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Kapitel 9

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Kriemhild

„Oh mein Gott! Oh mein Gott! Ich denke, ich muss nochmal nach Hause und mich komplett umstylen. Hast du kurz Zeit? Kommst du mit? Wieso musstest du hier ausgerechnet im Sommer aufschlagen? An Halloween ist auch viel los. Oder an Thanksgiving. Der Sommer wird meiner Meinung nach ohnehin überbewertet. Was tu ich jetzt also mit dir? Lass dich ansehen!“

Brooke nahm sie bei den Händen und schwenkte ihre Arme umher. Ihr Geplapper verunsicherte Kriemhild noch stärker, als sie ohnehin schon war. Sie kam sich tierisch albern vor in ihrem Aufzug. „Du hast Recht. Ich sollte mich besser umziehen. Eine Jeans tut’s auch.“

„Was? Darling, eine Jeans? Woher kommst du noch gleich? Vom Mond? Du bist das heißeste Ding, das hier weit und breit herumläuft. Und darauf solltest du stolz sein! Wieso hat Gott mir diesen Körper nicht geschenkt? Ich wüsste genau, wie ich ihn einzusetzen hätte! Los, komm, wir sind eh zu spät. Aber hey, du hast mir wirklich noch nicht gesagt, woher du kommst.“

„Aus Bremerhaven“, erwähnte Kriemhild beiläufig.

Bremerhaven? Wo liegt das, in Kalifornien? Wahnsinn, ein Mädchen von der Westküste! Dafür bist du ziemlich blass, findest du nicht?“

„Brooke, Bremerhaven liegt an der Nordküste. Und zwar von Deutschland.“

Das Mundwerk ihrer neuen Freundin stand mal für fünf Sekunden lang still.

Deutschland? Verstehe. Europa. Ich dachte immer, Europäer seien blond und blauäugig?“

„Tja. Man lernt immer dazu.“

Brooke zog sie aus dem Haus. Kriemhild setzte ihren Strohhut auf und schob den Rock weiter runter. Er reichte nicht mal bis zu den Knien. Darin lag sicher ihr Unwohlsein. Tante Margret stand mit verschränkten Armen auf der Veranda, zwinkerte ihr zu und lächelte. So schlimm konnte es also nicht sein.

Brooke trug ihre Haare offen. Ihr gelber Bikini strahlte geradezu auf ihrer knackig braunen Haut. Wie unterschiedlich wir doch sind, dachte Kriemhild, als sie sie musterte. Allein optisch passten sie überhaupt nicht zusammen. Wenn Sara nur dagewesen wäre …

„Also. Ich werde dich jetzt mal aufklären, was unsere Beachpartys angeht. Ich bin sicher, dass du noch nie Vergleichbares erlebt hast. Unten am Pier treffen wir auf Kelly, Bonnie und Jen. Nenn sie bloß nicht Jennifer! Es könnte sonst durchaus passieren, dass sie einen hysterischen Anfall bekommt. Obwohl, lass uns abwarten, wie die Jungs drauf sind. Wenn es dazu kommen sollte – was ich natürlich nicht hoffe – dass sie sich den gleichen angelt wie ich, dann darfst du sie Jennifer nennen. Wie alt bist du? Einundzwanzig? Wenn nicht, ist Alkohol tabu. Ich weiß zwar nicht, wie das bei euch in Europa geregelt ist, aber … Vergiss es. So, wie du aussiehst, wird niemand nach deinem Alter fragen.“ Kriemhilds Ohren schmerzten, als sie den Pier erreichten. Das war schlimmer als die Gilmore Girls. Vor ihnen stand eine Gruppe Mädels. Kelly, Bonnie und Jen. Sie begrüßten sie mit einem Lipgloss-„Hi“ und Kriemhild wünschte, ein Loch im Boden würde sich auftun und sie verschlingen. Irgendwie fühlte sie sich fehl am Platz.

