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III.Tatbestand 1.§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a

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172Die Qualifikation sanktioniert das Beisichführen einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs.

173a) Die Waffe ist nur ein gesetzlich genanntes Beispiel für den Oberbegriff des gefährlichen Werkzeugs. Dabei kann auf die Wertungen des WaffG zurückgegriffen werden, auch wenn dieses nicht unmittelbar maßgebend ist438. Als Waffen können nur solche „im technischen Sinne“ verstanden werden, wobei hierfür objektive Kriterien gelten439. Waffen sind demnach bewegliche Sachen, die zur Verursachung erheblicher Verletzungen von Personen generell geeignet sind und die nach ihrer Art dazu bestimmt sind, „die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen“ (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. a WaffG)440. Auf die Absicht, die Waffe zu verwenden oder einzusetzen, kommt es nicht an.

174aa) Erfasst werden zunächst Schusswaffen, bei denen Geschosse durch einen Lauf getrieben werden. Dabei kommen als Geschosse sowohl feste Körper als auch gasförmige, flüssige oder feste Stoffe in Umhüllungen in Betracht441. Bei der Beurteilung der Frage, welche Gegenstände als Schusswaffen begriffen werden können, kann auf § 1 Abs. 2 WaffG und insbesondere auf dessen Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 1, Ziffer 1.1 verwiesen werden.

Bspe.: Pistolen, Gewehre, Luftdruckpistolen.

175(1) Richtigerweise sind auch Gaspistolen, bei denen nur Gas aus dem Lauf tritt, Schusswaffen, da für das potentielle Opfer durch den Gasdruck eine entsprechende Gefährdungssituation entsteht442. Anderes gilt nur für Gaspistolen, bei denen das Gas nicht nach vorne austreten kann443. Letztlich kommt es auf die genaue Einordnung jedoch nicht an, da es sich in jedem Falle um Waffen im technischen Sinn handelt444.

176(2) Da Strafgrund die erhöhte Gefährlichkeit ist, muss die Schusswaffe nach h. M. bei § 244 Nr. 1 lit. a Var. 1 einsatzfähig sein, d. h. jederzeit schussbereit gemacht werden können445. Dies ist der Fall, wenn die Waffe sofort durch verfügbare Munition geladen werden kann, nicht aber, wenn sie defekt oder keine Munition vorhanden ist. Daher werden auch sog. Schein- bzw. Anscheinswaffen – wie Spielzeugpistolen – nicht erfasst, auch wenn diese nunmehr in § 42a WaffG aufgeführt sind446. Freilich ist die Anwendung einer der anderen Alternativen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und b nicht ausgeschlossen.

177bb) Sonstige Waffen im technischen Sinne sind mechanische und chemische Waffen. Zu den mechanischen Waffen gehören alle Hieb-, Stoß-, und Stichwaffen, wie z. B. Butterfly-Messer, Dolche, Springmesser, Stahlruten, Schlagringe, Gummiknüppel, Handgranaten, Molotow-Cocktails. Chemische Waffen sind Kampfstoffe sowie Gaspistolen, soweit diese nicht als Schusswaffe einzustufen sind.

178(1) Maßgeblich ist, dass die Gegenstände objektiv zur Verursachung erheblicher Verletzungen bestimmt sind447. Auszuscheiden sind daher Alltagsgegenstände, welche zwar aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit, nicht jedoch auf Grundlage ihrer Zweckbestimmung als Angriffs- oder Verteidigungsmittel einzustufen sind.

Bspe.: Übliches Taschenmesser, Axt, Fleischermesser, Baseballschläger, Schraubenzieher. Im Einzelfall ist jedoch zu prüfen, ob diese von § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Var. 2 oder Nr. 1 lit. b erfasst werden.

