Читать книгу Weltenreise - Julia Beylouny - Страница 16

Kapitel 12

Оглавление

Kriemhild

„Wie aufmerksam von dem Jungen, dich heimzufahren. Hat dir die Party denn gefallen?“

Tante Margret nahm einen Schluck Kaffee und musterte sie aus den Augenwinkeln.

Die Party. Seltsam. Obwohl Samuel ihr versichert hatte, dass sie sich an nichts erinnern würde, sah Kriemhild alles klar vor Augen. Vor allem die Szene in seinem Wagen. Sie war ihr in ganz besonderer Erinnerung. Er hatte sie aus dem Ozean gefischt, was ihr zu denken gab. Samuel schuldete ihr ein paar Antworten.

„Ja, sehr aufmerksam. Du hättest aber nicht auf mich warten müssen.“

„Natürlich musste ich das. Ich bin deine Tante und wenn dir hier etwas zustößt, würde deine Ma es mir nie verzeihen. Und ich mir auch nicht. Noch ein Brötchen, Liebes?“

„Danke. Das deutsche Frühstück hast du dir offenbar beibehalten.“

Margret nickte. „Offenbar. John hat es zu lieben gelernt. Dieses Fastfood kann einem auch wirklich auf den Magen schlagen.“

Im selben Moment betrat ihr Onkel das Esszimmer über die Veranda. Er sah etwas blass aus und zögerte, bevor er das Wort ergriff.

„Kriemhild, da draußen ist jemand für dich.“

„Für mich?“

Er nickte, nahm den Sonnenhut vom Kopf, den er bei der Gartenarbeit immer trug, und drehte ihn nervös in den Händen umher.

„Ja. Es ist dieser … Dawson-Junge, der immer drüben in den Dünen sitzt. Er steht unten am Strand mit … einem Police Officer. Sie wollen mit dir reden, über die Tasche, die du vermisst.“

„Meine Tasche?“

Margret griff erschrocken nach ihrer Hand. „Du vermisst eine Tasche? Davon hast du gar nichts erzählt. Waren Wertgegenstände drin? Bist du etwa beklaut worden?“

Kriemhilds Stimme versagte. An die Tasche hatte sie gar nicht mehr gedacht. Sie musste sie im Meer verloren haben. Schweigend erhob sie sich und ging an John vorbei hinaus auf die Veranda. Samuel stand neben einem Officer und wirkte ziemlich durcheinander.

„Was ist hier los, Sam? Ich habe meine Tasche nicht als vermisst gemeldet. Ich verstehe das alles nicht.“

Aus irgendeinem Grund wich er ihrem Blick aus.

„Guten Morgen, Ma’am, verzeihen Sie die Störung. Mein Name ist Officer David Cooper, Falmouth Police Department.” Er hielt ihr eine silberne Dienstmarke hin und sie kam sich vor wie in einer der amerikanischen Krimiserien. „Es handelt sich hier nicht um eine Tasche, die als vermisst gemeldet wurde, sondern um eine junge Frau.“

Ein flaues Gefühl machte sich in ihrem Magen breit. Endlich schaute Sam in ihre Richtung, wenn auch nicht in ihre Augen. Er raufte sich die Haare. „Ich habe ihm schon gesagt, dass hier niemand vermisst wird. Aber er muss das abchecken, wenn du verstehst, was ich meine. Die Sache mit der Tasche habe ich vorgeschoben, um deinem Onkel keinen Schrecken einzujagen.“

Was? Wer kommt darauf, irgendjemand würde vermisst? Officer, ich verstehe nicht ganz, was hier eigentlich los ist.“

„Sehen Sie, gestern Abend fand eine Strandparty am Pier statt. Gegen zweiundzwanzig Uhr dreißig ging in der Zentrale ein Anruf ein. Jemand berichtete von einer Schlägerei, in die Mister Dawson verwickelt gewesen sein soll. Dabei soll ein junges Mädchen – deren Beschreibung eindeutig auf Sie zutrifft – über das Sicherheitsgeländer des Piers gestoßen worden sein. Daraufhin wurde die Party polizeilich beendet und ein Taucherteam suchte die halbe Nacht erfolglos nach der jungen Frau.“

Kriemhild wurde schwindelig. Ihr Puls überschlug sich beinahe. Die Aktion konnte sie unmöglich vor Onkel John und Tante Margret geheim halten.

