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2. Informationen aus der Bankverbindung, den Geschäftskonten und Kreditunterlagen

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Bankmitarbeitern werden aus der Geschäftsverbindung frühzeitig Indizien einer wirtschaftlichen Krise des Geschäftskunden bekannt. Hierzu zählen etwa ein plötzlicher Kreditmehrbedarf, insbesondere wegen der Forderung von Lieferanten nach Vorkasse,[11] die „Rückholung“ von Ware durch Lieferanten, die unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurde[12] sowie steigende Vorräte („Lager“) ohne gleichzeitiges Ansteigen der Außenstände (Absatzstockungen).[13] Ähnlichen, allerdings eher abgeschwächten Indizcharakter besitzen Verzögerungen bei der Aushändigung von Jahresabschlüssen oder anderer (angeforderter) Kreditunterlagen, Auffälligkeiten bzw. Unklarheiten in der Buchhaltung oder eine steigende Anzahl von Auskunftsanfragen anderer Kreditinstitute.[14]

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Darüber hinaus beinhaltet die Geschäftsverbindung insbesondere zwei weitere ergiebige Erkenntnisquellen: die Geschäftskonten des Unternehmens und übergebene Kreditunterlagen. Sofern ein Unternehmer seine Geschäftskonten bei dem betroffenen Institut als seiner „Hausbank“ unterhält, liefert der Einblick der Bankverantwortlichen in die Konten eine Vielzahl teilweise detaillierter Informationen. Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Verfassung, namentlich die Liquiditätslage, lässt nicht allein der Saldo der Konten zu. Von Interesse sind ebenfalls einzelne Kontobewegungen, d.h. erfolgte sowie nicht (mehr) durchgeführte (unterlassene) Transaktionen. Neben andauernden „Überziehungen“ von Konten, die weder saisonal bedingt noch durch andere, nachvollziehbare Umstände veranlasst sind,[15] weisen etwa ausbleibende oder verkürzte Zahlungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern[16] bzw. der sonstigen Personalkosten oder Steuern[17] auf wirtschaftliche Probleme hin. Dies gilt in besonderem Maß für Pfändungen in die Bankkonten durch andere Gläubiger. Den Bankmitarbeitern sind also eine Vielzahl von Indizien, die eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Bankkunden belegen, durch Einsicht in die Geschäftskonten häufig unmittelbar zugänglich. Vor allem Mitarbeiter der „Hausbank“ des betroffenen Unternehmens bemerken aus diesem Grund – häufig bereits sehr frühzeitig – erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Krise, regelmäßig auch deutlich vor den übrigen Geschäftspartnern (Gläubigern) des Bankkunden, denen vergleichbare „Einblicke“ fehlen.[18]

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Daneben gewähren von Bankmitarbeitern angeforderte Auskünfte des Bankkunden über die wirtschaftliche Konstitution und Bonität seines Unternehmens im Vorfeld einer Kreditvergabeentscheidung sowie während der „Kreditlaufzeit“ nicht selten ebenfalls detaillierten Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Vorlage von Kreditunterlagen und die Erteilung ergänzender Auskünfte hierzu sind erforderlich, um das dem Darlehensvertrag immanente wirtschaftliche Risiko der Bank, mit der Kreditrückzahlung auszufallen, im Einzelfall gewichten und fortlaufend überprüfen zu können.[19] Im Kreditgeschäft ist die Beurteilung der Bonität des (potentiellen) Kreditnehmers von zentraler Bedeutung. Die Überprüfung der Kreditwürdigkeit vor einer Kreditentscheidung und während der Kapitalüberlassung entspricht zugleich „hergebrachten kaufmännischen Grundsätzen“.[20] Nur auf diese Weise kann durch die Bank tatsachenbasiert eine Risikoeinschätzung, ggf. eine Risikoneubewertung, vorgenommen werden. Durch die Vorlage von Jahresabschlüssen, Liquiditätsplänen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen, Business-Plänen bzw. anderer Kreditunterlagen und Auskünfte, erlangen Bankmitarbeiter umfassenden Einblick in die wirtschaftliche Situation des Geschäftskunden. Nicht selten offenbaren Bankkunden dabei eine wirtschaftliche Krisensituation aus eigener Initiative, etwa um die Prolongation bereits ausgereichter Darlehen, die Gewährung weiterer (Sanierungs-)Kredite oder eine möglichst einträgliche Gestaltung der Verwertung bestellter Kreditsicherheiten unter Beachtung wirtschaftlicher Interessen des Unternehmens zu erreichen.[21] Insoweit ist festzuhalten, dass Bankmitarbeitern durch Einblick in die Kreditunterlagen Informationen zur Kenntnis gelangen, die möglicherweise eine bilanzielle Überschuldung als Tatbestandsvoraussetzung des Eröffnungsgrundes der Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO) belegen.

Teil 2 Bankgeschäft und Insolvenz – zivil- und insolvenzrechtliche Grundlagen, wirtschaftliche ZusammenhängeB › II. Externe Informationsquellen

Bankrott und strafrechtliche Organhaftung

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