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IV. Verfehlungen und Straftaten (1868-1870) 1. Eine gescheiterte Resozialisation

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Als Karl May am 2. November 1868 aus dem Arbeitshaus Schloss Osterstein vorzeitig entlassen wurde, kehrte er nach Ernstthal zurück, wo er nachweislich bis April 1869 wieder bei den Eltern wohnte. Ihm, dem entlassenen Strafgefangenen, dem ehemaligen Lehrer, der aus der Lehramtskandidatenliste gestrichen worden war, boten sich angesichts seiner Mittellosigkeit keine Alternativen. Auch die Hoffnung auf eine literarische Zukunft zerstob angesichts der Realität sehr schnell. Bis heute lassen sich trotz intensiver Nachforschungen keinerlei Veröffentlichungen feststellen, sodass eine existentielle Sicherung durch eine Autorentätigkeit Utopie blieb. Bis wann und in welcher Weise May an der Umsetzung seiner literarischen Pläne arbeitete, lässt sich nicht mehr feststellen. Belegt sind im Frühjahr 1869 mehrere Fahrten wohl in literarischen Angelegenheiten nach Dresden. Während sich die beruflichen Perspektiven immer mehr verdüsterten, bot zumindest das Privatleben einen kleinen emotionalen Lichtblick durch die Liebesbeziehung mit dem Dienstmädchen Auguste Gräßler (1848-1894) aus Raschau bei Schwarzenberg. Neben der deprimierenden Erkenntnis, seinen Lebensunterhalt nicht als Schriftsteller verdienen zu können, kamen weitere Belastungen, die mit seinem Status als Vorbestraften zusammenhingen. „In seiner engeren Heimat wurde der entlassene Arbeitshäusler mit Mißtrauen betrachtet. Bei Delikten, die in der Umgebung vorfielen, wurde May als Täter verdächtigt.“127 Dieses Misstrauen betraf allerdings vorwiegend Behördenvertreter.

„Es hatte irgendwo einen Einbruch gegeben. Jedermann sprach von ihm. Der Täter war entkommen. Bald gab es wieder einen, in derselben Weise ausgeführt. Dazu kamen einige Schwindeleien, wahrscheinlich von herabgekommenen Handwerksburschen in Szene gesetzt [...]. Es zirkulierte ein Gerücht [...], daß ich jener Einbrecher sei [...]. Es kamen einige neue Schelmenstreiche vor, deren Täter ganz unbedingt mit einer gewissen Intelligenz behaftet waren. Man glaubte, dies auf mich deuten zu müssen [...]. Der Wachtmeister erkundigte sich unter der Hand [...] wo ich [...] gewesen sei.“ 128

Die psychischen Verstörungen setzten wieder ein. „May erzählte, wie er ziellos in Wald und Feld herumgelaufen und einer (von ihm zweifellos nicht begangenen) Brandstiftung bezichtigt worden sei; nicht einmal die Mutter habe an seine Unschuld geglaubt und ihn nach Amerika forttreiben wollen. Die Authentizität dieser Schilderung und ihre Deutung sind umstritten. Sicher ist, daß die Widerstandskräfte, mit denen May die Anstalt verlassen hatte, schon nach wenigen Monaten zusammenbrachen.“129

May beschreibt später seinen damaligen Seelenzustand:

„Ich vernahm unausgesetzt den inneren Befehl, an der menschlichen Gesellschaft Rache zu nehmen, und zwar dadurch Rache, daß ich mich an ihren Gesetzen vergriff.“ 130

Old Shatterhand vor Gericht

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