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5.1 Jüngere historische Entwicklung Perus

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Die Konflikte rund um den Bergbau und die Bedeutung des Bergbaus in Peru heute sind nur im Kontext der jüngeren historischen Entwicklung zu verstehen. Deswegen skizziere ich diese im Folgenden.

Peru erlangte wie die anderen südamerikanischen Staaten zu Beginn des 19. Jh. die Unabhängigkeit.107 Am 28. Juli − dem heutigen Nationalfeiertag − 1821 deklarierte José San Martín die Unabhängigkeit der Republik Peru. Die neue Verfassung schrieb eine Demokratie mit präsidialer Regierungsform vor, die politische Gewalt war geteilt in Legislative, Exekutive und Judikative. Diese grundlegenden Merkmale zeichnen die Verfassungen Perus bis in die Gegenwart aus.

In den 1970er Jahren führten Intellektuelle in Peru eine heftige Debatte über die Staatsgründung.108 Das Land feiert traditionell die Unabhängigkeit Perus als Befreiungskampf des peruanischen Volkes − ganz im Sinne der Nationalhymne: „Wir sind frei, mögen wir es immer sein“109. Die dazu gehörende Erzählung lautet: Das Volk Perus erkämpfte sich zusammen mit den Armeen José San Martíns und Simón Bolívars die Freiheit. Am 28. Juli 1821 erklärte José San Martín die Unabhängigkeit von der spanischen Krone, Peru würdigt den Tag heute als Nationalfeiertag.

Die kritische historische Forschung widersprach der Vorstellung, dass die Peruanerinnen und Peruaner ihre Freiheit zusammen mit den Feldherren Martín und Bolívar erkämpft hätten, die mit ihren Armeen von Norden und Süden in das heutige Peru einmarschiert waren, um die letzten spanischen Truppen auf südamerikanischen Boden zu schlagen. Sie entlarvte den heldenhaften Kampf der Peruanerinnen und Peruaner für ihre nationale Unabhängigkeit als Mythos.

Die reiche und gebildete Oberschicht Perus unterstützte die Armeen von San Martín und Bolívar nur halbherzig, weil sie fürchtete, die arme ländliche Bevölkerung könnte die in Aussicht gestellte Unabhängigkeit und Freiheit von Spanien zu ihren Gunsten interpretieren. Die politische und wirtschaftliche Oberschicht erinnerte sich an den Bürgerkrieg vier Jahrzehnte zuvor. Sie befürchtete, dass ein Sieg über Spanien zu einer sozialen Revolution der Besitzlosen führen könnte. 1780 hatte sich die ländliche Unter- und Mittelschicht unter der Führung des Mestizen José Gabriel Condorcanqui, genannt Túpac Amaru II., gegen die spanische Herrschaft und die herrschenden sozialen Hierarchien erhoben.

Die Geschichtsdebatte weist auf eine tief verankerte Kontinuität der peruanischen Geschichte hin: Die peruanische Gesellschaft und Politik tut sich bis heute schwer, die ländlichen und städtischen Unterschichten zu integrieren. Die Angst vor den Armen zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Perus.110 Auffällig ist, dass die sozioökonomischen Schichten weitgehend mit den ethnischen Gruppen übereinstimmen. Die kreolische und mestizische Oberschicht hatte und hat Angst vor der indigenen Bevölkerung.

Nach Ulrich Mücke sollte das politische System nach der Unabhängigkeit vor allem zwei Funktionen erfüllen.111 Erstens musste es die bestehende soziale Ordnung erhalten. Zweitens sollte es die Konflikte innerhalb der herrschenden Oberschicht regulieren. Die neue Verfassung ermöglichte jedoch keinen Ausgleich bei den vertikalen Konflikten zwischen den Grundeigentümern und ihren Bauern oder Sklaven.