179(2) Streitig ist, ob Schreckschusswaffen technische Waffen sind. Vor allem die Rechtsprechung bejaht dies aufgrund der mit Schusswaffen vergleichbaren Gefährlichkeit und dem Umstand, dass diese in großem Umfang auch tatsächlich für Angriffs- oder Verteidigungszwecke verwendet werden448. Dabei soll es weder auf die Entfernung zum Opfer ankommen449 noch soll es eine Rolle spielen, ob die Waffe am Kopf oder Körper des Opfers angesetzt werden kann450. Entscheidend ist vielmehr, ob der Explosionsdruck nach vorne durch den Lauf austritt451. Dagegen wird eingewandt, dass allein die Ähnlichkeit mit einer Schusswaffe die Einstufung nicht rechtfertige und ansonsten auch viele andere Gegenstände als Waffen im technischen Sinne eingestuft werden müssten452. Auch sei zu beachten, dass es nicht auf die tatsächliche Verwendung als Waffenersatz, sondern die Zweckbestimmung ankomme. Für die Rechtsprechung spricht aber, dass Schreckschusspistolen auch vom Waffengesetz als technische Waffen angesehen werden (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 i. V. m. Anlage 1 WaffG) und ihre Wirkung durchaus mit Gaspistolen vergleichbar ist453.

180cc) § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a lässt das Beisichführen einer Waffe genügen. Die spezifische Gefährlichkeit kommt freilich nur zum Tragen, wenn der Täter oder ein Beteiligter sie in enger Beziehung zur Diebstahlstat mitführt. Dabei ist ein Beisichführen nur bei beweglichen Gegenständen, nicht aber etwa bei einer fest installierten Selbstschussanlage möglich454. Zu unterscheiden sind im Übrigen eine räumliche, eine zeitliche und eine personelle Komponente.

181(1) Die räumliche Komponente verlangt, dass die Waffe jederzeit griffbereit sein muss, damit der Täter sich ihrer bei der Tatausführung zeitnah bedienen kann455. Nicht erforderlich ist jedoch, dass sich die Waffe unmittelbar am Körper befindet oder der Täter sie gar in seinen Händen hält456. Daher genügt es, wenn der Täter die Waffe samt Munition in einem Rucksack bei sich führt, da hier ein Einsatz ohne größere zeitliche Zäsur möglich ist457. Ausreichend ist es auch, wenn der Täter die Waffe oder das Werkzeug im Vorfeld der Tat am Tatort deponiert hat458.

Bsp. (1):459 T parkt seinen Wagen mit einer Waffe im Kofferraum 200 m entfernt von dem Supermarkt, in dem er einen Diebstahl begeht. – Da T hier nicht ohne weiteres in der Lage ist, die Waffe zum Einsatz zu bringen und damit das von der Vorschrift vorausgesetzte Gefährdungspotential nicht vorliegt, ist § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a zu verneinen.

Bsp. (2):460 T nimmt in der Küche des O Geld weg, wobei auf der Spüle ein Küchenmesser liegt. – Hier führt T das Messer ungeachtet seiner Eigenschaft als gefährliches Werkzeug nicht mit sich; ansonsten wäre bei jedem Diebstahl in Wohnungen § 244 verwirklicht. Entsprechendes ergibt sich auch, wenn man auf ein „bewusst gebrauchsbereites“ Beisichführen abstellt461 oder den Werkzeugcharakter aufgrund der konkreten Tatsituation462 oder einer subjektiven Verwendungsabsicht verneint463.

182(2) Die zeitliche Komponente verlangt, dass dem Täter die Waffe zu irgendeinem Zeitpunkt während der Tat zur Verfügung gestanden haben muss. Nicht erforderlich ist dagegen, dass diese während der gesamten Tatausführung griffbereit ist464. Ausreichend ist nach h. M. ferner, dass die funktionsfähige Waffe – und entsprechend das gefährliche Werkzeug i. S. d. Var. 2 – selbst Gegenstand der Wegnahme und damit Diebstahlsobjekt ist, weil mit Begründung der Verfügungsmacht über die Waffe die erhöhte Gefährlichkeit einhergeht465. Zu beachten ist, dass das bloße Mitführen einer Waffe noch keinen Versuch des Diebstahls begründet, da der Versuchsbeginn des Grunddelikts unabhängig von der Qualifikation zu beurteilen ist und das Beisichführen noch kein unmittelbares Ansetzen zur Wegnahme darstellt466.

