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2.§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b

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204Nach dem Willen des Gesetzgebers stellt das Beisichführen eines sonstigen Werkzeugs oder Mittels in Verwendungsabsicht einen Auffangtatbestand dar530. Aus einem Umkehrschluss zu Nr. 1 lit. a folgt, dass das Werkzeug bei Nr. 1 lit. b nicht objektiv gefährlich sein muss. Das gegenüber Nr. 1 lit. a verringerte objektive Unrecht beim Mitführen ungefährlicher Werkzeuge wird durch die Absicht, den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder überwinden, kompensiert531.

Beachte: Wird der Gegenstand zur Vollendung der Wegnahme tatsächlich eingesetzt, so liegt Raub gemäß § 249 vor; wird er zwischen Vollendung des Diebstahls und Beendigung eingesetzt, so liegt räuberischer Diebstahl nach § 252 vor.

205Beim Mitführen von Schusswaffen und gefährlichen Werkzeugen in Verwendungsabsicht ist Nr. 1 lit. b zwar tatbestandlich verwirklicht, tritt jedoch grundsätzlich im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter Nr. 1 lit. a zurück. Eigenständige Bedeutung kann Nr. 1 lit. b in solchen Fällen aber bei Irrtümern sowie bei fehlender prozessualer Nachweisbarkeit erlangen.

Bsp. (1): A stiftet den T an, einen Diebstahl unter Mitführung einer Schusswaffe zu begehen und diese notfalls auch zum Einsatz zu bringen. T hingegen ist das Beisichführen einer Schusswaffe zu gefährlich. Stattdessen nimmt er nur Handschellen mit, um den Widerstand etwaiger Widersacher zu überwinden. – T macht sich (nur) nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b strafbar. A kann mangels Haupttat nicht nach §§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Var. 1, 26 bestraft werden. Da sich jedoch der Vorsatz des A auch auf den Einsatz erstreckt und in jedem gefährlichen Werkzeug auch ein „sonstiger (ungefährlicher) Gegenstand“ nach Nr. 1 lit. b zu sehen ist, hat er sich nach §§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, 26 strafbar gemacht. Dass A anstelle der Pistole Handschellen mitführte, stellt eine unbeachtliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf dar.

Bsp. (2): T wird eines Diebstahls überführt. Dabei kann jedoch nicht nachgewiesen werden, dass es sich bei dem mitgeführten Gegenstand um ein gefährliches Werkzeug nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Var. 2 handelt. Bewiesen ist aber, dass T den Gegenstand mitführte, um ggf. den Widerstand einer anderen Person zu überwinden. – In dubio pro reo muss zwar davon ausgegangen werden, dass der mitgeführte Gegenstand kein gefährliches Werkzeug darstellt. Da jedoch ein Verwendungsvorbehalt nachgewiesen werden kann, ist – unabhängig von der Gefährlichkeit des Werkzeugs – § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b verwirklicht.

206a) Erfasst werden sollen von Nr. 1 lit. b alle Gegenstände, die keine Waffen oder gefährlichen Werkzeuge i. S. d. Nr. 1 lit. a sind, aber Widerstand durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt verhindern oder überwinden sollen. Ob diese bei ihrem Einsatz erhebliche Verletzungen i. S. v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 herbeiführen können oder nicht, ist unerheblich532. Unter Nr. 1 lit. b fallen insbesondere die bei Nr. 1 lit. a ausgeschiedenen ungefährlichen Werkzeuge wie kleine Messer, Scheren oder Feilen. Erfasst werden aber auch Gegenstände, die sich – wie Handschellen, Klebebänder, Schnüre, Krawatten und Gürtel – zum Fesseln und Knebeln eignen.

207aa) Richtigerweise fallen auch sog. Scheinwaffen (Spielzeugpistolen, Bombenattrappen, ungeladene echte Schusswaffen usw.), die nicht zur Herbeiführung von schweren Verletzungen i. S. v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 geeignet sind, jedoch den äußeren Anschein hierzu erwecken, unter Nr. 1 lit. b533. Die historische Auslegung zeigt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Scheinwaffen von der gleichlautenden Vorschrift des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b weiterhin erfasst werden sollten534, zumal dort die Mindeststrafe mit dem 6. StrRG abgesenkt und damit ein Haupteinwand gegen die Einbeziehung beseitigt wurde. Auch zeigt die Gleichstellung der Gewalt- mit der Drohungsalternative in systematischer Hinsicht, dass die Drohung mit einer objektiv ungefährlichen Scheinwaffe dem Gefährlichkeitspotential der Gewaltanwendung entspricht535. Auch Sinn und Zweck der Strafschärfung sind verwirklicht, weil der Täter in intensiverer Art und Weise in die Opfersphäre eingreift536. Sieht man dies anders und verlangt aufgrund der vom Täter vorgesehenen Verwendung eine abstrakte Eignung der mitgeführten Gegenstände zur Gefähr­dung von Leib und Leben des Opfers537, so schränkt man den Anwendungsbereich der Vorschrift contra legem zu sehr ein.