Ab Mitte des 19. Jh. erzielte eine kleine, vor allem in der Hauptstadt Lima lebende Gruppe durch den Export von Guano als Dünger grosse Einnahmen und konnte auf diese Weise Vermögen anhäufen. Der Export von Guano bescherte dem Staat Steuereinnahmen. Das Bedürfnis nach stärkerer Regulierung und Ausbau des Staates entstand, das von Lima und anderen grossen Küstenstädten ausging. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. setzte sich Lima als das konkurrenzlose gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische und militärische Zentrum des Landes durch. Die Vormachtstellung der Hauptstadt ist bis heute − trotz Dezentralisationsbestrebungen − unbestritten.112

Durch den sogenannten Salpeterkrieg mit Chile von 1879 bis 1883 veränderte sich der Charakter sowohl der Oligarchie wie der Volkswirtschaft grundlegend.113 Peru verlor durch den Krieg die ökonomisch wichtigen Salpeterminen im Süden. Dazu verschlang der Krieg einen Grossteil des Kapitals der im Handel, Bankenwesen und in der Exportwirtschaft aktiven Oligarchie. Nach dem Krieg fehlte das Geld für kapitalintensive Unternehmen – Unternehmerinnen und Unternehmer und Staat mussten im Ausland nach Kapital suchen. So gerieten ganze Wirtschaftszweige unter Einfluss oder gar ganz in Besitz ausländischen Kapitals. Investitionen aus den USA spielten dabei die wichtigste Rolle. Von dieser Verschiebung der Finanzierungs- und Besitzverhältnisse war und ist der Bergbau besonders stark betroffen.

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jh. forderten die Unter- und Mittelschichten in Lima, in den Küstenstädten und auf den Zuckerrohrplantagen im Küstenstreifen immer nachdrücklicher politische Partizipation und volle Bürgerrechte. Es gelang der herrschenden Oligarchie nicht, diese Schichten einzubinden.

In den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jh. gab es in Lima und den grösseren Städten an der Küste soziale Fortschritte.114 Die Reformen blieben jedoch auf die Küstenregion beschränkt, die Bevölkerung in den Anden lebte weiterhin unter prekären sozialen Bedingungen. Zahlreiche Intellektuelle forderten, die Campesinas und Campesinos in den Anden nicht länger zu vernachlässigen, dazu müsse Peru die indigene Tradition als Teil der nationalen Geschichte anerkennen.

Staatspräsident Augusto Leguía baute von 1919 bis 1930 die nationalstaatliche Macht stark aus. Er stoppte damit den Modernisierungsschub in Wirtschaft und Politik. Oppositionelle verwies er des Landes. Dazu gehörten auch der Sozialist und Marxist José Carlos Mariátequi und Víctor Raúl Haya de la Torre, Studentenführer und späterer Gründer der Alianza Para la Revolución Americana (APRA).

Die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre traf Peru hart; die Einnahmen aus dem Export gingen bis 1932 auf die Hälfte zurück, der Konsum der Peruanerinnen und Peruaner sank und beeinträchtigte Handel und Gewerbe, der Staat musste zahlreiche Angestellte entlassen, die Arbeitslosigkeit nahm zu.115 In dieser Krise stürzte 1930 General Luis M. Sánchez Cerro den amtierenden Präsidenten Leguía. Sánchez Cerro gewann im folgenden Jahr die Wahlen gegen den Kandidaten der APRA. Die Militärregierung Sánchez reagierte repressiv sowohl gegen streikende Arbeiterinnen und Arbeiter wie auch gegen Mitglieder der APRA.

Unter Präsident Manuel Prado von 1939 bis 1945 entspannten sich die Beziehungen der peruanischen Regierung nach aussen und innen. Prado nahm aussenpolitisch eindeutig Partei für die Alliierten, in Peru durften die APRA und die kommunistische Partei wieder politisch aktiv sein, zahlreiche Gewerkschaften entstanden. 1945 wählten die Peruanerinnen und Peruaner José Luis Bustamante y Rivera zum Präsidenten; es folgten euphorische Jahre: Der Weltkrieg war zu Ende, die Arbeiterinnen und Arbeiter konnten ihr Einkommen deutlich erhöhen, die Peruanerinnen und Peruaner genossen bürgerliche Rechte, die so weit gingen wie noch nie zuvor.