„Geht es dir gut? Willst du dich einen Moment lang setzen?“ Sam schaute besorgt. Ihm war ihr Schock offenbar nicht entgangen.

„Alles in Ordnung. Ich bin nur etwas erschrocken über die Sache.“

„Ma’am? Verzeihen Sie, aber ich muss Sie ein paar Dinge fragen. Waren Sie gestern auf dieser Party?“

„Ja. Und wie Sie sehen, bin ich am Leben und wohlauf.“

„Dann stimmt es also nicht, dass Sie ins Meer gestoßen wurden?“

„Ich wurde nicht gestoßen. Ich bin auf dem Pier ausgerutscht und ins Wasser gefallen. Mister Dawson zog mich sofort heraus und wir verließen die Party. Wer der drei anderen hat mich denn als vermisst gemeldet?“

Samuel fuhr sich wieder durch die Haare. Kriemhild verstand nicht, aus welchem Grund er das immer tat. Wieso war er so nervös?

„Der Anruf ging anonym ein. Wissen Sie vielleicht mehr über diese Schlägerei?“

Sie schaute zu Sam hinüber. Er hatte keinen Namen preisgegeben.

„Allerdings. Die drei Jungs sind die Einzigen, die dafür in Frage kommen. Dieser Jason, James und ein Freund der beiden, dessen Namen ich nicht kenne. Officer, ich denke, einer der Jungs hat mir was in meinen Drink gemixt. Zur Schlägerei kam es, weil Mister Dawson mir helfen wollte.“

Samuel sah sie so wütend an, als würde er ihr jeden Moment an den Hals springen.

„Mister Dawson? Würden Sie das bestätigen?“

Er schnaubte verächtlich. Dann nickte er. Officer Cooper machte einige Notizen auf seinem Schreibblock.

„Ma’am, wenn Sie sagen, jemand habe Ihnen etwas in den Drink gemischt, gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie von dem illegalen Betäubungsmittel GHB sprechen? Sie erheben da schwere Anschuldigungen. Möchten Sie Strafanzeige erstatten?“

Samuel drehte sich weg und atmete tief durch. Sein Verhalten irritierte Kriemhild zunehmend.

„Wenn es so wäre, könnte man dieses Mittel in meinem Blut noch nachweisen?“

Der Officer warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Schwer zu sagen. Ich denke, eher nicht.“

„Dann möchte ich gern von einer Strafanzeige absehen.“

„Vielen Dank, Ma’am. Ich habe vorerst genug gehört. Ich würde Sie dann um Ihren Namen und die Anschrift bitten, nur fürs Protokoll, Sie verstehen. Falls Sie doch über eine Anzeige nachdenken, kommen Sie einfach aufs Department.“

„Natürlich. Ich danke Ihnen. Tut mir leid für die Unannehmlichkeiten.“

Er lächelte. „Das ist mein Job, Ma’am, und ich bin sehr erleichtert, dass Sie wohlauf sind und wir nicht mehr damit rechnen müssen, dass in den nächsten Tagen eine Leiche an den Strand gespült wird.“

Der Gedanke daran jagte Kriemhild eine Gänsehaut über den Rücken.

Samuel wartete, bis der Officer außer Sichtweite war. Dann packte er sie hart am Arm und verschaffte seinem Ärger Luft.

„Musstest du unbedingt die Namen dieser Typen verraten? Du weißt anscheinend gar nichts über sie!“

Sie schüttelte ihn ab und wich einen Schritt zurück. Dort, wo er ihren Arm gepackt hatte, brannte ihre Haut. Seine Augen blitzten in der Sonne.

