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Stadt des versicherten Glücks

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Bern sei «eine fantastische Stadt, aber da liegt noch mehr drin», sagte die grüne Gemeinderätin Franziska Teuscher im Jahr 2017, als die Regierung ihre Legislaturziele mit dem Label «Stadt der Beteiligung» präsentierte. Teuscher brachte damit zum Ausdruck, dass sie den rot-grünen Weg der Stadtentwicklung noch für längst nicht abgeschlossen hält.

Im idealisierten rot-grünen Bern ist Lebensqualität eine nach oben offene Kategorie, die ungefähr so funktioniert: Der wachsenden Bevölkerung werden reihenweise Grünflächen und Begegnungszonen übergeben, ausgestattet mit energieeffizienter Beleuchtung. Man trifft sich an runden Tischen zur Partizipation, vielsprachig übersetzt, damit niemand benachteiligt wird. Rundherum leben engagierte, sensible Menschen, die sich beteiligen am nachbarschaftlichen Alltag, die den Abfall in farbigen Säcken trennen und zu Fuss zur Sammelstelle bringen, ihren Kompost pflegen, ihr Auto teilen, aufgehobene Quartierparkplätze möblieren, für die Mittagspause das Mehrweggeschirr mitnehmen und über Nacht den WLAN-Router ausschalten.

Bern will Velohauptstadt sein, will Sporthauptstadt sein, Blumenstadt, hat das Energiestadtlabel Gold. Bern ist Fair-Trade-Town und tritt dem Rainbow-Cities-Network bei, das die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Intersex- und Transmenschen fördert. In besonders ekstatischen Momenten geht die Verklärung der Lebensqualität so weit, dass selbst das sommerliche Kultschwimmen in der bebadbaren Aare, wie sie der Bundes-Corona-Delegierte Daniel Koch im Frühsommer 2020 bezeichnete, als rot-grüne Errungenschaft gefeiert wird. Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt, so drückte es Stadtpräsident Alec von Graffenried einmal aus, «sollen sicher sein, nicht zu den Verlierern zu gehören». Bern als Kaskoversichererin des persönlichen Glücks?

Dass noch jemand davon träumt, den virtuos bewirtschafteten rot-­grünen Planenten für einen Trip nach Casablanca zu verlassen: unvorstellbar.

Die sich nach der Coronakrise ankündigende Rezession, der weiterwachsende Rückstand Berns auf die nationalen Wirtschaftszentren Genf und Zürich, das ungebremste Pendler- und Verkehrswachstum in der Agglomeration, die schwierige Finanzlage der Stadt und vieler Regionsgemeinden: Dem Grossraum Bern stehen Herausforderungen bevor, für die es hilfreich ist, ein nüchternes Bild der Verdienste und Irrwege der rot-grünen Stadt zu haben. Ein Bild, das weder den linken Teufel an der Wand zeigt, noch rot-grüner Erfolgsromantik huldigt.

Dazu will dieses Buch einen Beitrag leisten. Es erzählt Berns jüngste politische Geschichte, in der es auch darum geht, wie Menschen Macht erringen. Was sie mit der Macht machen. Und was die Macht mit ihnen macht.

Bern - eine Wohlfühloase?

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