1948 putschte sich der rechte General Manuel Odría an die Macht. Er begann sofort mit der Verfolgung auf alle Vertreterinnen und Vertreter linker Parteien, Gewerkschaften und Basisorganisationen. Die grossen sozialen Probleme des Landes blieben bestehen und verschärften sich. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges betrieb Peru dank hohen Rohstoffpreisen eine importsubstituierende Industrialisierung.

Der Staat ging die seit Beginn des 20. Jh. offensichtlichen Probleme erst in den 1960er Jahren ernsthaft an.116 1963 wählten die Peruanerinnen und Peruaner Fernando Belaúnde Terry von der Acción Popular zum Staatspräsidenten. Belaúnde wollte gemässigte Reformen durchsetzen. Bis Ende der Amtsperiode 1968 konnte er jedoch nur wenige Veränderungen vorweisen. Bei den Wahlen drohte ein Sieg der Alianza Para la Revolución Americana (APRA) − für die Armee An-lass zu einem Putsch.

Der Putsch von 1968 stand im Gegensatz zu früheren Militärherrschaften nicht unter konservativen Vorzeichen, sondern die putschenden Generäle hatten das Ziel, die bestehenden Verhältnisse zu verändern.117 Die wichtigste Massnahme war eine radikale Bodenreform: Die Militärs enteigneten Grossgrundbesitzer in ganz Peru und überführten das Land in staatlich kontrollierte Kooperativen. In den Anden verschwanden damit die bis dahin wichtigen ökonomischen und politischen Akteure der Grossgrundbesitzer, was die realen Machtstrukturen grundlegend veränderte. Weitere Reformmassnahmen waren die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, vor allem von Bergbau- und Energieunternehmen, von Rohstoffe verarbeitenden Unternehmen, aber auch von Banken und von Medienunternehmen. Die herrschenden Militärs entmachteten mit der Landreform und den Verstaatlichungen neben den Grossgrundbesitzern auch die Oligarchie als zentrale politische Kraft. Nach anfänglichen wirtschaftlichen Erfolgen verschlechterten sich die Lebensbedingungen der Peruanerinnen und Peruaner ab Mitte der 1970er Jahre kontinuierlich. Der Staat verschuldete sich zunehmend und musste Reformmassnahmen durchsetzen, um weitere Kredite zu erhalten. Zudem unterdrückte die Militärregierung ab 1975 unter der Führung von General Francisco Morales Bermúdez Oppositionelle systematisch.

Peruanerinnen und Peruaner erzwangen durch Proteste ein Ende der Militärdiktatur, die Generäle zeigten sich bereit, die politische Macht an Zivile abzugeben, linke Parteien und Gewerkschaften dominierten die Politik.118 Es gelang dem Volk erstmals, einen Machtwechsel von unten durchzusetzen. 1978 berief die Übergangsregierung eine verfassungsgebende Versammlung ein, die Víctor Raúl Haya de la Torre, der Führer der linken APRA, leitete. 1979 genehmigte das Volk die neue Verfassung.119 Der Tradition entsprechend schrieb die Verfassung für die Exekutive wieder ein Präsidialsystem vor; die Legislative bestand aus zwei Kammern. Erstmals galt für alle Bürgerinnen und Bürger Perus die Wahlpflicht. Die Verfassung verpflichtete auch Analphabeten zur Ausübung ihrer Bürgerrechte. Die linken Parteien und Gewerkschaften hofften, dass dadurch die Mehrheit der Armen ein politisches Gewicht bekommen würde.

1980 wählte das Volk gegen alle Erwartungen Fernando Belaúnde Terry zum Präsidenten. Belaúnde war nicht nur 1968 vom Militär abgesetzt worden, sondern er und seine Partei Acción Popular hatten sich auch geweigert, an der neuen Verfassung von 1979 mitzuarbeiten. Auch an den Wahlen für die verfassungsgebende Versammlung 1978 hatte sich die Acción Popular nicht beteiligt.

