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a) Kredit und Zahlungsunfähigkeit

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Forderungen der Bank gegen den Kreditkunden aus Darlehensvertrag stellen aus Sicht eines Unternehmens regelmäßig eine betriebswirtschaftlich bedeutsame, nicht selten die wesentliche Verbindlichkeit dar. Das Bankdarlehen gewährleistet regelmäßig die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderliche Liquidität, indem es die Finanzierung von betriebswirtschaftlich erforderlichen Investitionen im Bereich des Anlage- oder Umlaufvermögens eines Unternehmens ermöglicht. Eine Kündigung des Kredits in bzw. aufgrund einer wirtschaftlichen Krisensituation begründet die vorzeitige Fälligkeit dieser Verbindlichkeit (i.S.v. § 271 BGB), damit die zivilrechtliche Pflicht des Bankkunden, das Darlehen vorzeitig vollständig zurückzuführen. Streben die Bankverantwortlichen die Rückführung des Kredits auch tatsächlich an, etwa indem sie die Kündigung mit einer Zahlungsaufforderung (ggf. unter Fristsetzung) verbinden, liegt auch ein „ernsthaftes Einfordern“ und damit Fälligkeit im insolvenzrechtlichen Sinn vor.[219] Die hierdurch verursachte Liquiditätslücke wird in Abhängigkeit des betroffenen Kreditvolumens nicht selten den Umfang von 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten übersteigen. Die Kreditrückführung verursacht daher regelmäßig nicht nur ein „ganz geringfügiges“ Liquiditätsdefizit,[220] das als „nicht wesentlich“ bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit außer Betracht bliebe.

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Zudem werden im Anschluss an die Kündigung und Rückforderung eines Darlehens durch die Bank gerade in der Unternehmenskrise die Voraussetzungen einer nur vorübergehenden, zeitnah zu überwindenden Zahlungsstockung häufig nicht vorliegen. In der betriebswirtschaftlichen Krisensituation ist ein Unternehmen im Anschluss an die Kündigung eines Bankdarlehens allenfalls in der Lage, das Defizit an liquiden Mitteln innerhalb der von der Rechtsprechung eingeräumten „dreiwöchigen Frist“[221] zu beseitigen und den Kredit zurückzuführen, sofern ein anderes Kreditinstitut bereit ist, in der Krise ein entsprechendes Darlehen zu gewähren. Eine kurzfristige „Umschuldung“ binnen drei Wochen ist in dieser Situation – wegen des gesteigerten Kreditrisikos und des zusätzlich „negativen Einflusses“ der erfolgten Kreditkündigung – häufig nicht realistisch. Gerade in einer wirtschaftlichen Krisensituation fehlt dem betroffenen Unternehmen die erforderliche Bonität, um das „Vertrauen“ eines anderen Kreditgebers zu gewinnen und diesen zu einer Kreditvergabe an das Unternehmen zu bewegen, wenn unmittelbar zuvor ein anderes Kreditinstitut ein Darlehen wegen der wirtschaftlichen Schieflage gekündigt hat. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass durch die Kreditkündigung in der Krise des Bankkunden regelmäßig Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 InsO eintritt, sofern es der Unternehmensleitung nicht gelingt, die Liquiditätslücke durch eine anderweitige Kreditaufnahme innerhalb von drei Wochen nach Ablauf der Rückzahlungsfrist zu schließen (Umschuldung bzw. Sanierungskredit durch andere Darlehensgeber) oder die Bankverantwortlichen im Anschluss an die Kündigung zu einer Stundung des Rückerstattungsanspruchs (ggf. als Sanierungsbeitrag der kündigenden Bank) zu veranlassen. Wirtschaftlich gesehen wird dem Unternehmen durch eine Kündigung und Rückforderung des Darlehens in der Krise häufig jedoch der „Todesstoß“ versetzt, d.h. die Krisensituation irreversibel vertieft.[222] Die enge Verknüpfung zwischen dem Kreditgeschäft der Banken, der „Kreditentscheidung“ der Bankverantwortlichen in der Krise und den rechtlichen Voraussetzungen des Insolvenzeröffnungstatbestands der Zahlungsunfähigkeit liegt damit deutlich zu Tage.

Bankrott und strafrechtliche Organhaftung

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