183Umstritten ist, in welcher Phase der Deliktsverwirklichung der Täter die Waffe bei sich führen muss. In Bezug auf den Tatbeginn muss zumindest die Schwelle zum Versuch überschritten sein, so dass die Mitführung im Vorbereitungsstadium nicht genügt467. Fraglich ist dagegen, ob es auch noch ausreicht, dass der Täter die Waffe nur im Beendigungsstadium bei sich führt.

Bsp.: T steigt zu einem Diebstahl in den Geschäftsraum des O ein. Die Schusswaffe versteckt er 200 m entfernt im Wagen. Als T unerwartet von O überrascht wird, gelingt es ihm noch, mit der Beute in einer Sporttasche zu fliehen und vor dem B mit dem Wagen davonzufahren. – Mit dem Einstecken der Beute in die mitgebrachte Tasche (Gewahrsamsenklave) liegt ein vollendeter Diebstahl vor. § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ist zu diesem Zeitpunkt nicht verwirklicht, da mangels räumlicher Nähe keine Zugriffsmöglichkeit auf die Waffe bestand. Die Waffe stand T daher erst zwischen Vollendung und Beendigung der Tat zur Verfügung.

184Die h. M. bejaht die Qualifikation auch in der Beendigungsphase, da die Vollendung mitunter schwer zu bestimmen und das Mitführen der Waffe in diesem Deliktsstadium – vor allem während der Flucht – oftmals genauso gefährlich sei468. Dagegen spricht aber, dass die Strafschärfung des § 244 an den Grundtatbestand des § 242 anknüpft, dieser aber nur die Vollendung tatbestandlich fixiert. Das Heranziehen der tatsächlichen Beendigung der Tat lässt sich daher nicht in Einklang mit Art. 103 Abs. 2 GG bringen469. Zudem wird die Phase der Beutesicherung von § 252 (ggf. i. V. m. § 250) erfasst, dessen Voraussetzungen ansonsten unterlaufen würden470.

185Fraglich ist, ob ein Teilrücktritt von § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a (Nr. 1 lit. b) möglich ist, wenn der Täter die bei sich geführte Waffe während der Tatausführung wieder wegwirft. Dann bliebe nur eine Strafbarkeit nach § 242. Zwar ist die Figur des Teilrücktritts von der Qualifikation grundsätzlich anzuerkennen471, jedoch muss man sehen, dass mit dem Beisichführen die Qualifikation bereits vollendet ist, so dass ein Rücktritt nach § 24 gar nicht in Betracht kommt472. Möchte man darauf abstellen, dass in diesen Fällen kein erhöhtes Strafbedürfnis besteht, da die abstrakte Gefahr beseitigt wird und noch keine konkrete Gefahr eingetreten ist, so kann man allenfalls die Grundsätze über die tätige Reue heranziehen473. Im Übrigen müsste man schon mit einer restriktiven Auslegung des Merkmals „Beisichführen“ ansetzen und für dessen Vollendung verlangen, dass die in dem Beisichführen der Waffe liegende Gefahr „real werden könnte“, indem sie mit der Sphäre des Opfers in Verbindung kommt474.

186(3) Letztlich ist die personelle Komponente zu beachten. Sowohl der Täter als auch ein anderer Beteiligter i. S. v. § 28 Abs. 2 (Mittäter, Anstifter oder Gehilfe) kann die Waffe bei sich führen.

Bsp.: A stiftet den T zu einem Diebstahl an und übergibt ihm eine Waffe, die T jedoch zu Hause lässt. A, der nicht am Tatort anwesend ist, trägt hingegen während der Tatzeit eine Waffe. – Da keiner der Beteiligten die Waffe während der Tat am Tatort griffbereit bei sich führt, ist § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a nicht verwirklicht.