1985 verlor die Acción Popular vernichtend gegen die APRA. Das Volk wählte den damals 31 Jahre alten Parteiführer Alan García zum Präsidenten Perus. Er versprach seinen Wählern eine neue Politik. Die bereits über ein halbes Jahrhundert alte APRA übernahm erstmals die politische Macht. Während seiner Regierungszeit führte Alan García Peru in eine Hyperinflation und in den Bürgerkrieg.

Schon bei den ersten zwei demokratischen Wahlen nach der Militärdiktatur zeigte sich ein Wahlverhalten, das sich bis in die Gegenwart durchzieht:120 Bei den Wahlen für den Kongress und das Amt des Präsidenten gewinnen diejenige Parteien und Personen, die sich am deutlichsten von den aktuellen Machthabern unterscheiden.

Der führende Kandidat für die Präsidentschaftswahl 1990 war Mario Vargas Llosa, der bereits damals international bekannte Schriftsteller und spätere Nobelpreisträger für Literatur.121 Vargas Llosa hatte sich 1987 gegen die vom Präsidenten Alan García geplante Nationalisierung des Bankensystems engagiert und sich damit als Liberaler bekannt gemacht. Zusammen mit anderen Oppositionellen, darunter dem Ökonomen Hernando de Soto, Autor des Buches „Otro sendero“ und Gründer des Instituto de Libertad y Democracia122, gründete Vargas Llosa den Movimiento Libertad.123 Der Schriftsteller hatte sich in den 1980er Jahren von einem Verteidiger der lateinamerikanischen Linken und der kubanischen Revolution zu einem Liberalen gewandelt.

Mario Vargas Llosa instrumentalisierte den Movimiento Libertad als Wahlkampforganisation. Im Februar 1988 formierte sich der Movimiento Libertad mit der Acción Popular und dem Partido Popular Cristiano zur Wahlkampfpartei Fredemo124. Fernando Belaúnde Terry führte die Allianz anfänglich an, er war noch immer Vorsitzender der Acción Popular. Im Juni 1989 wählten die Delegierten jedoch Vargas Llosa als Präsidentschaftskandidaten von Fredemo. In den folgenden Wochen war Vargas Llosa konkurrenzloser Kandidat im Wahlkampf. Umfragen zeigten, dass die Mehrheit der Peruanerinnen und Peruaner durch die Erfahrung von Bürgerkrieg und Wirtschaftskrise von den politischen Polen hin zur Mitte rückten. Die Wählerinnen und Wähler machten die APRA unter García und den Acción Popular unter Belaúnde verantwortlich für den Terror des Sendero Luminoso und den wirtschaftlichen Niedergang Perus.

Dazu kamen zwei Verhaltensmuster der peruanischen Wählerinnen und Wähler, die in Peru bis heute zu beobachten sind: Erstens verlieren der Staatspräsident125 und seine Partei die Wahlen deutlich. Das Volk wählt diejenige Person zum Staatspräsidenten, die sich möglichst weit entfernt von der aktuellen Regierung positioniert. Zweitens sind viele Peruanerinnen und Peruaner gegenüber der politischen Elite misstrauisch, sie wählen denjenigen Kandidaten, den sie als nicht der politischen Elite angehörend wahrnehmen.

Das politische Programm von Vargas Llosa war konservativ und wirtschaftsliberal ausgerichtet. Als Bewunderer der britischen Premierministerin Margret Thatcher glaubte er, dass Peru reif für eine konservative Wende sei, so wie sie die USA 1981 mit der Wahl von Ronald Reagan zum Präsidenten erfahren hatte. In einer Rede im Dezember 1989 stellte er sein Programm in ungewöhnlich klaren Worten vor.126 Es lohnt sich ein Blick auf die geforderten Massnahmen, auch wenn Vargas Llosa die Wahl schliesslich nicht gewann.

