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Die «lieben Freunde» auf der Linken

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Am «historischen» 6. Dezember 1992 passierte politisch in der Stadt Bern fast nichts. Und gleichzeitig sehr viel. Rot-Grün-Mitte legte im Vergleich zu 1988 bloss um die homöopathisch kleine Dosis von 0,7 Prozent Stimmenanteile zu. Aber weil die Linken mit der RGM-Einheitsliste unterwegs waren, während der «Vierer mit» zerbrach, jagten sie mit diesem Minizuwachs den Bürgerlichen die Mehrheit ab.

Die rot-grüne Ära der Stadt Bern begann, ohne dass eine Mehrheit der Wählenden für Rot-Grün eingelegt hatte. Es brauchte – aus linker Sicht – an diesem Tag viel Glück. Aber es war kein Zufall.

Am 27. März 1991, 21 Monate zuvor, setzte Michael Kaufmann, Sekretär der SP Stadt Bern, einen Brief auf an die «lieben Freunde» von «Mitte-Links-Rot-Grün». Man kann dieses Schreiben als Initialzünder für das schweizweit erstmalige Experiment bezeichnen, ein politisches Bündnis von links aussen bis zu den eingemitteten Christen der EVP zu schliessen. Zusammen mit dem Bümplizer Hans Stucki, Präsident der städtischen SP, lud Kaufmann acht politische Parteien und Gruppierungen zu einem informellen Sondierungsgespräch in die Villa Stucki im Monbijouquartier, «das Ziel nicht aus den Augen lassend», wie sich Kaufmann ausdrückte, «die Mehrheitsverhältnisse in der Stadtberner Politik zu verändern».

Die SP spürte – nach der Niederlage von 1988 – den Druck ihres schleichenden Abwärtstrends. Bern hatte – anders als Zürich, Basel, Biel oder Genf – in der Zwischenkriegszeit nie eine richtig rote Phase gehabt, weil der einstigen Arbeiterpartei in der Verwaltungsstadt das Industrieproletariat fehlte. Trotzdem gaben die Sozialdemokraten von 1955 bis 1980 politisch den Ton an, Anfang der sechziger Jahre mit vier Sitzen im Gemeinderat vorübergehend sogar in absoluter Mehrheit. Allerdings ohne den Eindruck einer links regierten Stadt aufkommen zu lassen. Für einen feinen Linksdrall sorgte ab 1960 schon eher das nonkonformistische Junge Bern als in Bern sehr beliebtes Zünglein an der Waage, etwa mit dem populären Pfarrer Klaus Schädelin als Gemeinderat.

Dass die Bürgerlichen 1984 in der Stadt Bern die Regierungsmehrheit übernahmen, war eine Überraschung – und hatte viel mit dem Abbau der SP zu tun, die sich in inneren Richtungsstreitigkeiten, etwa um ihren langjährigen Gemeinderat Heinz Bratschi, selbst zerlegte. Noch Anfang der siebziger Jahre waren die Sozialdemokraten mit einem Wähleranteil von über 40 Prozent die mit Abstand stärkste Partei. Bis 1988 schmolzen aber 17 Prozentpunkte weg. Den Strategen Stucki und Kaufmann war klar, dass sie die SP bündnisfähig machen mussten, um sie in der Stadt Bern zurück an die Macht zu führen.

Parteipräsident Stucki, ursprünglich Fernmelde- und Elektronikapparatemonteur, studierte in Zürich Sozialarbeit und erwarb sein Diplom 1968 zur Zeit der Globuskrawalle. Danach arbeitete er – wie später Barack Obama – in den Armutsvierteln von Chicago, wo er mit den Ideen von Saul Alinsky in Berührung kam, der traditionelle Sozialarbeit als paternalistischen Wohlfahrtskolonialismus kritisierte. Alinsky verfolgte als Pionier einen neuen, demokratischen Ansatz des Community-Organizing von unten mit dem Ziel, die Quartierbevölkerung in die Lage zu versetzen, ihre Probleme selbst zu lösen. Zurück in Bümpliz, stürzte sich Stucki mit diesen Ideen in die lokale Jugend- und Gemeinwesenarbeit.

Michael Kaufmann, ausgebildeter Agronomie-Ingenieur mit Flair für Musik, war einer der vifsten politischen Köpfe der Berner SP. Und weitgehend frei von Berührungsängsten. Jahrelang führte er als Präsident den Reitschulträgerverein IKuR, 1981 gründete er den Chor L’altracosa, den er bis 2014 leitete. Kaufmann war verschiedentlich im Gespräch als Regierungsrats- und Gemeinderatskandidat, doch Samuel Bhend (Kanton) und Alexander Tschäppät (Stadt) standen ihm im Weg. Seine Berufskarriere schlug einen ungewöhnlich weiten Bogen. Er arbeitete als Journalist, Vizedirektor im Bundesamt für Energie und bis zu seiner Pensionierung 2019 als Rektor der Musikhochschule Luzern.

Bern - eine Wohlfühloase?

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