187Führt der Täter eine Waffe bei sich, so haftet der Teilnehmer gemäß §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 26 bzw. § 27 akzessorisch, soweit er den erforderlichen Teilnehmervorsatz hinsichtlich des Beisichführens durch den Haupttäter besitzt. Führt lediglich der Gehilfe während der Tat eine Waffe mit sich, so verwirklicht der Täter § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, wenn er diesbezüglich Vorsatz hat; der Gehilfe haftet dann wiederum akzessorisch.

188Nicht erforderlich ist, dass der die Waffe mitführende Beteiligte schuldfähig und damit strafbar ist475. Denkbar ist auch, dass der Täter sich zur Mitführung der Waffe eines gutgläubigen Werkzeugs bedient, so dass diese dem Täter während der Tatausführung zur Verfügung steht und daher ein eigenes Beisichführen vorliegt476.

Bsp.: Mittäter A versteckt vor dem Diebstahl unbemerkt von Mittäter B in dessen Manteltasche eine Pistole. – A macht sich nach §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a strafbar.

189Diskutiert wird ferner eine teleologische Reduktion für sog. Berufswaffenträger (z. B. Polizisten, Soldaten, private Wachleute), die regelmäßig Waffen bei sich tragen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist der hohe Strafrahmen und der Umstand, dass sich bei § 244 keine dem § 243 Abs. 2 entsprechende Geringwertigkeitsklausel findet.

Bsp.: Die Polizisten T und O, die vorschriftsgemäß ihre Dienstwaffen tragen, verbringen die Mittagspause an einer Imbissbude. – T trinkt die Cola des O leer, obwohl dieser das ausdrücklich verbietet. Fraglich ist, ob T sich nicht nur nach § 242, sondern auch § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Var. 1 strafbar gemacht hat.

190Gegen eine Anwendung des § 244 wird angeführt, dass bei einem Berufswaffenträger die erhöhte Gefährlichkeit nicht ohne weiteres gegeben sei und diesem zur Tatzeit häufig das Bewusstsein fehlen werde, eine Waffe bei sich zu führen477. Auch ergebe sich eine Pflichtenkollision, wenn einerseits das Gesetz von ihm verlange, eine Dienstwaffe zu tragen und er diese auf der anderen Seite wegen § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ablegen müsse478. Hiergegen spricht jedoch, dass es der Täter durch Unterlassen des Diebstahls in der Hand hat, der Pflichtenkollision zu entgehen479. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass ein Polizeibeamter in einer kritischen Situation – wenn er z. B. vom Opfer überrascht wird – ebenso zur Waffe greift wie jeder andere Täter, zumal er aufgrund seiner dienstlichen Stellung auch mit disziplinarrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat480. Im Übrigen ist es für § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a unerheblich, ob der Täter die Waffe zur Verwendung bei sich führt481. Es genügt vielmehr das sachgedankliche Mitbewusstsein, dass er eine Waffe mit sich führt482. Dem widersprechen freilich – im Folgenden noch darzustellende483 – Tendenzen in der neueren Rechtsprechung, die ein bewusstes Beisichführen verlangen484.

191b) Für die Definition des (sonstigen) gefährlichen Werkzeugs i. S. v. § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Var. 2 verwies der Gesetzgeber in seiner Begründung fehlerhaft auf die Grundsätze des § 224 Abs. 1 Nr. 2485 und hat damit einen unnötigen Streit hervorgerufen. Bei § 224 Abs. 1 Nr. 2 lässt sich die Gefährlichkeit des Werkzeugs relativ einfach bestimmen, weil dieses dort eingesetzt werden und auch zu einer Körperverletzung geführt haben muss. Dementsprechend ist für die Einstufung eines Werkzeugs als gefährlich die konkrete Art und Weise des Einsatzes entscheidend. Hingegen kann es bei § 244 von vornherein nicht auf einen Einsatz des Werkzeugs ankommen, da die Pönalisierung an das bloße Beisichführen anknüpft und die konkrete Verwendung daher ungewiss bleibt.