„Ach, nein? Vielleicht weiß ich nichts über sie, allerdings habe ich genug mitbekommen, um zu wissen, wie kriminell sie sind! Warum schützt du sie? Hast du etwa Angst vor ihnen? Sie hätten mich beinahe umgebracht, schon vergessen?“

„Nein, das habe ich nicht vergessen! Und es wäre besser, wenn du niemals erfährst, was ich deinetwegen riskiert habe. Was diese Typen angeht, ihre Väter sind sozusagen das New Yorker Gesetz! Sei froh, dass du von dieser Anzeige abgesehen hast, sonst hättest du sehr bald einen Prozess am Hals, den du in hundert Jahren nicht gewinnen würdest. Die sind eine Nummer zu groß für dich. Leute wie uns zerquetschen die zu Staub, verstehst du das?“ „Wer hätte denn ahnen können, dass sie mich gleich als vermisst melden und dich im Zug der Schlägerei erwähnen? Dass dieser Officer hier aufkreuzt, hat mich völlig überrascht. Und im Übrigen hat dich niemand gebeten, mich zu retten. Es tut mir leid, dass du meinetwegen etwas riskieren musstest.“

Samuel drehte sich weg und rang nach Fassung. Er wich ihrem Blick aus und sprach so leise, dass sie fast nichts verstand.

„Mir tut es nicht leid. Ich würde es jederzeit wieder tun. Jedoch solltest du mich nie mehr zwingen, Dinge zu sagen – zu denken – die etwas auslösen könnten, was ohnehin unmöglich ist. Es wäre zu viel der Erklärungen, du würdest es nicht verstehen. Bitte frag nicht, wieso mein Vater dich sehen will. Noch heute.“

Wie bitte?“

„Mein Wagen steht dort drüben. Ich warte auf dich. Lass dir Zeit, deine Tante hat unseren Streit mitbekommen und will sicher wissen, was los ist.“

Was redest du da?“

Kriemhild sah sich um und suchte nach Tante Margret. Sie war nirgends zu finden. Wie kam er darauf, dass sie alles mitbekommen hatte? Als sie ihn fragen wollte, war er bereits auf dem Weg zu seinem Wagen.

Ihre Tante stand an der Wand hinter der Verandatür. Von draußen war sie unmöglich zu sehen, von ihrer Position aus konnte sie jedoch jedes Wort verstehen, das unten gesprochen wurde. Woher wusste Sam davon?

Sie fiel Kriemhild in die Arme, als sie eintrat. „Kind, ist alles in Ordnung mit dir? Ich habe ein wenig von eurem Streit mitbekommen. Was ist denn nur passiert? Was wollte der Officer?“

Margrets Augen waren angsterfüllt. John betrat das Wohnzimmer und schaute fragend.

„Beruhigt euch erst mal. Das alles ist ein Missverständnis. Jemand hat mich auf der Party als vermisst gemeldet, weil ich ausgerutscht und beinahe ins Meer gefallen bin. Samuel hat mich aufgefangen, dabei habe ich meine Tasche verloren. Und soll ich euch was sagen? Mein Handy war drin. Damit habe ich endlich Ruhe vor Justus.“

Die Tatsache beruhigte selbst Kriemhild. Tante Margret und Onkel John atmeten erleichtert auf. Wieso hätte sie ihre Verwandten unnötig in Angst und Schrecken versetzen sollen? Die Wahrheit hätte sie nur beunruhigt.

„Worüber habt ihr gestritten?“ Margret hielt Kriemhilds Hände.

„Eine kleine Meinungsverschiedenheit. Ich fahre kurz mit Samuel in die Stadt, wenn ihr einverstanden seid.“

Ihre Verwandten wechselten einen schnellen Blick. John räusperte sich.

„Sicher. Wir wollten morgen mit der Fähre rüber nach Martha’s Vineyard. Vielleicht fragst du ihn, ob er uns begleiten möchte?“

„Nein, Onkel. Das ist keine gute Idee. Ich will nicht, dass er mitkommt.“

Sie hatte nicht die Spur einer Ahnung, wieso Mister Dawson sie sehen wollte. Irgendwas sagte ihr, dass das nichts Gutes bedeutete. Samuel jedenfalls schien der Gedanke nicht zu gefallen. Kriemhild dachte, es sei vielleicht besser, sich etwas Seriöses anzuziehen und ihre Haare zu machen. Also lief sie die Treppe hinauf und wühlte in ihren Kleidern. Brooke hatte erwähnt, seine Leute wären auf ihrem Gebiet weltbekannte Meeresbiologen. Vermutlich hochgestochene Freak-Eltern, die in ihrer Villa hockten und staubige Bücher über den Ozean wälzten. Dabei aßen sie Sushi.

