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Der Bastelkeller

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So vorsichtig, wie er es nur vermochte, zog er die Kellertür hinter sich zu. Die Angeln hatte er mehrfach geölt, damit sie nicht quietschten. Leise klickerte seine Beute aneinander, welche er mit der linken Hand krampfhaft an seine Brust gedrückt hatte. Es handelte sich um drei Gläser mit weißem Pulver und Aufklebern mit handgeschriebenen, lateinischen Worten.

Schweiß stand auf Theobalds Stirn. Er wusste, dass er nichts einfach aus der Apotheke nehmen durfte. Das hatte ihm seine Mutter und Besitzerin der Bergapotheke in Zellerfeld mehr als einmal deutlich gemacht, aber er brauchte diese Dinge für seine Experimente. Diese speziellen Substanzen hätte sie ihm bestimmt nicht gegeben, da war er sich sicher. Er wollte sich nicht ausmalen, wie sie ihn wie eine Furie zusammenstauchen würde, wenn sie davon erführe. Ganz zu schweigen von dem, was ihm zusätzlich drohte.

Seine Mutter war eine beeindruckende und charismatische Erscheinung mit ihren wilden rotblonden Haaren, die ihr attraktives Gesicht kinnlang umrahmten. In der Stadt genoss sie wegen ihrer Fähigkeiten hohes Ansehen und war vor allem bei den hiesigen Männern, die ihr immer wieder Avancen machten, sehr beliebt. Nicht wenige Kunden vermieden es sogar, zum Arzt zu gehen, und kamen direkt zu ihr, weil sie sich bei ihr besser versorgt fühlten. Sie sah den Leuten an, was ihnen wirklich fehlte, und hatte neben Salben und Pillen auch immer ein offenes Ohr für seelische Probleme.

»Seele und Körper gehen immer Hand in Hand!«, pflegte sie stets zu sagen und ihre Erfolge gaben ihr recht. Andererseits konnte sie aber verdammt streng sein, wenn es um ihn und seine Hobbys ging. Bezüglich seiner Chemie- und Biologieversuche verstand Anna Binsenkraut keinen Spaß. Vielleicht hätte sein Vater es ihm erlaubt, aber den kannte er nicht. Seine Mutter hatte nie geheiratet. Für Theobald war das kein Wunder, denn er war vermutlich das einzige männliche Wesen, das die Geheimnisse seiner Mutter kannte. Er wusste, dass er darüber nie reden durfte. Das machte ihm nichts aus, aber sie hätte seiner Meinung nach ihm gegenüber für sein Schweigen ein wenig toleranter sein können. Einerseits war es nicht so, dass er sie hasste, er liebte sie sogar sehr, andererseits aber konnte er einfach nicht mit den Versuchen aufhören, dafür machte es zu viel Spaß. Er hatte sich schon so einiges einfallen lassen, um seine wahren Interessen vor ihr verborgen zu halten. Und solange sie ihn nicht erwischte, blieb alles gut. Eines Tages, so war er sich sicher, würde sie stolz auf ihn sein.

Mit einem dumpfen Einrasten schloss sich die Kellertür. Schlagartig wurde es stockdunkel um ihn herum. Nicht der kleinste Lichtstrahl drang nach unten. Erst jetzt atmete er pfeifend aus. Den ganzen Weg vom Lager der Apotheke bis hierher hatte er die Luft angehalten, aus lauter Furcht, entdeckt zu werden. Mit der freien rechten Hand tastete er nach links und suchte nach dem alten Drehlichtschalter. Als er ihn schließlich fand, ging mit einem leisen Knistern die einsame Glühbirne unten an und strahlte ein schwaches Licht auf die Steinstufen, die steil in die Tiefe führten.

Theobald tappte vorsichtig nach unten, sich an der Wand abstützend, um nicht zu stolpern. Ganz hinten rechts lag der Bastelkeller. Hier gab es eine Werkbank und genug Werkzeug für alle Zwecke. Sogar eine kleine Drehbank war auf der Arbeitsfläche montiert. Theobald hatte Geschick im Reparieren von Dingen bewiesen, denn in dem wunderschönen alten Haus gab es immer etwas zu tun. Da seine Mutter für handwerkliche Tätigkeiten keine Begabung besaß, hatte sie ihm kurzerhand diese Arbeiten komplett überlassen. Er war der wahre Mann im Haus, aber zu sagen hatte er nichts.

Theobald schob den Riegel zurück und schlüpfte hinein. Mit dem Ellenbogen drückte er den Taster, den er selbst eingebaut hatte, und die Halogenleuchten an der Decke des Bastelkellers gingen an. Es lag noch alles unverändert dort, wo er es zurückgelassen hatte. Doch heute hatte er kein wirkliches Interesse an den vielen herrlichen Dingen in diesem Raum. Vorsichtig stellte er die drei Gläser auf die Werkbank und kniete sich hin. Er schob ein großes Stück Sperrholz beiseite, das an der Wand stand. Dahinter eröffnete sich ein dunkler Kriechgang durch die Kellerwand aus grobem Schiefergestein. Diesen Durchgang hatte er selbst gegraben. Ein geliehener Hilti-Schlagbohrer vom Baumarkt und eine Woche Arbeit waren nötig gewesen, um den Durchgang zu schaffen. Er hatte ihn erst letzten Winter angelegt, während einer Geschäftsreise seiner Mutter, als die Apotheke ausnahmsweise geschlossen geblieben war. Die Plackerei hatte ihn völlig fertig gemacht und Blasen an beiden Händen beschert.