Bspe.: T führt beim Ladendiebstahl von drei Whiskyflaschen an seinem Gürtel ein übliches Taschenmesser mit sich, um damit Sicherungsetiketten zu entfernen486; Rentnerin R stiehlt eine Schachtel Zigaretten, wobei sich in ihrer Handtasche eine Nagelfeile befindet. – Da die Gegenstände nicht eingesetzt werden, bleibt mangels konkreter Verwendung unklar, ob diese überhaupt erhebliche Verletzungen hervorgerufen hätten.

192Nach welchen Kriterien die Gefährlichkeit des Werkzeugs zu bestimmen ist, ist im Einzelnen sehr streitig. Trotz des kaum noch zu überschauenden Streitstandes487 lassen sich zwei grobe Linien skizzieren: Nach der abstrakt-objektiven Betrachtungsweise kommt es darauf an, ob der Gegenstand objektiv gefährlich ist488; nach der konkret-subjektiven Betrachtungsweise ist das Werkzeug nur dann gefährlich, wenn es seitens des Täters eine entsprechende Widmung erfährt489. Die Rechtsprechung wies insoweit zunächst kaum Konturen auf. So tendierten einige OLG490 aufgrund eines Hinweises des BGH491 zunächst in Richtung einer subjektiven Betrachtungsweise; sie verlangten bei Werkzeugen, die als Gebrauchsgegenstände nicht allgemein zur Verletzung von Personen bestimmt sind, sondern jederzeit sozialadäquat bei sich geführt werden können, dass neben der objektiven Beschaffenheit eine generelle, vom konkreten Lebenssachverhalt losgelöste Bestimmung des Werkzeuges zur Verwendung gegen Menschen seitens des Täters hinzutreten muss. Inzwischen hat sich der BGH jedoch gegen die konkret-subjektive Betrachtungsweise ausgesprochen und möchte eine Abgrenzung allein anhand objektiver Kriterien vornehmen492.

193aa) Abstrakt-objektive Betrachtungsweise: Der BGH bestimmt das gefährliche Werkzeug nunmehr allein nach objektiven Kriterien und fragt daher, ob der Gegenstand aufgrund seiner Beschaffenheit geeignet und bestimmt ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Auf dieser Grundlage bezieht er ein Taschenmesser mit einer längeren Klinge ein, weil dieses zum Schneiden und Stechen bestimmt sei und jederzeit gegenüber Personen gebraucht werden könne, so dass von diesem eine latente Gefahr ausgehe493. Auf ein sozial übliches Mitführen, die besondere Tatsituation oder gar eine subjektive Widmung zum gefährlichen Werkzeug kommt es demnach nicht an.

194Einschränkungen verfolgt die Rechtsprechung lediglich auf subjektiver Ebene, wenn sie neben einer objektiven Betrachtungsweise für den Vorsatz ein bewusst gebrauchsbereites Beisichführen des Gegenstandes verlangt494. Demnach ist das allgemeine, noch auf keinen bestimmten Zweck gerichtete aktuelle Bewusstsein erforderlich, ein funktionsbereites Werkzeug zur Verfügung zu haben, das geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Ein solches Bewusstsein soll vor allem beim Mitsichführen von Alltagsgegenständen wie einem Messer oder einer Nagelfeile sowie bei Arbeitsgegenständen495 nicht auf der Hand liegen496. Hat der Täter den Gegenstand kurz vor der Tat – etwa das Taschenmesser zum Schneiden von Obst – benutzt, mag der Tatnachweis eher gelingen497. Freilich ist nicht zu verkennen, dass hierdurch ein gewisser Widerspruch zu den Berufswaffenträgern hervorgerufen wird, bei denen bislang ein sachgedankliches Mitbewusstsein genügen soll498. Dennoch gibt es erste Stimmen, die dieses für gefährliche Werkzeuge entwickelte Erfordernis auch auf Waffen übertragen499.