Sie wählte die dunkelgrünen Sandaletten mit Absatz, einen knielangen beigefarbenen Rock und ein khakifarbenes Trägershirt. Wer wusste schon, worauf Meeresbiologen standen? Und wieso um alles in der Welt wollte sie ihnen gefallen? Kriemhild kannte die Leute nicht mal.

„Nett, dass du gekommen bist.“

Sam besaß die unfreundliche Angewohnheit, sie mit seinen Blicken zu ignorieren, während er sprach. Er ließ den Wagen an und fuhr die Straße hinab. Seine Nähe brannte auf Kriemhilds Haut wie Salzwasser, das in eine Wunde spülte.

„Was soll das? Ich meine, was tu ich hier? Wieso will dein Vater mich sehen? Denkt er etwa, wir wären … ein Paar?“

Denk nicht mal an sowas, verstanden?“, fuhr er sie barsch an. „Heute Morgen kam dieser Bulle und schellte an der Tür. Mein Dad öffnete und erfuhr, dass ich wegen eines Mädchens in eine Schlägerei verwickelt war. Du hast keine Ahnung, wie er getobt hat. Jetzt will er sehen, wer es wert war, dass ich mich um sie prügel.“ Sie schaute ihn mit großen, ungläubigen Augen an.

„Das ist nicht wahr, oder? Willst du mich auf den Arm nehmen? Wie alt bist du? Zwölf? Ich komme mir ziemlich bescheuert vor, um ehrlich zu sein!“

„Ich habe dir gesagt, du sollst nicht fragen. Du würdest es nicht verstehen. Also belass es einfach dabei. Sei nett zu ihm, sag hallo und dann bringe ich dich wieder heim.“

„Samuel, ich bin kein Zootier, das man sich einfach so anschaut! Das alles ist ein schlechter Witz!“

Das verstehst du nicht!“

„So, wie ich nicht verstehe, wie du mich bei dem Wellengang gestern retten konntest? In 150 Metern Entfernung vom Strand? Im Dunkeln? Oder so, wie ich nicht verstehe, woher du wusstest, dass Tante Margret hinter der Wand steht und unseren Streit belauscht?“

Er schüttelte den Kopf und lachte leise. „Ich habe einige Jahre lang als Rettungsschwimmer gearbeitet. Und dass deine Tante lauschen würde, hättest du dir selbst denken können, nachdem ein Officer in ihrem Garten aufgetaucht ist.“

„Würdest du da vorne bitte anhalten? Ich muss Brooke benachrichtigen, bevor sie überall von meinem Verschwinden erzählt. Und dann möchte ich gern wieder nach Hause.“

„Das ist nicht nötig. Brooke hat die Party verlassen, nachdem du mit Jason abgezogen bist. Sie war eifersüchtig. Wenn sie von dem Vorfall erfahren hat, dann sicher nicht aus erster Hand.“

Fassungslos lauschte sie seinen Worten. „Woher willst du das alles wissen? Dass sie eifersüchtig war? Und die Party verlassen hat? Hast du mit ihr gesprochen?“

Er schaltete einen Gang runter. Sie bogen in ein Dünental.

„Dort drüben ist unser Haus.“

Zum ersten Mal, seit Kriemhild im Wagen saß, schaute er ihr direkt in die Augen. Sein Blick war flehend, fast ängstlich. Und er durchdrang sie bis ins Mark. Ihre Hand umklammerte den Türgriff, um den Opalen standzuhalten.

„Kriemhild, ich verspreche dir, dass du mich nie wiedersehen wirst, wenn du mich jetzt nicht im Stich lässt. Bitte, frag ihn nichts. Das würde alles nur noch schlimmer machen.“

Weltenreise

Подняться наверх