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TREN VIII

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Große Leere ist im Hause eingezogen,

Seit du, Ursula, dich hast davongestohlen.

Zahlreich sind wir, und doch scheints, das Leben fehle:

Soviel ist verlorn mit einer kleinen Seele !

Hast geplaudert für uns alle, hast gesungen,

Bist mit flinkem Schritt durch Haus und Hof gesprungen.

Hast die Mutter keine Stund sich grämen lassen,

Noch den Vater grübelmüd beim Kopf sich fassen,

Da du diesen bald, bald jene sanft umarmtest.

Ihrer dich mit Lachen und mit Scherz erbarmtest.

Stumm ist alles nun im Haus und öde Leere :

Keiner, der mit Spiel und Lachen ihrer wehrte.

Leid starrt jetzt den Menschen an aus jedem Winkel.

Das Herz blickt sich vergebens um, wo Trost noch winke.

In andern »Treny« erweist sich Kochanowski auch als ein typischer Dichter seiner Zeit, d.h. als ein »poeta doctus« der Renaissance. So ruft er gleich zu Beginn die Tränen des griechischen Philosophen Heraklit und die Lamenti des griechischen Lyrikers Simonides dazu auf, ihm zu helfen, um sein »kleines Mädchen, seine teure Tochter zu beweinen, die der grausame Tod mit wilder Gewalt aus seinem Leben gerissen … «. Er vergleicht den Tod mit einer giftigen Schlange, die in das Nest einer Nachtigall einbricht; die Mutter wehrt sich verzweifelt, aber ihr Widerstand kann die Kleinen nicht vor dem tödlichen Biss retten.

Er wendet sich an Persephone (Proserpina), die Göttin der Unterwelt. Seine musikalisch begabte Tochter bezeichnet er als »slawische Sappho«. Wie Orpheus sucht er nach dem Tor des Hades, um mit seiner Laute Pluto zu rühren, dass er sein Kind vom Tode entbinde. Er beschwört die unglückliche Mutter Niobe, die zu Stein ward nach dem Tod ihrer vierzehn Kinder.

Dazwischen ersteht das unvergleichlich vollkommene Bild Ursulas, so verklärt, wie es nur ein verletztes Vaterherz entwerfen kann:

Reinlich, gehorsam, züchtig, immer sich bescheidend,

Gewandt, als hätte sie’s gelernt, im Singen, Reimen …

Verständig, wohlerzogen, gütig, ganz und ohne Grillen,

Höflich, bescheiden, schamhaft und stets von gutem Willen.

Des Weiteren preist er ihre Frömmigkeit, ihre Hilfsbereitschaft, ihre Tugend, ihre Anmut …, aber alle Vorzüge haben nichts geholfen. Ursula ist unwiederbringlich tot, er muss die Hoffnung eines Wiedersehens mit ins Grab nehmen, »Weil du in alle Ewigkeit nie wieder aufgehn / Und aufblühen wirst nie mehr vor meinen Kummeraugen.« In seinem Schmerz erweisen sich auch Weisheit und Verstand als ohnmächtig. Cicero behauptete, dass ein Philosoph nur durch die Schmach unglücklich werden könnte. Und Kochanowski stellt dem Philosophen aus Arpinum jetzt die unbequeme Frage: »Warum beklagst du so bitter die Tochter?« (XVI). Hat Cicero nicht selbst seine philosophische Gelassenheit ad absurdum geführt, als er so unbändig um Tullia trauerte?

Immer wieder wendet er sich an Ursula selbst: »Ursula, mein süßes Kind, wohin bist du gegangen? Bist du im Paradies? Bei Charon? Im Fegefeuer? Wohin auch immer du gegangen bist, hab Mitleid mit mir, komm zurück, als Schatten, Traum oder Geist.« Er fühlt sich so stark von ihrem Tod getroffen, dass er eine schreckliche Alternative ausspricht, die von den meisten Eltern nicht geteilt wird: »Ich wünschte, du wärest nie geboren worden oder du wärest nicht gestorben!« Wie viele drücken gerade ihre Dankbarkeit dafür aus, dass sie das Glück hatten, wenigstens ein paar Jahre die Existenz ihres Kindes teilen zu können. Sie wären nie bereit, diese kurze Existenz selbst infrage zu stellen.

Am Schluss des XIII. Tren entwirft er den Grabspruch für seine Tochter, die eigentlich glücklicher ist als ihr Vater, der mit ihrem Tode leben muss, eine Idee, die später so prägnant von Mascha Kaléko ausgedrückt wurde: »Den eignen Tod, den stirbt man nur, / Doch mit dem Tod der andern muss man leben.«

Steinmetzen, diesen Stein stellt auf, kunstvoll behauen,

Und meißelt ein den Denkspruch meiner schwarzen Trauer:

»Ursula Konanowska, ihres Vaters Liebe,

Ruht hier, ach: seine Tränen und der Wehmut Lieder.

Wie will, o unbedachter Tod, sich solches reimen:

Nicht sollt ich sie, sie sollte wohl eher mich beweinen.«

Nachdem der Dichter alle rein menschlichen Aspekte der Tragödie beleuchtet hat, sie mit mythologischen und klassischen Beispielen verglichen hat, betrachtet er gegen Ende seines Zyklus den Verlust von religiöser Warte aus, und er bewertet ihn neu, im großen Zusammenhang. In den letzten Treny geht es nicht mehr um die antiken Götter oder das Schicksalsgesetz, es geht um den einen christlichen Gott. Kochanowski stellt fest: »Gott gab mir diese harten Schläge.« Seine Seele ist tief verwundet, er sieht ein, dass von der Vernunft keine Linderung oder Rettung kommen kann, deshalb endet Tren XVII mit der Feststellung: »Gott ist meine einzige Hoffnung.«

Das zweitletzte Klagelied erinnert überdeutlich daran, dass Kochanowski vor kurzem die Bußpsalmen Davids übersetzt hat, u.a. das »De profundis … Aus tiefer Not schrei ich zu Dir.« Hier ist nur noch die Rede von der Schuld der Menschen, von ihrer Undankbarkeit für die Wohltaten Gottes. »Wir, deine widerspenstigen Kinder, Vater … gedenken deiner selten.« Und die Schlussstrophe fasst noch einmal das Versagen der Menschen und die Bitte um göttliche Barmherzigkeit zusammen:

Groß sind vor dir meine Missetaten.

Doch dein sanftes Walten

Schwebt ob allem Bösen.

Heute, Herr, mag mich dein Mitleid lösen!

Ohne dass es explizit gesagt wird, erscheint der Tod des Kindes jetzt als eine Prüfung, wenn nicht gar eine Strafe Gottes für seine Sünden, eventuell für seine Hybris, dass er sich so sicher wähnte, als er ein einfaches, bescheidenes Leben auf dem Lande führte. Aber der Schmerz um das Kind lässt nicht nach.

Requiem für ein Kind

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