„Das ist Kate“, begann Brooke. „Sieht sie nicht hammermäßig aus? Sie kommt aus Europa, daher ihre blasse Haut. Aber unser Sommer wird sich dieses Problems annehmen. Hab ich Recht, Mädels?“

Die stylischen Girls musterten sie. Vielleicht hätte Kriemhild sich wohler gefühlt, wenn sie nicht noch oberflächlicher gewesen wären als Brooke. Einen Augenblick lang stellte sie sich vor, wie es wäre, die große Blonde Jennifer zu nennen.

„Okay, was geht ab?“ Bonnie schaute neugierig in die Runde. „Ich würde sagen, ich besorge uns ein paar Drinks?“

„Hey, Kate, was willst du trinken? Bonnie hat einen Ausweis dabei. Sie bekommt alles, was dein Herz begehrt.“

„Für mich vielleicht später. Danke.“

Bonnie rollte mit den Augen, bevor ihr Pferdeschwanz fast in Kriemhilds Gesicht klatschte. Die Musik dröhnte über den Pier und eine riesige Schlange tanzender Jugendlicher bewegte sich in die Mitte des Stegs.

„Hallo, ihr Süßen!“ Jason drängte sich dreist zwischen die Mädchen und alle grinsten ihn an. Kriemhild schaute weg. Ihr war klar gewesen, dass sie James und ihm dort begegnen würde, aber das machte die Sache nicht angenehmer. Nachdem er sich den Begrüßungs-Lipgloss seiner Fangemeinde von der Wange gewischt hatte, kam er zu ihr.

„Welch übergroße Freude, dich wiederzusehen. Hast du Lust auf einen Tauschhandel? Deinen Namen gegen einen Drink?“

„Danke. Ich bin nicht durstig.“

„Hey, Jason! Ihr Name ist Kate. Bekomme ich jetzt den Drink?“

„Tut mir leid, Brooke. Dir hätte ich ein anderes Angebot gemacht.“

Kriemhild drehte sich zur Seite und schaute aufs Meer hinaus. Die Sonne stand über der Bay. Nicht mehr lange und sie würde untergehen.

Vielleicht sollte ich daheim sein, bevor es dunkel wird?, dachte sie. Es war keine gute Idee gewesen, herzukommen.

„Wie gefällt euch denn dieser ultimative Eröffnungsgig?“ Jason stand mit geschwollener Brust vor seinen Anhängerinnen.

„Es ist der Wahnsinn! Wie jedes Jahr, Jay!“

„Danke, Kelly. Du solltest abwarten, bis wir die Leuchtraketen und das Feuerwerk abschießen.“

Brooke stupste Kriemhild an. „Hey, hast du das gehört? Ein Feuerwerk! Ich kann’s kaum erwarten.“

„Brooke, darf ich deine Kate entführen? Sicher hat sie den Pier noch gar nicht richtig gesehen.“

Etwas beleidigt nickte sie auf seine Frage hin und zuckte mit den Schultern. Brooke gefiel anscheinend nicht, dass Jason sie kaum eines Blickes würdigte. Er fing eine Haarsträhne aus Kriemhilds Pony und legte sie hinter ihr Ohr. Sie wich zurück.

„Kommst du? Wenn du willst, gehe ich das Stück mit dir. Der Pier ist etwa 150 Meter lang. Dort hinten hat man einen ausgezeichneten Blick rüber nach Martha’s Vineyard.“

Sie wollte nein sagen, als ihr Handy piepte. Eine weitere Nachricht von Justus.

Es war falsch, meinen Anruf zu unterdrücken. Ich weiß, dass du weg bist. Aber egal wo, ich finde dich, verlass dich drauf. Ich weiß zufällig, dass du mich liebst.

„Weißt du was, Jason? Ich würde den Pier sehr gern sehen.“ Sie verstaute das Telefon in ihrer Tasche und schob sich hinter ihm her durch die Massen.

Er trug eine kunterbunte Caprihose und ein fast komplett aufgeknöpftes weißes Hemd, um seine riesigen Tattoos geltend zu machen. Seine muskulösen Oberarme und das straffe Sixpack verrieten, dass Jason viel Zeit in hartes Training investierte. Doch all das imponierte Kriemhild nicht wirklich.

