Читать книгу Bern - eine Wohlfühloase? - Jürg Steiner - Страница 16

Bern gegen Blocher

Оглавление

An diesem Abstimmungs- und Wahlsonntag hatte eine legendäre und loyale Figur der Stadtberner Verwaltung ihren grossen Auftritt. Jürg Biancone übte seinen Job als Vizestadtschreiber seit 1981 mit seltenem Understatement aus. Egal, ob er einer Gemeinderatssitzung beiwohnte, an Wahltagen Gemeinderäten die brutale Nachricht ihrer Abwahl überbrachte, als Gesandter der Stadtregierung die Reitschule aufsuchte oder hinunter ins Gaswerkareal fuhr, um den Bewohnern des Hüttendorfs Zaffaraya die neusten Regierungsbeschlüsse persönlich zu überbringen: Der gewiefte Troubleshooter tat alles mit derselben Unaufgeregtheit.

Am Abend des 6. Dezembers trat er im Erdgeschoss des Erlacherhofs, des Stadtberner Regierungspalais aus dem 18. Jahrhundert an der Junkerngasse, ans Mikrofon, räusperte sich, griff sich kurz an die Brille. Nichts an seiner Körpersprache deutete darauf hin, dass er, verantwortlich für das korrekte Auszählen der Stimmen, gleich ein für die Stadt Bern historisches Resultat vermelden würde. Wenige Stunden zuvor hatten die Schweizer Stimmberechtigten den Beitritt der Schweiz zum EWR abgelehnt und damit der rechtsbürgerlichen SVP von Christoph Blocher den ersten ganz grossen nationalen Sieg beschert. Biancones warmer Bass verkündete nun die weltanschauliche Antithese zu Blochers neoliberaler SVP, zur bürgerlichen Schweiz, zum konservativen Kanton Bern: Die behäbige Bundesstadt, zuvor acht Jahre lang von einem soliden bürgerlichen Block regiert, erhielt neu eine linke Mehrheit in Regierung und Parlament, letztere allerdings mit 42 von 80 Sitzen hauchdünn. Die rot-grüne Insel, sie war plötzlich da.

Es war ein Paukenschlag, der jedoch die Wahrheit dieser politischen Wende übertönte: Streng genommen war sie gar keine Wende. Die Stadtberner Linke, die sich erstmals zu einer extrabreiten Rot-Grün-Mitte-Einheitsliste vom Grünen Bündnis (GB) bis zur Evangelischen Volkspartei (EVP) und zum Landesring der Unabhängigen (LdU) vereinigt hatte, holte bei den Gemeinderatswahlen bloss 48,9 Prozent der Stimmen. Die Mehrheit der Wählenden in der Stadt Bern sprach sich für die Kandidierenden rechts der Mitte aus. Bürgerliche und Rechts-aussen-Parteien erreichten gemeinsam 51,1 Prozent, allerdings aufgeteilt auf insgesamt fünf separate Kandidatenlisten.

Bern - eine Wohlfühloase?

Подняться наверх