradoxe Faktoren, treiben diesen Prozess an:

1. „Zunehmende Projektion bei wachsender Selbstfrustration.“86 Einerseits sehen die Parteien die anderen zunehmend als Ursache der Probleme und projizieren Negatives auf die anderen. Andererseits sind beide Parteien zunehmend unzufrieden mit ihren eigenen Aktionen, die ungeplant, unbeherrscht oder irrational verlaufen.

2. „Ausweitung der strittigen Themen bei gleichzeitiger kognitiver Komplexitätsreduktion.“ Einerseits nimmt die Anzahl der Konfliktgegenstände zu, der Objekte, um die es in diesem Konflikt geht. Damit nehmen – überparteilich betrachtet – die Weite und die Komplexität des Konfliktes zu. Andererseits neigen beide Konfliktparteien dazu, die Komplexität zu vereinfachen.

3. „Wechselseitige Verflechtung von Ursachen und Wirkungen bei gleichzeitiger Simplifizierung der Kausalitätsbeziehungen.“ Die Konfliktparteien verwischen die Beziehung zwischen Ursachen und Wirkungen und damit auch zwischen objektiven und subjektiven Faktoren. Andererseits beschreiben die Parteien die Kausalitätszusammenhänge des Konfliktes stark vereinfacht.

4. „Ausweitung der sozialen Dimensionen bei gleichzeitiger Tendenz zum Personifizieren des Konfliktes.“ Einerseits beziehen die Parteien immer mehr Personen in den Konflikt ein, dies vor allem, um von diesen Personen Unterstützung der eigenen Partei zu erhalten. Andererseits personifizieren sie stärker. D. h. es sind nicht mehr die Sachverhalte oder Argumente der anderen Partei, die man als unvereinbar oder nicht akzeptabel empfindet, sondern die Person(en).

5. „Beschleunigung durch Bremsen.“ Einerseits versuchen die Parteien, durch Abschreckung und Androhungen die andere Partei zum Einlenken zu bewegen und so den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen. Andererseits rufen gerade diese Massnahmen schnelle und heftige Reaktionen hervor. Es gilt, den Vorsprung zu wahren oder mindestens nicht in den Rückstand zu kommen.

Konflikte unterliegen als Prozesse diesen fünf Mechanismen. Glasl differenziert nun zwischen verschiedenen Phasen.87 Er stellt die einzelnen Eskalationsphasen als abwärts führende Stufen dar, die dazu führen, dass sich die Parteien in Bereichen zunehmend destruktiver und „unmenschlicher“ Energien bewegen.

Schwellen markieren die Übergänge zwischen den einzelnen Eskalationsstufen. Die Eskalation erfolgt nicht fliessend, sondern wahrnehmbar in Schüben. Manchmal erfolgt der Schritt hinunter auf eine nächste Stufe aufgrund bewusster Überlegungen und Handlungen. Glasl betrachtet die Schwellen zwischen den Eskalationsstufen auch als Regressionsschwellen: Mit dem Schritt hinunter auf die nächste Stufe schränken sich die Parteien ein; Perzeption, Einstellungen, Intentionen und Verhalten entsprechen nicht mehr ihrem Potenzial, sondern einem tieferen Niveau.

Das Phasenmodell der Eskalation umfasst neun Stufen, die ich hier nicht im Detail beschreibe: Verhärtung – Debatte und Polemik – Taten statt Worte – Sorge um Image und Koalition – Gesichtsverlust – Drohstrategien – begrenzte Vernichtungsschläge – Zersplitterung – gemeinsam in den Abgrund. Mit dem Überschreiten der Regressionsschwellen ändern sich Wahrnehmung, Gefühle, Meinungen, Intentionen und Verhalten. Dies wirkt sich auch auf eine mögliche Lösung des Konfliktes und mögliche Interventionen aus. Hält Glasl auf den Stufen 1 bis 3 eine Win-win-Lösung88 für möglich, so steht auf den Stufen 4 bis 6 noch eine Win-lose-Lösung in Aussicht, auf den Stufen 7 bis 9 dann nur noch eine Lose-lose-Lösung.

Bergbaukonflikte in Cajamarca, Peru, und gesellschaftlichpolitische Entwicklung

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