Die Sache mit Justus machte ihr mehr zu schaffen, als sie zugeben wollte. Ein Kloß in ihrem Hals ließ sich einfach nicht hinunterschlucken. Sie zwängten sich durch die tanzende Menge, die das Holz des Piers zum Knarren brachte. Gleich hinter dem DJ war eine Cocktailbar. Ein riesiger Typ reichte Jason im Vorbeigehen einen Becher mit einem Getränk.

„Hey, Joe, hast was gut bei mir!“, rief er grinsend.

Nach etwa hundert Metern endeten die Partystände, die sich auf den Anfang und die Mitte des Stegs konzentrierten. Sie ließen das wilde Gedränge hinter sich. Jason zog eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche und bot sie Kriemhild an. Sie ignorierte ihn, aber er nahm sich eine und zündete sie an, während er sie aus den Augenwinkeln musterte.

„Was für Tugenden hast du sonst noch?“

Dieser dämliche Justus!, dachte sie. Wieso bildete er sich ein, sie würde ihn lieben?

Ein paar knutschende Jugendliche kamen ihnen entgegen, aber sonst war dort kaum jemand.

Die Wellen trugen kleine Schaumkronen. Nicht gerade das ideale Strandwetter, wie Kriemhild fand. Jason legte seinen Arm um ihre Schulter. Sie schüttelte ihn ab.

„Hey, werd mal locker, Kate. Vielleicht ‘nen Schluck Cola?“ Er blies ihr den Rauch seiner Kippe ins Gesicht. Ohne ihn anzusehen, nahm sie den Becher aus seiner Hand und trank. Zwei ziemlich große Schlucke. Es schmeckte scheußlich.

„Na siehst du, geht doch. Das mit heute Morgen tut mir übrigens leid. Wir wollten dir auf der Straße keine Angst einjagen.“

„Habt ihr auch nicht.“

„Was ich dir noch sagen wollte, du siehst echt heiß aus. Ich wette, am ganzen Strand bis runter nach Woods Hole gibt es kein Mädchen, das es mit dir aufnehmen kann.“

Ob Justus Sara so lange unter Druck setzen würde, bis sie ihm verriet, wo sie sich aufhielt?

Am Ende des Piers tauchten James und ein dritter Junge auf, dem Kriemhild bis dahin nicht begegnet war. Sie standen mit den Händen in den Taschen da und schauten sie an, als warteten sie auf etwas. „Hier, trink noch was, ich mag nicht mehr.“

Sie nahm ein paar Schlucke und schmiss den halbvollen Becher ins Meer, was sonst gar nicht ihre Art war. Jason reagierte ziemlich verärgert und pöbelte sie gleich an.

„Du willst mir doch nicht erzählen, dass du dich für Umweltschutz interessierst?“, antwortete Kriemhild. Urplötzlich machte sich Übelkeit in ihrem Magen breit. Sie hatte bereits zu viel Zeit mit ihm vergeudet. Von Martha’s Vineyard war auch nichts zu sehen. Es war zu diesig. Sie erreichten das Ende des Stegs. Die Sonne versank eben im Westen, es wurde windig und sie fröstelte.

Ein plötzlicher Schwindel ließ sie taumeln, als sie sich umdrehte, um zurückzugehen.

„Wo willst du denn hin?“ Jason hielt ihren Arm fest, während James und der andere näher kamen. Sie stießen ihre Schultern gegeneinander und lachten.

„Ich hatte gehofft, du kommst eine Runde mit mir schwimmen, Katie?“

Jason zog Kriemhild an sich. Seine Stimme hallte blechern in ihr nach. Ihr war übel.

„Lass mich los!“ Die Worte fielen lallend von ihren Lippen. „Mir geht es nicht besonders. Außerdem kann ich nicht schwimmen.“

Sie griff nach dem Holzgeländer, um nicht umzufallen. Was geschah mit ihr?

„Setz dich her zu mir. Du solltest dich ein wenig ausruhen.“

Jason zog sie hinab auf die Holzbohlen, während sie versuchte, mit aller Kraft stehen zu bleiben. Ihre Knie waren aus Gummi. Vor Kriemhilds Augen begann sich alles zu drehen.

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