Wenn er nur fleißig genug arbeitete, konnte er alles erreichen. Theobald lächelte in sich hinein. Der Zugang war sein Geheimnis, das ihn mit Stolz erfüllte. Er führte zum Nachbarhaus, das als nicht mehr bewohnbar galt, aber wegen des Denkmalschutzes nicht abgerissen werden durfte. In dem Keller dort lagen seine Schätze sicher.

Ein Gefäß nach dem anderen verstaute er vorsichtig in dem Durchgang an der Seite. Er wollte an diesem Tag nicht das Risiko eingehen, ganz hindurch zu klettern, da seine Mutter sich im Haus befand. Dafür stand zu viel auf dem Spiel. Kaum dass die Gläser verstaut waren, schob er die Sperrholzwand wieder zurück an ihren Platz und richtete sich auf. Geschafft!

Was war das? Hatte er sich das nur eingebildet? Es klang wie ein Knirschen von Sand auf Steinboden. Hastig blickte Theobald sich um und griff die ersten Dinge, die ihm in die Hände fielen. Schon wurde die Tür aufgerissen und Anna Binsenkraut blickte in den Werkraum. Sie trug ihren Apothekermantel lässig offen. Darunter leuchtete ein Sommerkleid in prächtigen bunten Farben hervor, das für Theobalds Geschmack viel zu kurz und zu tief ausgeschnitten war und einen freizügigen Blick auf die weiblichen Reize seiner Mutter gewährte. Sie konnte es nicht lassen, den Männern den Kopf zu verdrehen.

»Ach, hier bist du. Das hätte ich mir ja auch gleich denken können. Ich habe dich schon gesucht. Was hast du denn damit vor?«

Bloß jetzt nicht die Nerven verlieren, dachte Theobald fieberhaft bei sich. Eine technische Ausrede wirkte immer gut.

»Ich wollte mein Fahrrad reparieren, da blockiert immer wieder die Hinterradbremse«, antwortete er ein wenig zu hastig.

Der prüfende Blick seiner Mutter glitt an ihm hinab. »Ich verstehe nun wirklich nicht viel von Handwerksarbeiten, aber wozu braucht man für eine Fahrradbremse Holzleim?«

Erst jetzt bemerkte er, dass er tatsächlich Holzleim in der linken Hand hatte. Fieberhaft suchte er nach einer Ausrede. Eines war ihm klar: Seine Mutter durfte niemals etwas von seinen Experimenten erfahren.

»Ähm, den wollte sich unser Nachbar Bergmann ausleihen. Ich dachte, ich nehme ihn gleich mit.« Ihm fiel nichts Besseres ein. Eine Weile lang musterte sie ihn, doch dann schien sie entschieden zu haben, dass es in Ordnung war.

»Das ist sehr lieb von dir, mein Sohn.« Der Gesichtsausdruck von Anna Binsenkraut wurde milder. »Ich wollte ihm sowieso seinen Blasentee vorbeibringen. Da kann ich ihm den Leim auch gleich selbst geben.«

Noch bevor Theobald reagieren konnte, fühlte er ein leises Kribbeln auf seiner Haut, das seine Haare sich aufstellen ließ, als seine Mutter verschmitzt mit den Fingern schnippte. Er wusste, was kam, und genauso passierte es auch, denn er spürte, wie die Magie sich zu ihm ausstreckte und über seine Haut strich. Die Leimflasche wurde mit einem energischen Ruck angehoben und flog in die ausgestreckte Hand seiner Mutter. Sie machte auf dem Absatz kehrt. Während sie bereits mit schnellen Schritten aus dem Raum hinaus zur Treppe ging, rief sie noch über ihre Schulter.

»Geh bitte gleich zur Post am Marktplatz. Dort liegt ein Paket für uns. Danach holst du vom Bäcker Biel noch eins von diesen herrlichen Vollkornbroten mit den vielen Kräutern drauf. Ach ja, sei heute um sieben zum Abendbrot zu Hause. Es gibt Waldpilzomelett à la Binsenkraut.«

Theobald starrte ihr nach, dann wurden ihm die Knie weich. Er ließ sich auf einen Holzschemel plumpsen und begann, seine verschwitzten Hände zu massieren. Das war sehr knapp gewesen! Hoffentlich reagierte der Nachbar wie immer. Der alte Bergmann war halb taub und ziemlich vergesslich. Vermutlich würde er seiner Mutter die Flasche abnehmen und dann grübeln, wofür er sie hatte haben wollen. Theobald würde die Flasche zurückholen können, ohne dass seine Mutter etwas ahnte. Es brachte schon ein Risiko mit sich, bei normalen Eltern über die Stränge zu schlagen und Verbote zu ignorieren, aber die Tatsache, eine Hexe als Mutter zu haben, machte es über die Maßen gefährlich. Wenn sie ihn erwischte, würde sie nicht nur Stubenarrest erteilen, soviel war sicher! Und er konnte niemandem davon erzählen, denn es war das oberste Gebot, darüber zu schweigen.

Was ihn noch mehr bedrohte als seine Experimente, war die Tatsache, dass er Hexenmagie spüren konnte. Theobald seufzte und blickte sich noch einmal um. Als die erste Erleichterung verflog, blieb noch ein anderes Gefühl zurück, dass an ihm nagte: Neid auf ihre Magie. Für einen Moment ruhte sein Blick auf dem Sperrholzbrett. Unwillkürlich grinste er schief. Wenn sie wüsste.

Dann schaltete er das Licht wieder aus und machte sich auf, die ihm aufgetragenen Arbeiten zu erledigen.

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