Bsp.: Nr. 1 lit. b ist verwirklicht, wenn T eine täuschend echt aussehende Wasserpistole mit sich führt, mit der er im Falle von Schwierigkeiten beim Diebstahl das Opfer bedrohen möchte.

208bb) Bereits vor dem 6. StRG von der Rechtsprechung befürwortete Einschränkungen538 sind nach dem Willen des Gesetzgebers weiterhin zu beachten539. Demnach muss die durch die Drohung bewirkte Einschüchterung des Opfers von der Beschaffenheit des verwendeten Gegenstandes und nicht allein von der Täuschungskraft des Täters ausgehen. Der Gegenstand muss daher nach seinem äußeren Erscheinungsbild täuschend echt wirken, so dass er aus Opfersicht dazu geeignet ist, bei seiner Verwendung erhebliche Verletzungen hervorzurufen; offensichtlich ungefährliche Gegenstände werden nicht erfasst540.

Bspe.: Erfasst werden sollen täuschend echt aussehende Spielzeugpistolen, Bombenattrappen, Injektionsspritzen541 oder ein metallischer Gegenstand, der dem Opfer in den Nackenbereich gedrückt wird542.

Gegenbspe.: Nicht ausreichend soll sein ein in den Rücken gedrückter Labello-Stift543, eine in der Hand schmelzende Lakritzpistole544, ein in der Hand gehaltenes Holzstück mit der Ankündigung, bewaffnet zu sein545 oder der unter der Jacke ausgestreckte Zeigefinger mit der Behauptung, eine Waffe zu tragen.

209Teilweise wird diese Einschränkung aus Opferschutzgesichtspunkten abgelehnt, weil es nicht entscheidend sein könne, ob die Nötigungswirkung durch die Betrachtung des Tatmittels oder erst durch eine (täuschende) Erklärung des Täters ausgelöst wird546. Zudem könne die Einschüchterung des Opfers, dem mit einer angeblich mit Salzsäure befüllten Flasche gedroht wird, ebenso groß sein wie bei einer echt aussehenden Waffe547. Nr. 1 lit. b soll nur dann ausscheiden, wenn es an einer relevanten Drohung fehlt, z. B. wenn der Täter mit einer pinkfarbenen Wasserpistole auftaucht oder die Lakritzpistole in der Hand schmilzt. Gegen diese durchaus plausiblen Argumente lässt sich jedoch anführen, dass § 244 Abs. 1 Nr. 1 in allen Varianten nur an die Gegenständlichkeit des mitgeführten Werkzeuges anknüpft, während das weitere Täterverhalten – wie eine Täuschung – unerheblich ist548.

210b) Bezüglich der räumlichen, zeitlichen und personellen Komponente des Beisichführens kann auf die Ausführungen zu § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a verwiesen werden549. Für eine Strafbarkeit nach Nr. 1 lit. b ist es dementsprechend ebenfalls ausreichend, wenn der Täter einen erst am Tatort vorgefundenen Gegenstand an sich nimmt, um diesen im Bedarfsfall einzusetzen550.

211c) Subjektiv verlangt § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, dass der Täter das Mittel mitführt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden551. Die Gebrauchsabsicht setzt dolus directus 1. Grades voraus552, wobei es genügt, dass der Täter das Werkzeug nur im „Bedarfsfall“ oder im „Notfall“ einsetzen will553. Ein nur geplanter Einsatz des Mittels gegen Sachen ist dabei nicht ausreichend554. Entscheidend ist, dass die Verhinderung oder Überwindung des Widerstandes des Opfers dazu dienen soll, den Diebstahl zu vollenden555. Hingegen genügt es nicht, wenn das Werkzeug nur dazu verwendet werden soll, eine etwaige Flucht zu sichern oder den Abtransport der Beute nach vollzogener Wegnahme zu ermöglichen556.

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