195Kritik: Eine rein objektive Betrachtungsweise, die eine nur latente „Gefahr“ genügen lässt, trägt dem für die Straferhöhung erforderlichen Unrechtsgehalt nicht hinreichend Rechnung500. Dies gilt umso mehr, als auch das sozial übliche Mitführen von Alltagsgegenständen in weitem Umfang erfasst wird. Im Übrigen muss der BGH selbst einräumen, dass seine Lösung „zu einer schwer kalkulierbaren Einzelfallkasuistik“ führen könne501, zumal er auf nähere Präzisierungen verzichtet. Einschränkungen lassen sich auf dieser Grundlage nur noch im Vorsatzbereich über das – ebenfalls wenig scharfe – Erfordernis des gebrauchsbereiten Beisichführens des Gegenstandes herbeiführen502.

196bb) Modifikationen der objektiven Betrachtungsweise: In der Literatur werden verschiedene Modifikationen der objektiven Betrachtungsweise, deren Übergänge zu einer subjektiven Bestimmung fließend sind, vertreten.

197(1) Teilweise wird – recht restriktiv – ein gefährliches Werkzeug nur bejaht, wenn der Gegenstand einem gesetzlichen Verbot (mit Erlaubnisvorbehalt) unterliegt und daher nicht frei verfügbar ist503. Neben dem Umstand, dass das Gesetz für eine solche Differenzierung keinen Anhaltspunkt bietet, wäre es auch wenig einleuchtend, wenn ein nicht zugelassenes Betäubungsmittel den Tatbestand eröffnen würde, ein mitgeführter Baseballschläger hingegen nicht504.

198(2) Überzeugender ist es demgegenüber, den Begriff des gefährlichen Werkzeugs in Anlehnung an § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Var. 1 restriktiv zu bestimmen505. Zu fragen ist demnach, ob das Werkzeug in der konkreten Situation an die Gefährlichkeit von Waffen heranreicht und damit Waffenersatzfunktion hat506. Ausscheiden müssen hier – anders als bei einer konkret-subjektiven Betrachtungsweise – zunächst Gegenstände, von denen grundsätzlich keine gesteigerten Verletzungsgefahren ausgehen und die nur aufgrund der besonderen Einsatzweise des Täters im Einzelfall zu erheblichen Verletzungen führen können507.

Bsp.: Schuhe können zwar im Einzelfall ein gefährliches Werkzeug i. S. v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 darstellen; dies aber nur dann, wenn sie in vom typischen Gebrauch abweichender Art und Weise eingesetzt werden. Das Gefährdungspotential ist im Übrigen mit einer Waffe nicht vergleichbar. Entsprechendes gilt für die oben genannte Nagelfeile in der Handtasche oder den Hosengürtel. Plant der Täter im Einzelfall mit dem Schuh auf den Kopf zu treten, mit der Nagelfeile zuzustechen oder mit dem Gürtel zu würgen, greift § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ein.

Dagegen sind einsatzbereite Gegenstände, bei denen in der konkreten Situation von vornherein praktisch nur eine Verwendung als Angriffs- oder Verteidigungsmittel in Betracht kommt und denen typischerweise das Potential zur Zufügung von erheblichen Verletzungen innewohnt, stets einbezogen508.

Bspe.: Ein vergleichbares Gefährdungspotential wie eine Waffe besitzen etwa ein mitgeführter Knüppel, abgebrochene Flaschen oder Salzsäure; diese können ersichtlich nur als Angriffs- oder Verteidigungsmittel dienen.

199Besonders problematisch bleibt das sozial übliche Mitführen von Alltagsgegenständen wie z. B. von Taschenmessern. Dabei muss man freilich sehen, dass richtigerweise auch die konkrete Tatsituation zu berücksichten ist509. Weist demnach das Mitsichführen des Gegenstandes vom Standpunkt eines objektiven Beobachters nicht auf den Einsatz als Angriffs- oder Verteidigungsmittel hin, so liegt auch kein gefährliches Werkzeug vor. Dies dürfte vor allem bei zusammengeklappten und in Taschen verstauten Taschenmessern häufig der Fall sein510.

