Читать книгу Strafrecht - Besonderer Teil II - Jörg Eisele - Страница 45

4.Fälle des Vorsatzwechsels

Оглавление

162Soweit man sich bei der Beurteilung der Geringwertigkeit nicht auf eine rein objektive Betrachtung beschränkt, ist die Anwendbarkeit des § 243 Abs. 2 in Fällen heftig umstritten, in denen sich der Vorsatz des Täters hinsichtlich der Geringwertigkeit der Sache während der Tat, d. h. zwischen versuchtem und vollendetem Diebstahl, ändert.

163a) Dabei muss es sich nach h. M. zunächst überhaupt noch um dieselbe Dieb­stahls­tat handeln. Für den einheitlichen Diebstahlsvorsatz ist die Beschränkung der Vorstellung des Täters auf bestimmte Gegenstände demnach grundsätzlich unwesentlich417. Handelt es sich um einen einheitlichen Diebstahl, so kann die Tat nur insgesamt als besonders schwerer Fall des Diebstahls oder einfacher Diebstahl bewertet werden418. Ist der Täter dagegen vom ursprünglichen Diebstahl, der auf eine (nicht) geringwertige Sache gerichtet war, strafbefreiend zurückgetreten und fasst er erst anschließend den Entschluss, nun eine andere Sache wegzunehmen, so ist hinsichtlich § 243 Abs. 2 nur die neue Diebstahlstat maßgeblich, wenn diese ebenfalls einen besonders schweren Fall begründet419.

Bsp. (1): T möchte aus einem Geschäftsraum, in den er eingebrochen ist, eine wertvolle Vase stehlen. Kurz vor dem Ausgang reut es ihn und er stellt die Vase zurück. Als er das Gebäude verlassen will, sieht er in einem verschlossenen Nebenraum einen Kasten Bier. Er öffnet das gekippte Fenster, steigt in den Raum und trinkt noch ein paar Flaschen Bier. – T ist zunächst von §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 22, 23 hinsichtlich der Vase gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 (unbeendeter Versuch) zurückgetreten. Erst anschließend hat er einen neuen Entschluss gefasst und dabei §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 verwirklicht; auf diese Tat findet § 243 Abs. 2 Anwendung, so dass er nur nach § 242 bestraft wird.

Bsp. (2): Wie Bsp. 1, doch T findet keine Vase, so dass er zu einer Kiste Bier greift, die mitten im Raum steht. – Hier handelt es sich um eine einheitliche Tat, so dass sich die streitige Frage stellt, welche Auswirkung der Vorsatzwechsel hat. Entsprechendes gilt, wenn T vom ursprünglichen Vorsatz hinsichtlich des Getränks zur Mitnahme der Vase wechselt.

164Die h. M. verlangt für die Anwendbarkeit des § 243 Abs. 2, dass der Tätervorsatz vom Versuchsbeginn bis zur Vollendung ausschließlich auf eine geringwertige Sache gerichtet ist und verneint § 243 Abs. 2 daher in Bsp. 2420. Dafür spricht, dass die Vorschrift auf die Diebstahlstat und damit auf die Phase zwischen Versuch und Vollendung des § 242 verweist. In Fällen, in denen der Täter entgegen seinem ursprünglichen Tatentschluss eine nicht geringwertige Sache wegnimmt, liegt der vorausgesetzte „bagatellarische Erfolgsunwert“421 nicht vor und auch das Handlungsunrecht ist nur bis zu dem Zeitpunkt des Vorsatzwechsels verringert422. Beschränkt sich der Täter dagegen erst im Verlauf der Tat auf ein geringwertiges Tatobjekt, so darf er grundsätzlich nicht günstiger gestellt werden, als wenn die auf eine nicht geringwertige Sache gerichtete Tat im Versuchsstadium ganz stecken bleibt und nichts gestohlen wird; in letztgenanntem Fall ist aber § 243 anwendbar423. Ein „Teilrücktritt“ von § 243 ist in solchen Fällen aber nach § 24 (analog) zuzulassen, wenn der Täter sich freiwillig auf ein geringwertiges Objekt beschränkt; dann ist allein § 242 anwendbar424.

Bsp.: T möchte die Vase stehlen, verzichtet aber freiwillig darauf, als er das Bier sieht. – Hier wird § 243 Abs. 2 bejaht, weil T entsprechend den Rücktrittsgedanken auf Mitnahme der nicht geringwertigen Sache verzichtet hat.

165b) Teilweise wird aber auch eine differenziertere Betrachtungsweise vertreten. Soweit nach allgemeinen Kriterien eine unwesentliche Abweichung vom ursprünglichen Diebstahlsvorsatz – maßgeblich hierfür ist der Zeitpunkt der Verwirklichung des Regelbeispiels – gegeben ist, soll die nach der Vorsatzänderung weggenommene Sache noch vom ursprünglichen Diebstahlsvorsatz erfasst werden425. In diesem Fall muss es sich entsprechend dem Kriterium der h. M. durchgehend um eine objektiv und subjektiv geringwertige Sache handeln. Um zwei selbstständige Taten handle es sich dagegen, wenn der ursprüngliche Diebstahlsvorsatz und der geänderte Diebstahlsvorsatz nicht mehr „aufeinander bezogen“ seien. Dies sei auch der Fall, wenn die ursprünglich geplante Tat scheitere und ein anderes Objekt weggenommen werde. In diesem Fall sei der Täter gemäß §§ 242, 243, 22, 23 hinsichtlich der ursprünglich anvisierten Sache in Tateinheit mit § 242 hinsichtlich der weggenommenen Sache zu bestrafen. Richtig hieran ist, dass nach allgemeinen Grundsätzen ein Fehlschlag eine geeignete Zäsur bilden kann. Jedoch muss man sehen, dass der Diebstahlsvorsatz weit gefasst ist und auch noch während der Tat verändert werden kann426. Daher sollte man der h. M. folgen und nur dann eine neue Tat annehmen, wenn der Täter den ursprünglich gefassten Entschluss endgültig aufgibt.

Strafrecht - Besonderer Teil II

Подняться наверх