Читать книгу Requiem für ein Kind - Joseph Groben - Страница 28
Ich bin nicht aus Eichen und Steinen gemacht
ОглавлениеAls rücksichtsvoller Philosoph und Gatte geht Plutarch kaum ein auf den Schmerz, den dieser Verlust ihm persönlich zufügt. Die Versicherung, dass er nicht unempfindlich wie Stein und Eiche sei, muss als Hinweis genügen. Sein Hauptanliegen ist die Tröstung und Ermunterung seiner Frau, deren Lieblingskind plötzlich gestorben ist.
»Plutarchus wünscht seiner Frau Glück! Der Bote, den du mir mit der Nachricht vom Tode unseres Kindes geschickt hast, hat mich wahrscheinlich auf dem Wege nach Athen verfehlt; ich habe es jedoch, als ich nach Tanagra kam, von der Nichte erfahren. Vermutlich ist die Bestattung schon vor sich gegangen: möge alles so geschehen sein, wie es dir jetzt und für die Zukunft am wenigsten Kummer macht. Falls du aber etwas, was du tun wolltest, unterlassen hast, weil du meine Meinung darüber abwarten willst, und, wenn ich bei dir bin, leichter zu tun glaubst, so magst du auch dieses noch besorgen, ohne jede Übertreibung und ohne Ängstlichkeit, was ja auch gar nicht deine Sache ist.
Nur erhalte mich, liebe Frau, und dich selbst bei diesem Schlage in gehöriger Fassung. Denn ich kenne und begreife die Größe unseres Verlustes; wenn ich aber finden sollte, dass du dich zu sehr darüber grämst, so würde mir dieses noch mehr leid tun als die Sache selbst. Dennoch aber bin ich nicht aus Eichen und Steinen gemacht, wie du selbst weißt, die du in Gemeinschaft mit mir so viele Kinder aufgezogen hast, weil wir alle zu Hause persönlich erzogen. Ich weiß, dass diese Tochter, deren Geburt nach vier Söhnen deinen sehnlichsten Wunsch erfüllte und mich veranlasste, ihr deinen Namen zu geben, dir ganz besonders lieb war. Was deine zärtliche Liebe zu dem Kinde noch besonders steigerte, ist die reine, unschuldige, niemals durch Ärger und Tadel getrübte Freude, die es uns machte. Es besaß von Natur eine wunderbare Gelassenheit und Sanftmut, und seine Gegenliebe und Hingebung machte uns Vergnügen und ließ zugleich sein liebreiches Wesen ahnen; wie es denn seine Amme bat, nicht nur andern Kindern, sondern selbst Gerätschaften und Spielsachen, an denen es eine Freude hatte, die Brust zu reichen, ganz so, wie wenn es sie aus Menschenliebe an seinen eigenen Tisch zur Teilnahme an seinen Genüssen einladen und mit denen, welche ihr Freude machten, sein Süßestes teilen wollte …«
Da die Tochter eine reine Freudenquelle war – »die allersüßeste Liebkosung … Augenweide und Ohrenschmaus« – soll ihr Andenken auch mehr Freude als Trauer erregen. Das sind die Eltern ihrem Liebling schuldig.