Читать книгу Der Pflanzenretter - Jürgen Feder - Страница 13
ОглавлениеJede Mauerritze kann zum »Wohnort« werden, wie hier für das Kahle Bruchkraut.
HEILER DER PLATTENRITZEN
KAHLES BRUCHKRAUT UND ROTE SCHUPPENMIERE
Raus in die Natur
Tritt man hinaus aus der eigenen Haustür, landet man heutzutage eigentlich nie im Misthaufen, in einer Pfütze oder rutscht wie früher einfach so in den Matsch. Auf uns wartet gemeinhin ein befestigter Weg oder ein versiegelter Platz – am besten für die Natur aus unterschiedlichsten Pflastermaterialien oder Beton- und Natursteinplatten. Sofern nicht sogar unbefestigt, sollten so unsere Haltestellen, Parkplätze und Parkstreifen der Zukunft aussehen. Anfallende Niederschläge sind hier so schnell wie möglich abzuleiten, sollen möglichst versickern, so wird eine Trittsicherheit über das ganze Jahr gewährleistet. Schon hier beginnen für mich die ersten Pflanzenwunder – Parkplätze, und sind sie noch so klein, sollte man nie gering schätzen. Was so lebensfeindlich aussieht, ist es nämlich gar nicht!
Es ist ja nun nicht so, dass die Pflanzen sich immerzu fragen: »Boah, wie sieht das hier denn nur aus?« Es ist auch nicht so, dass sie lange lamentieren oder gar resignieren. Nein, könnten sie menschliche Regungen zeigen, würden sich diese wackeren Recken der Pflasterritzen freuen – über uns, über Fußtritte, Fahrräder und Autoreifen. Denn das ist ihre Welt, selbst wenn wir das aus verständlichen Gründen so nicht verstehen können und wollen. Drum hüpfe ich bei meinen Führungen nicht selten vergnügt auf Vogelknöterich, Niederliegendem Mastkraut, auf Kahler oder Blutroter Borstenhirse herum, um zu zeigen, wie gut das ihnen allen nur tut. Denn ganz genau darum sind sie hier, sie empfinden das eher als Freispiel. Woanders hätte man diesen Strategen gar keinen Raum gelassen. Oft fahre ich zu Aldi, Lidl, Netto oder Rewe, nicht etwa, um schnöde einzukaufen, sondern um diese mutigen Kämpfer der Pflasterritzen ausfindig zu machen. Auf alten Bahnsteigen stehe ich nicht, um in den Zug einzusteigen, sondern ich checke ihr Pflanzeninventar ab. Eine manchmal nach Benzin, Öl, Fäkalien und Wohlstandsmüll stinkende Angelegenheit, für mich jedoch alles vernachlässigbar (obwohl ich einen ganz brauchbaren Riechkolben im Gesicht trage, groß ist meine Nase!). Diese Vertreter hier sitzen buchstäblich alle voll in der Klemme, aber das ist ja genau ihr Vorteil, man muss sie nicht bemitleiden.
Sie sind einfach da! Oft sind sie einjährig, niedrigwüchsig, sie samen reichlich und überstehen locker längere Durststrecken, wenn Wasser- und auch mal Nährstoffmangel herrscht. Ändert sich das, explodieren sie danach noch einmal, gelangen zu einem zweiten oder gar dritten Leben. Nicht selten ist es sogar ihr Höhepunkt, doch danach erfreuen sie uns noch bis weit in den Herbst hinein. Erste Fröste machen ihrem Treiben aber dann abrupt ein Ende. Sehr häufige Fighter sind: Einjähriges Rispengras, Kronblattloses Mastkraut, Strahlenlose Kamille, Sumpf-Ruhrkraut, Silber-Birnmoos oder Hornschuchs Scheinfransenmoos. Aber nicht minder seltene Trotzköpfe wie Behaartes Bruchkraut, Deutsches Filzkraut, Hirschsprung, Lippenmäulchen. Ein lohnendes Ziel also, selbst für viele Neophyten. Weil hier, an diesen Orten, sich die Welt in stetem Wandel befindet, ein einziges Kommen und Gehen, aus vieler Herren Ländern. Oft auch direkt um Wagenburgen oder wo Fiffy angeleint ist. Immer wieder lande ich hier »Treffer«. Selbst um die das Regenwasser sammelnden Gullys wird man fündig. Gerne mit Tausalzbeilagen aus der Winterzeit.
Und wenn Sie sich mal Ihren Garten anschauen – wie ist es um Ihre Pflasterbeläge auf den Wegen bestellt? Alles in Mörtel verlegt und fest verfugt? Muss nicht sein. Sie können die Steine oder Platten in Sand oder Splitt verlegen. So kann das Regenwasser versickern und Kleinlebewesen haben in den Fugen ein neues Refugium. Je nachdem, wie groß oder klein Sie den Raum zwischen den einzelnen Gehwegplatten lassen, können dort munter Wildkräuter, Gräser und auch Wildblumen gedeihen.