Bsp.:511 Wanderer T, der allein auf weiter Flur ist, pflückt einen Apfel vom Baum des O und schneidet diesen mit seinem Taschenmesser auseinander. – Das Taschenmesser ist nicht als gefährliches Werkzeug einzustufen. Schon mangels Anwesenheit anderer Personen deutet nichts auf einen Einsatz als Angriffs- und Verteidigungsmittel hin. Die bloße latente Gefährlichkeit eines solchen Messers genügt nicht.

Gegenbsp.: T führt bei der Tat einen Baseballschläger mit sich, obgleich er diese Sportart gar nicht betreibt. – Der Baseballschläger ist hier als Angriffs- und Verteidigungsmittel einzustufen, so dass § 244 Abs. 1 Nr. 1a Var. 2 zu bejahen ist. Anders wäre zu entscheiden, wenn T den Schläger nach einem Training in der Tasche mitführt und im Supermarkt ein Erfrischungsgetränk einsteckt.

200Entsprechendes gilt auch für das berufsbedingte Mitführen von Werkzeug, wie Schraubenzieher, Bolzenschneider usw.; sowie für Einbruchswerkzeug, das – wie ein Stemmeisen – in erster Linie dem Gewahrsamsbruch und damit gerade nicht als Angriffs- und Verteidigungsmittel dient512. Entsprechendes gilt für das Taschenmesser, mit dem Sicherungsetiketten durchtrennt werden sollen513. Freilich sind auch solche Werkzeuge nicht generell auszuklammern, wenn die konkrete Tatsituation für eine Einstufung als Angriffs- und Verteidigungsmittel spricht514. Letztlich lassen sich diese Grundsätze auch auf Fälle der Wegnahme gerade solcher Werkzeuge übertragen. So begründet der Diebstahl eines Taschenmessers, eines Schraubenziehers, einer Säge usw. nicht per se den höheren Unrechtsgehalt des Qualifikationstatbestandes, obgleich man begrifflich von einem Beisichführen ausgehen könnte515.

201cc) Konkret subjektive Betrachtungsweise. Diese wird mitunter in der Literatur bevorzugt und daher ein sog. Verwendungsvorbehalt verlangt516. Demnach ist ein Werkzeug für sich genommen nie gefährlich, sondern nur dann, wenn der Täter es zum gefährlichen Werkzeug widmet. Ein gefährliches Werkzeug liegt demnach vor, wenn der mitgeführte Gegenstand bei der Tat – im „Bedarfsfall“ – nach Vorstellung des Täters so verwendet werden soll, dass im Falle des Einsatzes § 224 Abs. 1 Nr. 2 erfüllt wäre. Manche wollen diese Lehre dahingehend erweitern, dass der innere Vorbehalt genügt, die Verwendung des Gegenstandes nur anzudrohen, wenn die Realisierung der Drohung zu einer erheblichen Verletzungsgefahr führen würde517. In eine ähnliche Richtung geht auch eine jüngere Entscheidung des OLG Stuttgart518, die zwar mit der Waffenersatzfunktion einen objektiven Ausgangspunkt wählt, dann jedoch verlangt, dass der Einsatz des Werkzeugs gegen das Opfer drohen muss, wofür die innere Haltung des Täters maßgeblich sei. Der Vorzug dieser Ansichten liegt darin, dass zumindest teilweise auf die zu § 224 entwickelte Dogmatik zurückgegriffen werden kann. Auch wird geltend gemacht, dass damit eine hinreichend klare Abgrenzung gewährleistet werden kann519. In den genannten Beispielen hängt die Einstufung des Gegenstandes als gefährliches Werkzeug daher davon ab, ob der – nach dem Verwendungsvorbehalt zu bestimmende – Einsatz zu erheblichen Verletzungen i. S. d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 geführt hätte. Dies wäre beim Taschenmesser oder der Nagelfeile etwa der Fall, wenn diese „im Bedarfsfall“ eingesetzt werden sollen.

