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VORWORT

»Die Botanik ist keine sesshafte und träge Wissenschaft, bei der man in der Ruhe und im Halbdunkel seines Arbeitszimmers vorankommt. Sie verlangt vielmehr, dass man Berge überquert und durch Wälder streift, dass man durch zerklüftete Felsen klettert und sich an den Rand von Abgründen begibt!«

Fontenelle: Lobschrift auf Monsieur de Tournefort (1709)

Trotz großer Anstrengungen in den letzten fünfzig bis sechzig Jahren ist das Artensterben bedauerlicherweise weiterhin in vollem Gang – in Deutschland, in Europa, auf der ganzen Welt. Natürlich wurden die beabsichtigten Gegenmaßnahmen nie im vollen Brustton der Überzeugung durchgeführt. Selbst auf kleinsten Ebenen fanden sich immer irgendwelche Gegner jeder noch so gut gemeinten Aktion. Sonst hätten wir nicht diese ungebremst niederschmetternden Resultate, und viel Zeit ist nun nicht mehr zu verlieren. Und das weltweit.

Ein radikaler Kurswechsel, weg von reinen Wirtschaftsinteressen, wurde bisher verpasst. Der menschengemachte Klimawandel scheint, trotz zuletzt heftigster Proteste, einfach nicht aufzuhalten zu sein. Vielleicht passiert aber doch noch irgendetwas, quasi von Geisterhand geleitet, plötzlich und auch für mich inzwischen nicht vorhersehbar, was dieser dermaßen auf Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen ausgerichteten Welt noch oder wieder helfen kann. Insofern begrüße ich diese Bewegung »Fridays for Future« ausdrücklich, die endlich auch die Erwachsenen erreicht hat.

Man muss sich das nur vor Augen führen: Laut dem UN-Bericht von 2019 könnten eine Million Tier- und Pflanzenarten aussterben, von den aktuell 1,7 Millionen Arten sind zirka 25 Prozent gefährdet – weil der Mensch durch sein Eingreifen drei Viertel der Erdoberfläche verändert hat. Und in einem so dicht besiedelten Kontinent wie Europa, gar in einem so bevölkerungsreichen Land wie Deutschland – da liegen diese Prozentzahlen noch erheblich darüber.

Dabei würde ich selbst so gerne diese Welt retten, zumindest dazu einen großen Beitrag leisten – gerne für viele andere mit. An Ideen und Tatkraft mangelt es mir eingefleischtem Landespfleger jedenfalls nicht, »nur einfach Biologe« zu sein, das genügt mir nicht. Schon als Kind besaß jedes von meinen Geschwistern – und natürlich auch ich – ein kleines Gemüsebeet, fein säuberlich in einer Reihe drapiert und abgegrenzt durch schmale Wege. Später achtete ich auf meinen vielen Streifzügen durch die Natur darauf, nichts unnötig zu zertreten und trotzdem möglichst viel zu entdecken. Bei der Vogelbeobachtung, ausgestattet mit meinem ersten Fotoapparat, waren dazu Ruhe und Verschwiegenheit vonnöten. Als Jugendlicher legte ich mich bereits auf Bolzplätzen gerne mit älteren Jungs an, wenn die mal wieder leere Bierflaschen zerdepperten – manchmal sogar volle.

Später hatte ich immer eine Rosenschere und eine kleine Klappsäge im Fahrradgepäck, und dann im Auto zusätzlich einen Kneifer. Damit rückte ich übergriffigen Sträuchern und kleinen Bäumen auf die Pelle, die damit drohten, meine geliebten und oft kleinen Pflanzenarten auf Heide und Moor, an Graben-, Straßen- und Wegrändern einfach zu überwachsen. Selbst nur auf die Gefahr hin, sie könnten beeinträchtigt, erstickt oder sonst wie unterdrückt werden. Das konnte dann auch gerne mal eine halbe Stunde dauern, einfach so und egal wo. »Rette, wen du retten kannst!« Jene innere Stimme lenkte mich, ich tat es so radikal, dass wenigstens für einige Jahre der Bestand gesichert war – oder zumindest schien.

Noch heute fahre ich alljährlich ins Bremer Umland, um dort unseren letzten hiesigen Arnika-Standort oder den einzig noch verbliebenen deutschen Wuchsort des Schwedischen Hartriegels vor dem Untergang zu bewahren. Dauernd zupfe ich Findefuchs etwas, sozusagen en passent, rupfe hier junge Kiefern und dort Birken heraus, knicke des Weges Äste von Eichen, Weißdorn oder Zitter-Pappeln um oder sammle neuerdings auf meinen Touren zunehmend den Müll anderer ein.

In meiner Frühphase beeindruckte mich das Buch »Ein Planet wird geplündert. Die Schreckensbilanz unserer Politik« von Herbert Gruhl. Bereits 1975 war das, und der ehemalige CDU-Politiker trat aus seiner Partei aus und gründete sogar eine erste Umweltpartei.

Ich selbst habe heute ständig den Film »Grün kaputt – Landschaft und Gärten der Deutschen« im Kopf. 1983, lange bevor ökologische Themen gesellschaftlich breit akzeptiert wurden, hatte Regisseur Dieter Wieland in Bayern die Zersiedelung der Landschaft, die Abholzungen, die Verschandelung von Dörfern und Städten erkannt und in schonungslosen, beklemmenden Bildern zum Ausdruck gebracht. Er schilderte in einer glasklaren (An-)Sprache eine um sich greifende, blinde Zerstörung! Überall Kahlschlag, keine Flurgehölze mehr, kilometerlange Verluste von Wallhecken, fehlende Streuobstplantagen, eine intensive Landschaft, die von Monokulturen beherrscht wird und völlig wertlos für Vögel, Insekten und andere Tiere ist. Und alles auch noch staatlich gefördert. Erste Einwände Ende der Siebzigerjahre wurden noch gnadenlos abgeschmettert, ja sogar lächerlich gemacht. Wieland wies zudem darauf hin, dass man nicht nur von der Industrie Maßnahmen fordern könne, etwas gegen den Schwefelausstoß zu tun, man müssen auch handeln. Wie erwähnt, bereits 1983 hatte er all das gesagt und gezeigt und uns alarmiert.

Es treibt mich weiterhin ein Zitat an, welches Albert Einstein zugeschrieben wird. Man fragte ihn einmal, mit welchen Waffen zukünftig Kriege geführt werden würden: »Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der Dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im Vierten werden sie wieder mit Stöcken und Steinen kämpfen!« Dieser sarkastische bis traurige, dann aber auch wieder augenzwinkernde Spruch sagt doch alles. Wir kommen nämlich der allergrößten Gefahr immer näher, die da heißt: Totalverlust unseres einzigen Planeten.

Und es geht gerade eine Ära dem Ende entgegen, jeder spürt das doch. Denken wir diese fatale ökologische Entwicklung durch, zumindest begrenzt auf Deutschland, dann

muss uns klar werden, dass in letzter Instanz nicht nur Tiere und Pflanzen durch den Klimawandel keine Lebensbedingungen mehr finden werden. Viele großartige Lebensräume stehen auf dem Spiel stehen, auch der Mensch selbst. Aber weil ich nicht die ganze Welt retten kann, beschränke ich mich auf das, wo ich mich auskenne. Und so lade ich Sie ein auf meine »Arche Jürgen« mit den Pflanzen »for future« für Deutschland.

Ihr Jürgen Feder


Als eingefleischter Landespfleger kann ich an keinem Gewöhnlichen Wasserdost vorbeigehen.

Der Pflanzenretter

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