Peru sollte durch strenge Stabilisierungsmassnahmen, ähnlich wie sie der Internationale Währungsfonds (International Monetary Fund, IMF) für solche Fälle vorsah, die Inflation auf ein normales Mass reduzieren und das Land wieder in die internationale Wirtschaft integrieren. Der Staat sollte den Handel liberalisieren und für ausländische Investoren ideale Bedingungen schaffen. Er sollte Staatsunternehmen privatisieren, Preiskontrollen und Subventionen abschaffen. Der Staat sollte Schulden und Schuldzinsen im Ausland vollumfänglich abbezahlen. Vorgesehen war zudem, das Steuerwesen zu reformieren und gesetzliche Arbeitsplatzsicherheit aufzuheben. Kurz gefasst: Vargas Llosa wollte die Wirtschaft anstelle von staatlicher Kontrolle und Merkantilismus fundamental deregulieren und so eine freie Marktwirtschaft errichten.

Die öffentliche Reaktion auf Varga Llosas Präsidentschafts-Programm war weitgehend negativ. Die Peruanerinnen und Peruaner beurteilten die Vorschläge als zu extrem und zu schmerzhaft, das gesamte Packet als ein „Schock-Programm“127 mit verheerenden sozialen Folgen. Die arme Mehrheit der Peruanerinnen und Peruaner erkannte die Auswirkungen der angekündigten Stabilisierungsmassnahmen; auch Teile der Mittelschicht lehnten das Programm ab, denn sie hatten von der merkantilistischen Wirtschaftspolitik der vorhergehenden Jahre profitiert. So nahmen viele Wählerinnen und Wähler Vargas Llosa im letzten Halbjahr vor der Wahl vor allem als Kandidat der Reichen wahr. Einige Beobachterinnen und Beobachter meinen, dass Vargas Llosa, obwohl er den ersten Wahlgang für sich entschied, die Wahlen mit dieser programmatischen Rede verloren hatte. Die Umfragewerte Vargas Llosas sanken, anfänglich zu Gunsten Alva Castros, dann zu Gunsten des bisher weitgehend unbekannten Kandidaten Alberto Fujimori.

Alberto Fujimori trat am 28. Juli 1990 sein Präsidentenamt an.128 Der wegen seiner japanischen Herkunft „el chino“ genannte Fujimori hatte sich im Wahlkampf vom harten, neoliberalen Programm des Favoriten Vargas Llosa distanziert und genoss den Vorteil, als Mitglied einer kleinen ethnischen Minderheit nicht zur etablierten politischen und wirtschaftlichen Elite zu gehören. Als erklärter Technokrat bot er „technische“ Lösungen an, nicht „politische“, d.h. mit Wertfragen und Kompromissen verbundene Lösungen.

Wenige Wochen nach dem Amtsantritt erklärte Fujimori, dass doch ein hartes Reformprogramm nötig sei, um die Wirtschaft Perus zu sanieren. Der von peruanischen Zeitungen genannte „Fujischock“ bedeutete die Übernahme und Realisierung des Wahlkampfprogrammes von Maria Vargas Llosa.

Fujimori blieb über die gesamte erste Regierungszeit populär, obwohl die sozialen Konsequenzen des Reformprogrammes für breite Bevölkerungsschichten äusserst hart waren. Die Kaufkraft der Haushalte blieb gering, sozialstaatliche Leistungen gab es praktisch keine. Die durch den Fujischock erreichte Stabilität erlaubt jedoch endlich wieder, längerfristig zu planen und auf bessere Zeiten zu hoffen.

Fujimori hielt nicht viel von der parlamentarischen Demokratie. Im April 1992 löste er im sogenannten Autogolpe den Kongress und den Obersten Gerichtshof auf. Eine Mehrheit der Peruanerinnen und Peruaner hiessen den Selbstputsch angesichts der wirtschaftlichen Krise und des Terrors des Sendero Luminoso gut. Fujimori liess eine verfassungsgebende Versammlung wählen; 1993 bestätigte das Volk in einem Referendum die neue Verfassung. Sie ist bis heute gültig.

Am 12. September 1992 gelang es dem Geheimdienst von Fujimori, Abimael Guzmán, den Anführer des Sendero Luminoso, zusammen mit der Führungsspitze zu verhaften. Wenig später verkündete Guzmán aus dem Gefängnis heraus das Ende des Bürgerkrieges. Der historische Zeitpunkt für die Revolution sei noch nicht gekommen.