202Kritik: Gegen eine solch subjektive Betrachtungsweise sind aber grundlegende Einwände zu erheben. Zunächst wird die gesetzgeberische Intention unterlaufen, wonach bei Nr. 1 lit. a allein das Beisichführen strafschärfend wirken soll520. Damit wird aber deutlich, dass es auf einen vor der Tat liegenden Verwendungsvorbehalt überhaupt nicht ankommen kann. Ferner muss man sehen, dass in systematischer Hinsicht auch die Grenzen zur Nr. 1 lit. b verschwimmen, die an die Verwendung ungefährlicher Werkzeuge im subjektiven Bereich erhöhte Anforderungen stellt, um einen der Nr. 1 lit. a entsprechenden Unrechtsgehalt zu normieren521. Dabei soll nicht verkannt werden, dass Nr. 1 lit. b zusätzlich an die Absicht, Widerstand zu verhindern oder zu überwinden, anknüpft522; freilich liegt dem Verwendungsvorbehalt ebenfalls diese Zielrichtung zugrunde, andernfalls würde dieser von vornherein keinen rechten Sinn ergeben. Und letztlich muss – wenn sich der Täter keine weiteren Gedanken macht oder dies nicht zu widerlegen ist – der Tatbestand entweder (in dubio pro reo) verneint oder dessen Anwendung doch auf objektive Indizien (wie Größe, Beschaffenheit des Gegenstandes oder Art der Mitführung) gestützt werden. Dass der Gesetzgeber auch beim subjektiv gefassten § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b die prozessuale Nachweisbarkeit voraussetzt523, ändert nichts daran, dass letztlich doch auf objektive Kriterien zurückzugreifen ist524.

203Stellungnahme: Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelungen streiten folglich vielmehr für eine objektive Betrachtungsweise, die auf eine Waffenersatzfunktion abstellt525. Das gefährliche Werkzeug ist der Oberbegriff für das gesetzlich genannte Beispiel der Waffe, die objektiv zu bestimmen ist und insoweit eine gewisse Orientierung bieten kann. Hingegen gewinnt die Verwendungsabsicht nach der Gesetzessystematik (argumentum e contrario) erst bei Nr. 1 lit. b an Bedeutung. Zugegebenermaßen mag die Grenzziehung nicht immer ganz eindeutig sein526. Andererseits ist es durchaus sachgerecht, dass für den Unrechtsgehalt der Tat die konkrete Situation mit einbezogen wird. Letztlich vermag auch die subjektive Betrachtungsweise Abgrenzungsschwierigkeiten nicht zu beseitigen, weil der Verwendungsvorbehalt häufig entweder auf eine Fiktion hinausläuft oder doch objektive Kriterien zur Ermittlung des subjektiven Willens erfordert. Letztlich ist diese Lösung auch gegenüber der rein objektiven Bestimmung durch den BGH, die den Werkzeugbegriff zu sehr ausdehnt, überlegen527. Strafbarkeitslücken sind demgegenüber nicht zu befürchten, da bei Alltagsgegenständen und Einbruchswerkzeug immer noch §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b oder Nr. 3 in Betracht kommen können. Da sich gegen alle vorgeschlagenen Lösungen jedoch Einwände vorbringen lassen und eine gewisse Unbestimmtheit nicht zu vermeiden ist, bedarf es letztlich einer gesetzgeberischen Korrektur528. Soweit nunmehr in § 244 Abs. 3 ein minder schwerer Fall zur Vermeidung unangemessener Strafen aufgenommen wurde529, überzeugt dies nicht, da eine Präzisierung der gesetzlichen Voraussetzungen und damit eine Sicherung der tatbestandlichen Bestimmtheit so nicht erreicht wird.

Strafrecht - Besonderer Teil II

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