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Der Druck auf die Mitte

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Lange elf Monate dauerten die Verhandlungen, ehe das Gerüst stand. «Wir haben Gespräche geführt ohne Ende», sagt Heinz Däpp bei einem Treffen in seiner Altstadtwohnung, «im Rückblick frage ich mich, woher wir die Energie nahmen, uns das anzutun.» Werner Seitz hatte die Wende punktgenau vorausberechnet, unter der Bedingung, dass die massgeschneiderte Koalition zwischen den ungleichen Partnern – die SP war rund zehnmal so stark wie die kleinen Mitteparteien – zustande kam.

Das ehrenamtliche Beratertrio war laut Heinz Däpp «hundertprozentig sicher, dass der Coup gelingt». Trotzdem gab es hartnäckigen internen Widerstand, namentlich aus der SP. Der spätere SP-Nationalrat Peter Vollmer zum Beispiel fetzte sich mit Parteipräsident Hans Stucki in der Zeitung «Bund» in einem heftigen Streitgespräch, in dem er kritisierte, die SP liefere sich den Bündnispartnern unter ihrem Wert aus und nutze ihr Potenzial nur ungenügend.

Den Druck auf die politische Mitte orchestrierten die RGM-Initianten mit einer eleganten Argumentation. Angesichts der Wirtschaftskrise stehe ein erbitterter Verteilkampf bevor. «Die Zeit der politischen Mitte ist vorbei», erklärte Seitz in der «Berner Zeitung», «wer mit dem Bürgerblock nicht zufrieden ist, muss bereit sein, ihn zu kippen.» Und das sei nur mit der linken Koalition möglich: «Sonst sind die kleinen Mitteparteien politisch erledigt.» EVP und LdU liessen sich weichklopfen, nicht mehr Zünglein an der Waage spielen zu wollen, sondern sich nach links zu bekennen.

Dass er als der Unabhängigkeit verpflichteter Journalist bei diesem politischen Projekt mitgemacht habe, «betrachte ich in der Rückschau als meinen Sündenfall», sagt Heinz Däpp, dessen Frau, Marianne Jacobi, zu den führenden Köpfen der SP-Stadtratsfraktion gehörte. Aber es habe ihn einfach zu stark gereizt, zum Wandel in der Stadt Bern beizutragen.

Am Ende des RGM-Gründungsmarathons entstand eine Wahlplattform mit der Bezeichnung «Gemeinsames Handeln für Mensch und Umwelt», gelinde gesagt der umfassendste je für die Stadt Bern formulierte politische Wunschkatalog. Gefordert wurden Dauerbrenner wie preisgünstige Wohnungen, Tempo 30, eine verkehrsfreie Innenstadt, mehr Veloinfrastruktur, mehr Gleichstellung, mehr Kultur – der auf die Stadt Bern herunterdeklinierte grösste gemeinsame Nenner rot-grüner Weltanschauung. Inklusive Steuererhöhung. «Laut meiner Erinnerung waren wir uns mit den Parteien über die politischen Inhalte relativ rasch einig», erzählt Heinz Däpp.

Bern - eine Wohlfühloase?

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