Die neue Verfassung erlaubte eine zweite, anschliessende Wiederwahl des Präsidenten. Fujimori gewann die Wahl 1995 erneut, wahrscheinlich ohne Wahlbetrug, doch ohne fairen und korrekten Wahlprozess. Im Kongress erlangten die Anhänger Fujimoris eine knappe Mehrheit.

Fujimori verlor in seiner zweiten Amtszeit an Popularität. Die Angst vor dem Terrorismus des Sendero Luminoso verblasste. Die wirtschaftliche Lage blieb stabil, doch für die grosse Mehrheit von Armut und Perspektivlosigkeit geprägt. Peruanerinnen und Peruaner fingen wieder an, sich politisch zu engagieren. Studentische Gruppen und Gewerkschaften organisierten Proteste gegen wirtschaftliche und soziale Missstände.

2000 kandidierte Fujimori ein drittes Mal als Staatspräsident und liess sich zum Sieger der Wahlen ausrufen. Auf die eigenwillige Rechtfertigung einer dritten Kandidatur und die offensichtliche Manipulation der Wahlen reagierte die Opposition und mit ihr viele Peruanerinnen und Peruaner mit Protesten. Trotzdem trat Fujimori das Amt am 28. Juli an.

Mitte September strahlte ein Fernsehsender das erste Video aus, das Vladimiro Montesinos, den Geheimdienstchef und engen Vertrauten Fujimoris, beim Akt der Korruption zeigte. Weitere „vladivideos“ kamen an die Öffentlichkeit. Montesinos hatte Bestechungen sorgfältig und versteckt aufgezeichnet, um Korruptionsbeteiligte später erpressen zu können.

Die Öffentlichkeit erkannte, dass die Regierung Fujimori bis in die oberste Hierarchie korrupt war. Die Proteste nahmen gewaltige Ausmasse an. Fujimori rief Neuwahlen aus, bei denen er nicht mehr als Kandidat antreten würde. Ende Oktober wurde bekannt, dass Montesinos auf Banken in der Schweiz 48 Mio. USD hortete. Fujimori reiste nach Japan und kehrte vorerst nicht nach Peru zurück. – 2007 lieferte Chile Fujimori aufgrund eines internationalen Haftbefehls aus. Die peruanische Justiz verurteilte Fujimori wegen Menschenrechtsverletzungen und anderen Vergehen zu langjährigen Haftstrafen.

Nach einer Übergangsregierung traten bei den Wahlen 2001 Alejandro Toledo und der ehemalige Präsident Alan García Pérez gegeneinander an.129 Toledo konnte die Stichwahl für sich entscheiden. Er förderte die Demokratisierung und Liberalisierung Perus.

2006 wählten die Peruanerinnen und Peruaner Alan García Pérez zum zweiten Mal zum Präsidenten. Garcías erklärtes Ziel war die Bekämpfung der Armut. Er führte im Gegensatz zu seiner ersten Amtszeit den von seinem Vorgänger eingeschlagenen marktwirtschaftlich orientierten Kurs mit Erfolg fort. Der anhaltende wirtschaftliche Aufschwung kam jedoch nicht bei der armen Bevölkerung an, ab 2008 kam es zu Protesten, Blockaden und Streiks, die sich gegen die Ernährungskrise und die gestiegenen Lebensmittelpreise richteten. Im Mai 2008 gründete Peru zusammen mit den anderen elf unabhängigen Staaten Südamerikas die Union Südamerikanischer Nationen nach Vorbild der Europäischen Union. Im Februar 2010 verabschiedeten Peru und die EU ein Freihandelsabkommen.

2011 setzte sich der linksnationale Politiker Ollanta Humala gegen Keiko Fujimori, die Tochter des früheren Diktators, bei den Präsidentschaftswahlen durch. Trotz anfänglich betont linker Ausrichtung setzte Humala den wirtschaftsliberalen Kurs seiner Vorgänger fort.

Seit dem 28. Juli 2016 ist Pedro Pablo Kuczynski Präsident Perus. Kuczynski vertritt eine rechtsstaatliche und liberale Politik.

Bergbaukonflikte in Cajamarca, Peru, und gesellschaftlichpolitische Entwicklung

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